1851/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 22.09.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Genossinnen und Genossen

betreffend die dramatische menschenrechtliche Situation von vulnerablen Gruppen und Personen, insbesondere von Frauen in Afghanistan

 

Die SPÖ-Mitglieder des Rates für Fragen der österreichischen Integration- und Außenpolitik haben in der Sitzung desselben am 30. August 2021 folgenden Antrag „betreffend die aktuelle Situation in Afghanistan“ eingebracht:

Die internationale Staatengemeinschaft verfolgt mit äußerst großer Sorge die dramatischen Ereignisse in Afghanistan. Zwanzig Jahre kämpfte eine US-geführte Militärallianz in Afghanistan gegen die radikal-islamischen Taliban, die als Unterstützer der Terrororganisation Al Kaida galten. Nach dem Abzug der internationalen Truppen übernahmen nach nur zehn Tagen die Taliban in Afghanistan erneut die Macht. Der ehemalige Präsident floh ins Ausland und die bislang herrschende afghanische Regierung gestand ihre Niederlage ein.

 

Die Taliban waren von 1996 bis 2001 in Afghanistan an der Macht. In diesem Zeitraum waren massive Verstöße gegen die Menschenrechte, Gewalt gegen politische Gegner*innen, und Frauen, öffentliche Hinrichtungen und Strafen auf der Tagesordnung. Frauen und Mädchen verschwanden fast ganz aus der Öffentlichkeit. Das Recht auf Bildung und Arbeit wurde ihnen genommen. Die Pflicht zum Tragen der Burka wurde von den Taliban wiedereingeführt. Nach dem Jahr 2001 wurden die Frauenrechte zurück erkämpft. Mit der erneuten Machtübernahme der Taliban drohen diese Errungenschaften wieder abgeschafft zu werden. Die Taliban haben zwar die Weltöffentlichkeit wissen lassen, keine Vergeltungsmaßnahmen an Vertreter*innen der bisherigen Regierung zu verüben und den Zugang zu Bildung und Arbeit auch für Frauen weiter zu ermöglichen, doch sind, aufgrund der früheren Vorgangsweise und den ersten Eindrücken der neuen Herrschaft, massive Menschrechtsverletzungen zu befürchten. Ein erster Bericht der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte bestätigt dies.

 

Die Evakuierung von ausländischen Staatsbürger*innen und Ortskräften nähert sich dem Ende. Der endgültige Truppenabzug der USA am 31. August 2021 bedeutet auch ein Ende der Evakuierungsflüge. Bis zum 25. August 2021 wurden 87 Österreicher*innen evakuiert. Einige Dutzend dürften noch auf die Evakuierung warten. Es muss daher sichergestellt werden, dass ausländische Staatsbürger*innen, Ortskräfte und Afghan*innen auch nach diesem Tag das Land sicher verlassen können und die Lieferung von Medikamenten und Hilfsgütern, sowie ungehinderter und sicherer humanitärer Zugang für Hilfsorganisationen ermöglicht wird. Die Evakuierung von österreichischen Staatsbürger*innen und Ortskräften muss weiterhin der Schwerpunkt der Bemühungen der österreichischen Bundesregierung sein.

 

Österreich ist international bislang immer ein verlässlicher Partner gewesen, wenn es um Menschenrechte und humanitäre Hilfe ging. Dies gilt es angesichts der dramatischen Situation in Afghanistan unter Beweis zu stellen. In Afghanistan selbst ist die Versorgungslage zum jetzigen Zeitpunkt sehr schlecht. Rund die Hälfte der Bevölkerung hat keine ausreichende Versorgung mit Nahrung, keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, hinzu kommt eine anhaltende Dürre und die Covid19-Pandemie.

 

Der Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik beschließt daher:

 

Der Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik empfiehlt der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten,

 

-   alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um österreichische Staatsbürger*innen rasch aus Afghanistan zu evakuieren;

 

-   ihre humanitäre Hilfe vor Ort zu stärken und sich mit Nachdruck für einen ungehinderten und sicheren Zugang für Hilfsorganisationen einzusetzen;

 

-   die Kooperation und die finanzielle Hilfe für die Nachbarstaaten von Afghanistan substantiell zu erhöhen, mit dem Ziel menschenrechtskonforme Unterbringungen in sicheren Schutzzonen zu schaffen. Dies ist notwendig, um eine unkontrollierte und gefährliche Flucht nach Europa zu verhindern und geflohene Menschen in der Region bestmöglich versorgen zu können;

 

-   gemeinsam mit der Europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und besonders gefährdeten Personen Schutz zu gewähren, die sich in Afghanistan jahrelang für Demokratie, Menschen- und Frauenrechte eingesetzt haben und unter dem Taliban-Regime um ihr Leben fürchten müssen;

 

-   die Bemühungen um die Einrichtung einer UN-Sicherheitszone in Kabul aktiv zu unterstützen, um von dort aus Evakuierungen nach dem Abzug der US-Amerikaner fortsetzen zu können;

 

-   sich für eine weit aktivere Rolle der EU einzusetzen und eine außenpolitische Initiative für die Ausrichtung einer regionalen Sicherheitskonferenz nach dem Vorbild der KSZE/OSZE in Wien zu ergreifen;

 

-   nach gut etablierter außenpolitischer Tradition im Falle von akuten außenpolitischen Krisen alle im Parlament vertretenen Parteien sofort und kontinuierlich über aktuelle Entwicklungen im Krisengebiet zu informieren und den Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik in solchen Fällen ehest möglich einzuberufen.

 

Dieser Antrag fand keine Mehrheit.

 

Am 13. September 2021 wurde im Wiener Landtag mit großer Mehrheit (SPÖ, NEOS und Grüne) folgender Beschluss-(Resolutions-)Antrag beschlossen:

 

„Der Wiener Landtag fordert die Bundesregierung dazu auf, sich an internationalen Programmen zu beteiligen bzw. europäische Programme mitzugestalten sowie innerstaatlich die rechtliche Möglichkeit zu eröffnen, um von Taliban-Regime verfolgte Personen, die zu besonders vulnerablen Gruppen gehören und besonderer Verfolgung ausgesetzt sind, in sicheres Ausland und auch nach Österreich und Wien zu bringen.“

 

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen in Afghanistan haben gezeigt, dass die menschenrechtliche Situation im Allgemeinen, ganz speziell aber für vulnerable Gruppen wie Frauen eine außerordentlich dramatische ist. So ist es bezeichnend, dass das Frauenministerium abgeschafft und durch ein sogenanntes „Tugendministerium“ ersetzt worden ist.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich

1. bilateral aber besonders über die Europäische Union sich für die Verbesserung der menschenrechtlichen Situation in Afghanistan einzusetzen und dabei einen besonderen Fokus auf vulnerable Gruppen und Personen wie Frauen zu richten

2. an den in der Begründung genannten im Antrag an den Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik formulierten Empfehlungen zu orientieren (siehe die durch Fettdruck auf Seite 2-3 hervorgehobenen Forderungspunkte) und

3. bestmöglich an dem Beschluss zu orientieren, der am 13. September 2021 im Wiener Landtag verabschiedet wurde und der ebenfalls in der Begründung zitiert ist.

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte