1720/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 16.06.2021
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Flexibilisierung Ladenöffnungszeiten
Starre Ladenöffnungszeiten begünstigen Onlinehandel und ignorieren Realität
Angesichts der pandemiebedingten Wirtschaftseinbrüche kann es sich Österreich nicht mehr leisten, das Land mit den restriktivsten Öffnungszeiten in Europa zu sein. Ein flexiblerer Rahmen soll gleichzeitig neue gesellschaftliche Wirklichkeiten berücksichtigen: vom Homeoffice mit Gleitzeit zum immer stärkeren Druck durch den Onlinehandel - eng begrenzte Öffnungszeiten sind nicht mehr zeitgemäß! Dazu kommt, dass der niedergelassene Handel unter starkem Wettbewerbsdruck durch den Onlinehandel steht, der immer geöffnet ist - ohne Sperrstunden. Solch restriktive Öffnungszeiten begünstigen diese Verschiebung von Umsätzen aus dem stationären in den Onlinehandel, die sich durch die Pandemie noch weiter verstärkt hat. Zudem profitieren von Onlinehandel ausländische Unternehmen überproportional. Die jüngste eCommerce Studie 2020 (Quelle: Handelsverband) zeigt, dass 2020 ein Rekordjahr war, mit einem Zuwachs von 6 % im Vergleich zur Vorjahresperiode 2019 - ein Plus von 300.000 Käufer_innen. Die geänderten Konsumgewohnheiten der Österreicher_innen zeigt vor allem ein Langzeitvergleich: 2011 kauften 57 % der Konsument_innen im Distanzhandel - 2020 waren es 71 %, also ein Plus von 1,3 Millionen Distanzhandelskäufer_innen. Letztlich muss auch die Wirklichkeit anerkannt werden, dass bereits ein erheblicher Anteil von Erwerbstätigen an Sonntagen arbeitet - rund 15 % der Erwerbstätigen zweimal im Monat, 29 % immer wieder mal. Eine Flexibilisierung wäre somit nur von untergeordneter quantitativer Bedeutung.
Zahlreiche Vorteile durch Flexibilisierung
· Arbeitnehmer_innen: Sonntagsarbeit insb. für zeitflexible Arbeitnehmer_innen eine attraktive Alternative - v.a. angesichts der Zuschläge für Abend- und Wochenendarbeit
· Unternehmen: Effizienzsteigerungen bei Unternehmen (z.B. effizientere Kapazitätsauslastung) sind zu erwarten, die wiederum preisdämpfende Effekte nach sich ziehen. Dazu würde dies auch die administrativen Kosten senken, die mit der Verwaltung und Überwachung von Restriktionen und Ausnahmeregelungen verbunden sind.
· Arbeitsmarkt: Längerfristig ist ein positiver Beschäftigungseffekt zu erwarten (sog. Threshold labour effect), da zumindest ein/e Mitarbeiter/in jede zusätzliche Stunde anwesend sein muss. Solche neuen Stellen wären für Arbeitnehmer_innen auch attraktiv, da der Handel mit EUR 1.740 Einstiegsgehalt (ohne Zulagen) deutlich besser bezahlte Jobs anbietet als Paketzustellen.
· Tourismus: Touristen sind häufig zeitlich begrenzt an einem Ort - eine Ausweitung würde neue Gelegenheiten schaffen und somit zu Umsatzsteigerungen führen. Insbesondere Wien als wichtige Tourismusdestination kann davon profitieren.
Österreich Europameister bei restriktiven Öffnungszeiten
Österreich ist vergleichsweise sehr restriktiv bei der Regelung von Ladenöffnungszeiten. Nur wenige Staaten in Europa regeln überhaupt Öffnungszeiten von Montag bis Samstag: Österreich ist selbst darunter sehr restriktiv. Im Gegensatz dazu gibt es in 23 Staaten in Europa keine Regeln für Öffnungszeiten von Montag bis Samstag - 17 Staaten in Europa haben sogar keine Regeln für Öffnungszeiten am Sonntag. Österreich ist dazu der einzige Staat Europas, der eine Maximalzahl an Öffnungsstunden innerhalb des Rahmens vorgibt. Angesichts des gestiegenen internationalen Wettbewerbsdrucks sollten derart unübliche und starren Regeln dringend überdacht werden. Durch eine Modernisierung, die einerseits die neuen Bedürfnisse in der Gesellschaft und andererseits arbeitsrechtliche Standards berücksichtigt, könnten wichtige Impulse für den stationären Handel und den Tourismus gesetzt werden. Gerade angesichts der aktuell schwierigen Wirtschaftslage sollte die Bundesregierung hier rasch handeln und durch eine ambitionierte Flexibilisierung den lokalen Handel tatkräftig unterstützen. Nach der schwersten Wirtschaftskrise nach dem 2. Weltkrieg sollte die Bundesregierung zumindest eine temporäre, auf Freiwilligkeit beruhende, Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten in Erwägung ziehen und diese mit Auslaufen der Regelung ergebnisoffen evaluieren.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und
Wirtschaftsstandort, wird aufgefordert, rasch Maßnahmen für eine
Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten vorzulegen."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.