1656/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.05.2021
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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Mahrer, Sabine Schatz, Eva Blimlinger, Olga Voglauer,
Stephanie Krisper

betreffend Aktionsplan gegen Rechtsextremismus

Begründung:

Rechtsextremismus, verbunden mit einem völkischen Weltbild und damit einhergehender rassistischer, antisemitischer, antiziganistischer, antimuslimischer, anti-feministischer, homo- und transfeindlicher Agitation, welche zunehmend sowohl im digitalen als auch analogen Raum stattfindet, muss mit aller Entschlossenheit nachhaltig entgegengetreten werden. Menschenverachtenden Ideologien muss sich eine wehrhafte Demokratie entgegenstellen. Um dies zu gewährleisten, bedarf es in Übereinstimmung mit dem Regierungsprogramm einer koordinierten nationalen Gesamtstrategie. Der Komplexität des Rechtsextremismus muss auf sämtlichen gesellschaftlichen Ebenen begegnet werden. Dazu ist es notwendig, eine umfassende Strategie zu entwickeln, wie dies bereits mit der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus erfolgt ist.

Eine wesentliche Herausforderung ist die zunehmende Ausdifferenzierung des rechtsradikalen und -extremen sowie (neo)faschistischen und (neo)nationalsozialistischen Spektrums, bei einer gleichzeitigen Bündelung ihrer Kräfte. Dies führt zu einer besonderen Dynamisierung rechtsextremer Bedrohungsallianzen und somit zu einer steigenden Gefährdungslage. So bietet das Internet beispielsweise für rechtsterroristische Täterinnen und Täter sowie Gruppen die Möglichkeit, sich überregional zu vernetzen, zu finanzieren und geheime transnationale Vereinigungen und Netzwerke zu bilden.

Rechtsradikale Bedrohungen sind – wie alle Formen des Extremismus – nicht nur eine konkrete Gefahr für die innere Sicherheit, sondern auch für die rechtliche, politische, ökonomische und soziale Ordnung des Staates, weil die Beseitigung der Demokratie und des Rechtstaates als strategisches Ziel angestrebt wird. Aus diesem Grund muss der Nationale Aktionsplan gegen Rechtsextremismus auf diese Bedrohungsszenarien umfassend Antwort geben.

Zusätzlich zum organisierten Rechtsextremismus erleben wir eine allgemeine Verschärfung der Kommunikations- und Debattenkultur, beginnend im Internet und mit einem fließenden Übergang in den analogen Raum. Virtuell praktizierter Hass zieht demnach häufig eine Fortsetzung von Drohungen und physischer Gewalt nach sich. In diesem Zusammenhang sei unter anderem auf die Vereinnahmung von Demonstrationen in Zusammenhang mit der COVID‑19‑Pandemie durch rechtsextreme Personen und Gruppierungen hinzuweisen.

Insbesondere in Zeiten existentieller Krisen, wie der COVID-19-Pandemie, aber auch der Klima- und Wirtschaftskrise, ist ein Aktionsplan gegen Rechtsextremismus für eine wehrhafte demokratische Gesellschaft und die Sicherheit aller in Österreich lebender Menschen ausschlaggebend. Die Geschichte hat gezeigt, dass nationalsozialistische und rechtsextreme Strömungen während krisenhafter Perioden an Stärke gewinnen und unsichere Phasen entsprechend ausgenützt werden.

Eine besondere Herausforderung ist die derzeitige Pandemie, weil sich alle Menschen sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene mit kurz-, mittel- und langfristigen Veränderungen konfrontiert sehen. Strukturell tiefgreifender und zeitlich weitreichender Wandel geht in der Regel für Menschen mit der persönlichen Erfahrung von Unübersichtlichkeit der eigenen Biographie, Kontrollverlusten und Existenz- und Desintegrationsängsten einher. Diese Aspekte gelten als zentrale Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Verschwörungsmythen und völkischen Ideologien.

Aus dem aktuellen Bericht der Antisemitismus-Meldestelle geht z.B. hervor, dass mehr als ein Drittel aller antisemitischen Vorfälle dem rechtsextremen Lager zuzuordnen sind. Darüber hinaus zeigt die im Auftrag des österreichischen Parlaments erarbeitete aktuelle österreichrepräsentative Erhebung betreffend Antisemitismus, dass stark ausgeprägte antisemitische Einstellungen mit einer hohen Neigung zu Verschwörungsmythen Hand in Hand gehen. So stimmten 59 % der Befragten folgender Aussage zu: „Eine mächtige und einflussreiche Elite (z.B. „Soros, Rothschild, Zuckerberg“) nutzt die Corona-Pandemie, um ihren Reichtum und den politischen Einfluss weiter auszubauen“.

Die Annahme, dass ausschließlich symptomatische, reaktive und repressive Instrumente ausreichen, greift jedenfalls zu kurz. Es ist nötig, bisherige Kontrollparadigma zu ergänzen und verstärkt das Entstehungsparadigma in den Fokus zu rücken, um durch vorbeugende Maßnahmen präventiv tätig zu werden. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, Erkenntnisse der Rechtsextremismusforschung als Grundlage des Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus heranzuziehen, um Ziele und Maßnahmen ableiten zu können.

Verschiebungen von demokratischen Einstellungsmustern zu demokratiefeindlichen Anschauungen müssen frühzeitig erkannt werden, um ihnen rechtzeitig entgegenzuwirken, ehe sie von rechtsextremen Kräften instrumentalisiert werden können. Neben einer langfristigen Rechtsextremismusforschung muss es ein zentrales Anliegen sein, entsprechende Schlüsse aus den Forschungsergebnissen zu ziehen und diese in geeignetem Wege in die Gesellschaft zu transferieren. Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sollen zudem wirksame und umfassende Maßnahmen auf allen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Ebenen gesetzt werden.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten wolle daher beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, so rasch wie möglich im Wege des bundesweiten Netzwerks Extremismusprävention und Deradikalisierung (BNED) unter Einbindung aller betroffenen Bundesministerien, unter Einbeziehung aktueller Ergebnisse der Rechtsextremismusforschung und von Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis sowie unter Berücksichtigung der am 24. März 2021 im Nationalrat zur Kenntnis genommenen Nationalen Strategie gegen Antisemitismus den Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in einem transparenten Prozess zu erarbeiten und dem Nationalrat zuzuleiten.“

 

Zuweisungsvorschlag: Innenausschuss