1645/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Petra Wimmer, Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

 

Betreffend Einführung einer neuen Familienarbeitszeit

 

 

Erwerbsarmut ist ein weit verbreitetes Problem in Europa. Als erwerbsarm gelten erwerbstätige Personen, die in einem Haushalt leben, dessen Einkommen unterhalb der Armutsschwelle liegt (60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens). Die Armutsgefährdungsschwelle liegt in Österreich bei 1.238 Euro netto 8 Prozent der Erwerbstätigen erhalten weniger als diesen Grenzwert. Das sind zirka 300.000 Personen, davon 170.000 Männer und 130.000 Frauen.

 

Besonders betroffen sind vom Phänomen Armut trotz Arbeit einmal mehr die Frauen. Grund sind zum einen Niedriglohnbrachen wie Handel, Tourismus und Dienstleistungen, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind. Zum anderen arbeiten Frauen – auch aufgrund von Betreuungspflichten – besonders oft in Teilzeit.

Teilzeit ist also weiblich. 50 Prozent aller erwerbstätigen Frauen zwischen 25 und 60 Jahren sind teilzeitbeschäftigt. Bei den Männern in dieser Altersgruppe ist das ein Minderheitenprogramm (9 Prozent). Europaweit betrachtet ist die Teilzeitquote bei Frauen nur in den Niederlanden noch höher als hierzulande.

 

Doch selbst bei gleicher Stundenzahl verdienen Frauen um rund ein Drittel weniger, obwohl sich viel in den letzten Jahrzehnten bei der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt getan hat. Frauen haben bei der Erwerbstätigkeit gegenüber den Männern dramatisch aufgeholt und sie bei den formalen Bildungsabschlüssen bereits überholt. Trotzdem verdienen Frauen noch immer um mehr als ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Das finden viele Frauen und Männer nicht fair.

 

900 Euro brutto entgehen den Frauen und ihren Familien im Schnitt jeden Monat durch den Einkommensunterschied. Über das ganze Jahr hinweg fehlen damit in der Einkommenskasse 12.500 Euro. Rechnet man den Unterschied auf ein durchschnittliches weibliches Erwerbsleben von 34,5 Jahren hoch, beträgt der Verlust stattliche 435.000 Euro. Es geht also um die Größenordnung eines Einfamilienhauses. Man könnte also zurecht von einer haushohen Ungerechtigkeit sprechen.

 

Ein wesentlicher Grund dafür, dass Frauen weniger verdienen ist, dass sie deutlich mehr unbezahlte Arbeit leisten. Erwerbstätige Frauen arbeiten im Schnitt 27 Stunden in der Woche unbezahlt im Haushalt, in der Kinderbetreuung und in der Pflege. Bei Männern sind es nur rund halb so viele Stunden. Das hat zur Folge, dass Frauen nicht nur weniger Freizeit oder Zeit für sich haben. Die Mehrbelastung hat gesundheitliche Auswirkungen, hat negative Folgen für Beruf, Karrierechancen und soziale Absicherung.

 

Gerade die Pandemie und die damit verbundenen Mehrbelastungen für Frauen hat diese Problem noch einmal verstärkt.

 

Um den Spagat zwischen Arbeit und Familie besser bewerkstelligen zu können, braucht es mehr Partnerschaftlichkeit durch eine neue Familienarbeitszeit für Kinderbetreuung und für Pflege von Angehörigen mit einem finanziellen Ausgleich. Für die Dauer von max. 24 Monaten kann im Anschluss an das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld oder für die Pflege von nahen Angehörigen (ab Pflegestufe 3) diese verkürzte Vollzeit in Anspruch genommen werden.

 

Die Lohnersatzleistung bei verkürzter Vollzeit in der Höhe von 50 Prozent des reduzierten Einkommens, soll Eltern oder Alleinerziehenden kleiner Kinder einen finanziellen Anreiz bieten, einer reduzierten Vollzeitbeschäftigung (und nicht Teilzeitbeschäftigung) nachzugehen. Der finanzielle Anreiz soll durch eine staatliche Leistung erfolgen, die den Differenzbetrag zum Vollzeit-Einkommen partiell ausgleicht. Die Leistung ist bei Paaren explizit an die Bedingung geknüpft, dass beide Elternteile mit reduzierten Stunden, beispielsweise mit 80 Prozent einer Vollzeit-Stelle, erwerbstätig sind. Für einen Großteil der Paare würde dies für Mütter eine (deutliche) Ausdehnung, für Väter eine (moderate) Reduktion ihrer gegenwärtigen Arbeitszeit bedeuten. Damit resultiert unter dem Strich eine Ausdehnung des Arbeitsvolumens insgesamt und eine symmetrischere Verteilung zwischen den Geschlechtern.

 

Damit werden verschiedene Ziele verfolgt: erstens die durchschnittliche Arbeitszeit von Müttern, die primär geringfügig oder in Teilzeit beschäftigt sind, zu erhöhen; zweitens beschäftigte Väter in die Erziehungsarbeit einzubeziehen; und drittens die Erwerbs- und Familienarbeit symmetrischer zu verteilen.

 

Das würde auch die Lohnschere verkleinern und die unbezahlte Arbeit würde gleichmäßiger auf Männer und Frauen aufgeteilt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

 

 

 

Entschließungsantrag

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie und für mehr Partnerschaftlichkeit in der Familie dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der im Anschluss an den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes oder für die Pflege von nahen Angehörigen (ab Pflegestufe 3) für die Dauer von 24 Monaten

 

·                ein Rechtsanspruch auf Verkürzung der Vollzeitarbeitszeit eingeführt,

·                ein finanzieller Ausgleich durch eine Lohnersatzleistung von 50 Prozent auf das reduzierte Einkommen erfolgt und

·                die Leistung bei Paaren an die Bedingung geknüpft wird, dass beide Elternteile 30/32 Stunden (80 Prozent einer Vollzeit-Stelle) erwerbstätig sind.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales