1984/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 14.10.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Mag.a Dr.in Petra Oberrauner,

Genossinnen und Genossen

betreffend Aktionsplan für ein digital souveränes Österreich und Europa

Milliarden von Nutzer*innen konnten Anfang Oktober für sechs Stunden weder facebook, noch Instagram oder WhatsApp erreichen. Das lenkte einmal mehr die Aufmerksamkeit auf die große Macht und Abhängigkeit der Online-Riesen. Gleichzeitig gab die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen Einblick in die Funktionsweise von facebook und rief die Politik auf, für Einblick in die Funktionsweise des Online-Netzwerkes zu sorgen. Sie wirft Facebook und Instagram vor, Profite über das Wohl der User*innen zu stellen. In einer Anhörung vor dem US-Senat wurde insgesamt massive Kritik an Facebook geäußert, auch die Notwendigkeit einer Zerschlagung wurde angesprochen. In eine ähnliche Richtung argumentierte die frisch gekürte Friedensnobelpreisträgerin und Journalistin Maria Ressa. Sie sieht in facebook eine Bedrohung für die Demokratie und kritisiert, dass die Algorithmen von facebook für die Verbreitung von Lügen, die mit Wut und Hass durchsetzt sind, sorgen.

Der Ausfall von Facebook, WhatsApp und Instagram war ein Weckruf und eine Aufforderung zum Umdenken. Es braucht wirksame Regulierungen und Initiativen für eine europäische Infrastruktur, um die Abhängigkeit von US-Online-Monopolisten zu beenden. Dienste wie Facebook oder WhatsApp sind mittlerweile die neue öffentliche Kommunikationsinfrastruktur in manchen Ländern.

Im Iran zum Beispiel, wo Instagram das letzte verbleibende westliche soziale Netzwerk ist und ganze Wirtschaftszweige mit diesem Netzwerk verknüpft sind. Oder in Argentinien, wo der Kundenservice von Unternehmen über WhatsApp abgewickelt wird. Diese Kommunikationsinfrastruktur in den Händen von Online-Monopolen zu belassen, ist nicht im Interesse der Allgemeinheit. Ein erster Schritt  auch aus Resilienz- und Sicherheitsgründen -wäre eine Trennung der drei Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram. Was es darüber hinaus braucht, ist eine demokratische, von Großkonzernen unabhängige und datenschutzkonforme digitale Infrastruktur.

Ziel muss die digitale Souveränität Europas sein. Digitale Souveränität bedeutet die Fähigkeit zu Selbstbestimmung im digitalen Raum. Den Karlsruher Thesen folgend vereint der Begriff digitale Souveränität dabei unterschiedliche Aspekte. Einerseits umfasst er die zuvor genannte Infrastruktursouveränität, die vor allem eine vertrauenswürdige Hardware und Software bedeutet. Hinzu kommen Datensouveränität, die darauf abzielt, informiert und selbstbestimmt über die eigenen Daten zu entscheiden, und die Entscheidungssouveränität, die die Möglichkeit benennt, Entscheidungen von autonomen Systemen durch eine künstliche Intelligenz nachvollziehen und zu beeinflussen. Als letzter Punkt ist die Plattformsouveränität zu nennen, die sich dafür einsetzt, dass ein fairer Wettbewerb möglich bleibt und keine übermächtigen Marktteilnehmer entstehen.

Was in vordigitalen und nicht-globalisierten Zeiten noch wenig von Bedeutung war, macht internationale Strategien nunmehr notwendig. Große Onlineplattformen und Firmen sind als nicht-staatliche mächtige Akteur*innen entstanden, die die Auswirkungen der sogenannten „territorialen Souveränität“ gekonnt umgehen können. Staatliche Grenzen spielen in der virtuellen Welt des internationalen Warenverkehrs, der globalen Dienstleistungen, der transnationalen Informationsbereitstellung und der grenzenlosen Kommunikation eine immer kleinere Rolle. Hier braucht es einen klaren Rahmen. Digitale Souveränität und verlässliche Systeme für Informations- und Kommunikationssysteme sind eine Grundvoraussetzung für eine freie Gesellschaft, für eine funktionierende Wirtschaft und für einen unabhängigen Staat. Notwendig dazu ist ein umfassender Aktionsplan, der in Kooperation mit Forschung und Wissenschaft erarbeitet wird. Nur eine Bündelung der Kräfte aus unterschiedlichen Bereichen kann geeignete Lösungsstrategien für diese Herausforderungen entwickeln.

Einen wesentlichen Beitrag dazu kann auch ein Public Service Internet leisten. Dazu wurde erst am 4. Oktober 2021 im Rahmen des Public Value-Tags ein Internet Manifesto vorgestellt. Das Manifest fordert die Sicherung der Existenz, der Unabhängigkeit und Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Medien sowie die Schaffung eines Public Service Internet. Dieses soll als Online-Plattform öffentlich-rechtlicher Medien den gemeinwohlorientieren digitalen Auftrag haben, Informationen, Nachrichten, Debatten, Demokratie, Bildung, Unterhaltung, Partizipation und Kreativität mit Hilfe des Internets zu fördern. Wir brauchen ein neues Internet, das eine öffentliche Sphäre für Menschen bietet, die nicht nur Medienkonsument*innen, sondern in erster Linie Bürger*innen sind. Mehr als 1.000 Wissenschafter*innen aus den USA, Lateinamerika, Australien und Europa haben das Manifest bereits unterzeichnet.

Für ein souveränes digitales Österreich und Europa braucht es daher ein konsequentes Agieren auf verschiedenen Ebenen – national und international. Dazu muss die Bundesregierung einen umfassenden Aktionsplan vorlegen. Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit der Wissenschaft und Forschung einen Aktionsplan aus europäischer Perspektive zur umfassenden digitalen Souveränität Österreichs - von der Software, Hardware, sowie Open Source Plattformen - zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen. Der Aktionsplan soll konkrete Maßnahmen und Initiativen auf österreichischer und europäischer Ebene für eine demokratische und souveräne digitale Infrastruktur beinhalten, für die auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Umsetzung zur Verfügung zu stellen sind. Insbesondere soll die Bundesregierung auf europäischer Ebene Initiativen zur Trennung der drei Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram sowie weitere Schritte zur Plattformregulierung setzen und in Österreich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei seinen Bemühungen um eine Public Service Internet unterstützen.“

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung