1680/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

des Abgeordneten Dr. Fürst

und weiterer Abgeordneter

betreffend Generalamnestie bei menschenrechtswidrigen COVID-19-Strafen

 

 

Im Bericht der Volksanwaltschaft zur Covid-19-Politik im Jahr 2020 wird der türkis-grünen Bundesregierung von Bundeskanzler Kurz im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Insbesondere die freiheitliche Forderung nach einer Generalamnestie wird auf den Seiten 127-129 argumentativ untermauert:

 

·         Bewusstes in Kauf nehmen von Fehlinformationen

 

Gesundheitspolitische Entscheidungen einer Politik, die Menschen in der Pandemie zu schützen versucht, muss mit den Regeln der parlamentarischen Demokratie und des Rechtsstaats im Einklang stehen. Das muss auch in einer Krise möglich sein. Fehlende Eindeutigkeit schnell entstandener und rasch wieder geänderter Gesetze und Verordnungen waren und sind aber nach wie vor zentrale Kritikpunkte an der Rechtsetzung in Österreich. Zumindest im Frühjahr 2020 waren die in den Medien übertragenen Pressekonferenzen der Bundesregierung die hauptsächlichen Informationsquellen vieler Menschen. Dadurch bedingte Unschärfen bzw. Fehlinformationen im Vergleich zu den erst später – meist ohne vorangehendes Begutachtungsverfahren – kundgemachten Rechtstexten wurden dabei in Kauf genommen. Problematisch wird die „mediatisierte“ Information über geltendes Recht spätestens dann, wenn der Inhalt von Ge- und Verbotsnormen unrichtig kommuniziert wird und die Polizei ihr Handeln an den bei Pressekonferenzen und Medienberichten verkündeten Inhalten ausrichtet.

 

·         Verstoß gegen Artikel 7 EMRK (Keine Strafe ohne Gesetz)

 

Insbesondere die Auslegung des Ausnahmetatbestands gemäß § 2 Z 5 der (am 30. April 2020 außer Kraft getretenen) Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 führte zu Verwirrung. Verstöße gegen Betretungsverbote waren gemäß § 3 Abs. 3 COVID-19-MG mit Geldstrafen von bis zu 3.600 Euro belegt und einzelne Regierungsmitglieder waren bemüht, die Ausnahmeregelung möglichst restriktiv zu interpretieren. Das stieß auf Kritik jener, die auf den kundgemachten Wortlaut verwiesen und die dazu abgegebenen Erklärungen für nicht verbindlich hielten. Für juristische Laien war unklar, welches Verhalten angesichts der Bedrohung durch SARS-CoV-2 bloß empfohlen oder tatsächlich mit Strafe bedroht war. Öffentliche Auseinandersetzungen darüber waren keine „juristische Spitzfindigkeit“, sondern wurden vor dem Hintergrund eines zentralen Elements der Rechtsstaatlichkeit geführt: nulla poena sine lege. Niemand kann demnach wegen einer Handlung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung gar nicht strafbar war. Dieses Gleichsetzen politischer Empfehlungen mit geltendem Recht wird zum Teil etwas zugespitzt als „Fake Laws“ bezeichnet. Wegen des widerrechtlichen Betretens öffentlicher Orte erfolgten insgesamt 24.095 Anzeigen, 17.623 davon führten zu Verwaltungsstrafen. Die Landesverwaltungsgerichte Niederösterreich und Wien interpretierten die auf Grundlage des COVID-19-MG erlassenen Betretungsverbote in der Folge weniger streng als die Bundesregierung. Wer seine Bestrafung hingenommen und kein Rechtsmittel erhoben hatte, blieb aber auf der rechtskräftigen und bezahlten Strafe sitzen.

 

·         Betroffene wurden zurückgelassen

 

Der VfGH ordnete zugleich mit der Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung

BGBl. II Nr. 98/2020 an, dass diese nicht mehr anzuwenden sei, was

sich auf noch laufende Verwaltungsstrafverfahren auswirkte, die allesamt einzustellen

waren.

In Reaktion auf die Entscheidung des VfGH wandten sich zahlreiche Betroffene an die VA und hofften auf die Aufhebung ihrer Strafbescheide bzw. die Rückerstattung der von ihnen bezahlten Beträge. Die Betroffenen hatten kein Verständnis für Strafen, die auf Grundlage einer gesetzwidrigen Verordnung verhängt wurden. Auch die Höhe der Strafen von oft mehreren hundert Euro hielten sie für unangemessen.

 

·         Kein Amnestiegesetz geplant

 

Die VA ersuchte das BMSGPK und alle Landesregierungen um Stellungnahme zu diesen Beschwerden und zur Frage, ob die Erlassung eines Amnestiegesetzes in Erwägung gezogen werde.

 

In den Beantwortungen wurde argumentiert, dass die geltende Rechtslage keine Grundlage dafür biete, Strafverfügungen aufzuheben oder bereits bezahlte Strafen zurückzuzahlen. Mehrere Bundesländer und auch das BMSGPK verwiesen darauf, dass die Schaffung eines eigenen Amnestiegesetzes, mit dem eine klare rechtliche Grundlage für die Rückzahlung der bezahlten Geldstrafen eingeführt werden könnte, nicht geplant sei. Nur in wenigen Fällen wurden Strafverfügungen, die auch an massiven formellen Mängeln litten, aufgehoben und einbezahlte Strafen erstattet.

 

In ihren abschließenden Schreiben an die Betroffenen war die VA bemüht, die rechtlichen Gründe dafür in verständlicher Form darzulegen.

 

·         Beschwerden an die Volksanwaltschaft

 

Die VA erreichten auch mehrere Beschwerden, in denen es zweifelhaft schien, ob tatsächlich eine Verwaltungsübertretung stattgefunden hatte. In einem Fall seien beispielsweise zwei Schwestern vor die Haustür gegangen, um „frische Luft zu schnappen“. Als mehrere Jugendliche vorbeigekommen seien, hätten die Schwestern sich umgehend wieder ins Haus begeben. Dennoch seien sie von Polizisten, die die Szene beobachtet hätten, wegen Nichteinhaltens des vorgeschriebenen Abstands angezeigt worden. In einem anderen Fall sei ein junges Paar (Lebensgefährtin und Lebensgefährte) bestraft worden, weil es beim Spazierengehen den Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten haben soll.

 

Da solche Sachverhalte im Nachhinein nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden können, sah die VA davon ab, Missstände festzustellen. Die VA regt aber an, dass die zuständigen Behörden bei der Vollziehung vergleichbarer Bestimmungen in Zukunft mit Sensibilität vorgehen mögen.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert einen menschenrechtskonformen Zustand herzustellen und dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, durch welche auf Basis von Covid-19-Verordnungen und Gesetzen eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, bereits verhängte Strafen nachgesehen und bereits bezahlte Strafen rückerstattet werden.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Menschenrechtsausschuss ersucht.