1867/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 22.09.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Bekenntnis zu internationalem, auf gemeinsamen Werten basierendem Freihandel
Spannungsfeld EU-Handelspolitik: Steigender Protektionismus und der vage Begriff der „strategischen Autonomie“
In ihrem Bericht zur "Überprüfung der Handelspolitik"(1) zeigt die Europäischen Kommission auf, dass die internationale Zusammenarbeit im Handel immer mehr durch einseitiges Vorgehen einzelner Akteure ersetzt wird und die globale Unsicherheit dadurch gestiegen ist. Der tiefgreifende Wandel der Weltwirtschaft, die Herausforderungen des Klimawandels sowie der rasche Aufstieg Chinas waren bereits vor der aktuellen Krise Beispiele treibender Faktoren. Wenig überraschend warnten zahlreiche internationale Institutionen bereits vor den Folgen zunehmenden internationalen Protektionismus. Die EZB hielt zum Beispiel fest, dass die Liberalisierung des Handels im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit ein Schlüsselfaktor für den weltweiten wirtschaftlichen Wohlstands war. (2) Ein Rückzug von der Offenheit würde demnach nur zu mehr Ungleichheit führen und die Menschen der wirtschaftlichen Vorteile berauben, die Handel und Integration mit sich bringen. Die Covid-19-Pandemie hat bestehende protektionistische Tendenzen verstärkt. Innerhalb der Europäischen Union zeigen sich unterschiedliche Ansätze über die zukünftige Ausrichtung der gemeinsamen Handelspolitik. Dabei kam der Begriff der „offenen strategischen Autonomie“ auf, der von den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgelegt wird.
Protektionistische Signale der Bundesregierung und eine für das Exportland Österreich ungewöhnlich passive Handelsministerin
Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin Schramböck, treten immer wieder mit lauten und undifferenzierten Forderungen nach Rückholung von Produktions- und Lieferketten in die EU medial in Erscheinung. Andererseits werden EU-Freihandelsabkommen aus der eindimensionalen Sicht einzelner Segmente des Landwirtschaftssektors betrachtet und abgelehnt. Frei von eigenen Überzeugungen unternimmt die österreichische Handelsministerin nicht mal den Versuch, um Zustimmung für Freihandelsabkommen und allfällige spätere Änderungen öffentlich zu werben, sondern verweist pauschal auf alte Abstimmungen im Parlament, als ob dadurch eine ewige Bindungswirkung für die Abgeordneten zum Nationalrat oder für die Bundesregierung bestünde.
Eine am 15.9.2021 präsentierte Studie des Wiener Instituts für internationale Studien (3) im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) bestätigte die Verwundbarkeit von Lieferketten. Als Empfehlung wurde einerseits die Rückverlagerung von Schlüsselindustrien („Reshoring“) angegeben. Hierbei fällt besonders auf, dass die Studie festhält, dass es hierfür Schritte zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts brauche. Dieser Arbeitsbereich gehört zu den Kernaufgaben der zuständigen Bundesministerin Schramböck. Gleichzeitig verweist das WIIW auch auf weitere Studien der OECD und des Europäischen Parlaments (4, 5), wonach empirische Daten der letzten zehn Jahre zeigen, dass Reshoring-Prozesse zwar zunehmen, allerdings diese bisher vom Umfang her begrenzt waren und daher nur geringe Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft insgesamt haben. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung seien demnach aufgrund der Rolle der Automatisierung bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen besonders gering. Dies lässt Zweifel aufkommen, inwiefern Rückverlagerungen allein effektiv zur Stärkung der europäischen Wirtschaft beitragen können. Dies ist umso beachtlicher, wenn man die zweite Empfehlung in der BMDW-Studie beachtet: die Notwendigkeit eines robusten Welthandels. Hierfür wären die Belebung der internationalen Zusammenarbeit auf WTO-Ebene sowie der Abschluss weiterer ambitionierter, auf europäischen Werten basierender Freihandelsabkommen essenziell. Im aktuellen Programm der Generaldirektion Handel (6) ist klar ersichtlich, dass genau solche Maßnahmen im Zentrum der Bemühungen der, für internationale Handelspolitik zuständigen, Europäischen Kommission stehen.
Ein Beispiel eines derartigen Abkommens ist die Trans-Pacific Partnership (TPP), in der die Partner sich gegenseitige Marktöffnung und Investitionssicherheit im Gegenzug für eine Anerkennung von ökologischen und sozialen Rechten und Rechtssicherheit zuerkennen. Wer teilnehmen will, verpflichtet sich also nicht nur zu Freihandel, sondern auch zu gemeinsamen Prinzipien und Werten.
Angesichts des widersprüchlichen Verhaltens der Bundesregierung auf nationaler wie europäischer Ebene zum Thema Freihandel und protektionistischer Handelsbarrieren in den letzten Monaten ist jetzt der Zeitpunkt für ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zu internationalem, auf gemeinsamen Werten basierenden Freihandel und zur Agenda der Europäischen Kommission, die Wichtigkeit des Exports für die österreichische Wirtschaft entsprechend politisch zu berücksichtigen und öffentlich außer Streit zu stellen.
Quellen:
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wird aufgefordert, sich klar zu internationalem, auf gemeinsamen Werten basierenden Freihandel sowie zum aktuellen Programm der Europäischen Kommission zu bekennen."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.