1875/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 22.09.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausbau des Schutzes weiblicher Opfer im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

 

Die deutlich gestiegene Zahl an Femiziden in Österreich ist nur tragische Spitze eines Eisbergs. Gewalt gegen Frauen zieht sich durch alle Bildungs- und Gesellschaftsschichten und wird meistens erst dann sichtbar, wenn es bereits zu spät ist. Gewalt gegen Frauen muss auf möglichst vielen Ebenen bekämpft werden, um sie nachhaltig einzudämmen.

Durch die seit 1997 erlassenen Gewaltschutzgesetze wurden zwar schon zahlreiche Maßnahmen zur Verwirklichung eines umfassenden Opferschutzes umgesetzt. Die nach wie vor viel zu hohe Zahl an gewalttätigen Übergriffen gegen Frauen zeigt aber, dass noch umfassende weitere Maßnahmen dringend geboten sind.

Faktum ist, dass es neben den vielen zur Anzeige gelangten Fällen eine hohe Dunkelziffer an gewalttätigen Übergriffen gegen Frauen gibt, von denen die Ermittlungsbehörden aus verschiedenen Gründen keine Kenntnis erlangen. Um diesen Missstand zu beseitigen sind gesetzliche Maßnahmen nötig, die es weiblichen Gewaltopfern niederschwellig erlauben, Anzeige zu erstatten und nicht deshalb noch weiteren gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt zu sein. 

Es ist daher sicherzustellen, dass im Falle des Verdachtes von Gewaltdelikten gegen Frauen von Amts wegen sichergestellt ist, dass die Anonymität des Opfers gewahrt bleibt bzw. dass jene persönlichen Daten des Opfers geheim bleiben, welche dem Täter eine Kontaktaufnahme mit dem Opfer gegen dessen Willen ermöglichen. § 51 StPO räumt dem Beschuldigten grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht ein. Dieses Recht ist notwendig und darf nicht geschmälert werden. 
Andererseits ermöglicht es aber genau dieses Recht auf Akteneinsicht jedem Beschuldigten, persönliche Daten des Opfers in Erfahrung zu bringen. Die Bestimmungen der §§ 66a, 161, 162 StPO erkennen zwar diese Problematik, sind in ihren Anordnungen aber zu wenig konsequent bzw. kaum praxisgerecht.

Die Anschrift eines Opfers kann geschützt werden, indem bei der Befragung nicht die Wohnadresse, sondern eine “sonstige zur Ladung geeignete Anschrift” bekannt gegeben wird. Darauf muss bereits bei der ersten Vernehmung geachtet werden. Als alternative Adresse kann etwa auch die Anschrift einer Opferschutzeinrichtung angegeben werden.

Eine solche Anonymisierung ist jedoch ausschließlich nur dann zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass der/die Zeug_in sich oder einem Dritten durch die Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben zur Person oder durch Beantwortung von Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würde. Die Bestimmung wird in der Praxis nicht nur viel zu restriktiv ausgelegt, ferner muss das Opfer auch bei der Vernehmung explizit danach verlangen. Das ist lebensfremd und unzumutbar. Die psychologische Hemmschwelle einer Anzeige vor den Sicherheitsorganen muss so weit wie möglich gesenkt werden.

Unter der Voraussetzung, dass Täter und Opfer zusammen wohnen oder zumindest eine Beziehung zwischen ihnen bestanden hat und der Täter daher zumindest die Adresse des Opfers kennt, kann man ein Auflauern im privaten Bereich nicht mit einer Anonymisierung der Adresse verhindern. Wie sollen die Organe der öffentlichen Sicherheit aber mit einem vorangegangenem gefährlichen Angriff umgehen, bei dem Täter und Opfer einander nicht kennen und es zu situativer Gewalt mit einem dem Opfer unbekanntem Täter kommt? Soll man dem Täter in einer solchen Konstellation auch noch die Adresse des Opfers auf dem Silbertablett servieren?

Bei ausgewählten Delikten, wie bei Sexualdelikten und in jenen Fällen häuslicher Gewalt, bei denen das Opfer bereits aus Furcht vor dem Täter seinen Wohnort wechseln musste, muss die Anonymisierung der Kontaktdaten von Opfern amtswegig und somit automatisch erfolgen. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage mit dem Ziel einer Änderung der Strafprozessordnung dahingehend auszuarbeiten, dass im Falle von Sexualdelikten oder in den Fällen häuslicher Gewalt ohne ein dahingehendes Verlangen des Opfers die Anonymität des Opfers jedenfalls sichergestellt bzw. die Kontaktdaten des Opfers jedenfalls der Kenntnisnahme des Beschuldigten entzogen werden."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.