2136/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 15.12.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Diplomatischer Boykott der Olympischen Spiele von Peking 2022
Am 4. Februar 2022 werden die olympischen Winterspiele in Peking eröffnet. Diese Spiele sollten den Gedanken der Völkerverbindung unpolitisch in die Welt transportieren. Allein, die Realität ist eine andere. Der Politologe Peter Filzmaier fasste das Problem anhand der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zusammen: „Der unpolitische Fußball ist eine gefährliche Lebenslüge. Das nutzt nur jenen nicht-demokratischen Autokraten, die den Fußball instrumentalisieren wollen.“
Wenn Chinas Autokrat Xi Jinping sich bei den Eröffnungs- und Abschlussfeierlichkeiten inmitten internationaler politischer Führungspersönlichkeiten souverän winkend zeigt, sendet er damit zwei politische Signale. Ein Signal an seine Untertanen: Ich stehe im Zentrum der Macht, Wandel ist unmöglich.
Ein zweites Signal wird an die vielen Nachbarstaaten ausgesandt, mit denen China seit Xis Aufstieg eine Vielzahl von Konflikten ausficht: Die freie Welt mag euch Unterstützung zusagen, aber am Ende kommen sie nach China und applaudieren mir. China ist ein großes Land und ihr seid kleine Länder.[1] Die versprochene Hilfe kommt nicht. Widerstand ist zwecklos.
Das Verständnis der Politisierung des Sports hat in den letzten Monaten stark aufgeschlagen. Fußballer protestierten bei Qualifikationsspielen für die WM in Katar für bessere Arbeitsbedingungen für diejenigen Gastarbeiter, die die Stadien für die WM bauen und die WM damit erst ermöglichen. Auch Österreichs Herren-Fußballnationalteam hat bereits im Vorfeld eines Qualifikationsspiels ein Protestaktion gesetzt. Selbst das in Fragen Menschenrechte sehr zurückhaltende österreichische Sportministerium hat ein 84-seitiges Handbuch aufgelegt, in dem anhand der WM in Katar vom Menschenrechtler Martin Kainz (Fairplay Initiative des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation) menschenrechtkonforme Sportgroßveranstaltungen definiert werden sollen. Und die Eishockey WM 2021 wurde Belarus aufgrund von geschobenen Wahlen und der Unterdrückung der Opposition entzogen.
Die Vergabe der Spiele an Peking vor einem Jahrzehnt ist zu hinterfragen, aber der Ursprungsgedanke, den auch Vizekanzler Kogler in einem Brief vom 6. Juli dieses Jahres in Verteidigung der Spiele andeutet, hat sich als Fehleinschätzung herausgestellt. Kogler schreibt an Kathrin Müllner von Save Tibet: „Der Vizekanzler tendiert im Falle der olympischen Spiele in Peking 2022 dazu, dass die Austragung der Spiele dafür sorgen wird, dass die Weltöffentlichkeit über die Menschenrechtssituation und die davon betroffenen Menschen in China mehr erfahren wird als durch den Boykott einzelner Olympiateams.“
Damit irrt der Vizekanzler zweifach. Erstens gab es 2008 bereits Olympische Spiele in Peking. Die Menschenrechtssituation hat sich seit damals dramatisch verschlechtert. Zweitens müßig, "mehr über die Situation zu erfahren zu wollen". Sie ist bekannt. Es sollte darum gehen, in Kenntnis der Situation die richtigen Signale zu setzen – an die Kommunistische Partei Chinas, an die Menschen in China und an Chinas Nachbarn, die sich jeden Tag überlegen müssen, ob die Durchsetzung ihrer völkerrechtlich legitimen Ansprüche gegenüber Peking überhaupt Sinn haben, oder einer Selbstmordmission gleichkommen.
Die New York Times beschreibt die Situation in einem Artikel über die vom Regime „auf Genesung geschickte“ Tennisspielerin Peng Shuai und die Haltung des International Olympic Committee folgendermaßen: „In 2008, when Beijing hosted the Summer Games, the I.O.C. adopted a public relations posture that the greater scrutiny the Olympics bring would ultimately yield positive changes within Chinese society. Yet since then, the opposite has happened.”
Die Spiele von 2008 wurden wegen der damaligen massiven Menschenrechtsverletzungen im von China besetzten Tibet mit Boykott bedroht. Im Endeffekt wurde dieser mit den gleichen Argumenten abgewendet, die auch heute zur Anwendung kommen. Das Resultat ist – leider – ernüchternd.
Seit den Olympischen Spielen im Jahr 2008, die China im Sinne von Vizekanzler Koglers Brief ins internationale Rampenlicht gestellt haben, hat sich die politische Lage massiv verschlechtert sowie die seit jeher prekäre Menschenrechtslage der ethnischen Minderheit der Uiguren seit etwa 2019 so zugespitzt, dass die USA, Kanada und die Niederlande mittlerweile von einem Genozid sprechen, und viele andere Staaten, darunter auch Österreich, die Verfolgung der Uiguren durch den chinesischen Staat aufs schärfste kritisieren.
Das "Xi Regime" spekuliert damit, dass die freie Welt es wieder bei schönen Worten belassen wird. Nun aber gibt es eine neue Bewegung. Statt einer Politisierung des Sports – also eines sportlichen Boykotts – hat U.S. Präsident Joe Biden den diplomatischen Boykott der Spiele verkündet. Während U.S.-amerikanische Athletinnen an den Wettkämpfen teilnehmen werden, bleiben die Sitze der U.S. Ehrengäste frei. Keine Regierungsvertreter_innen kommen als offizielle Gäste nach Peking. Australien, Kanada und Großbritannien haben sich diesem diplomatischen Boykott angeschlossen, und andere Staaten neigen in diese Richtung. Neuseeland hat bereits vor den USA einen identischen Schritt beschlossen.
In Deutschland geht die Boykottbewegung quer durch die politischen Reihen - mit Ausnahme der SPD und der AfD. Die neu grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erinnert sich an die Verbundenheit der Grünen an Menschenrechte und tendiert ebenfalls zu eine diplomatischen Boykott. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bereits versichert, nicht nach China reisen zu wollen. Auch konservative Politiker (CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul) und Liberale (die deutschen Jungen Liberalen sowie FDP-Europaabgeordnete Nicola Beer) fordern harte Schritte gegen Peking während den Spielen.
Im Juli hat auch das Europäische Parlament mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die fordert, dass europäische Regierungsvertreter_innen und Diplomat_innen den Spielen fernbleiben sollen.
Die Regierung von Xi Jinping hat sich in den letzten Jahren durch eine umfassende Änderung der Statuten der alleinregierenden Kommunistischen Partei umfassende und langfristige Machtansprüche gesichert. Gleichzeitig hat China Nachbarstaaten deutlich gemacht, dass es Zuwiderhandeln gegen chinesische Interessen wirtschaftlich, politisch und auch militärisch bestrafen wird. Nachbarn wie Vietnam oder die Philippinen, die ihre legitimen Ansprüche gegen China zu verteidigen versuchen, blicken zur internationalen Gemeinschaft (wie auch zum Internationalen Seegericht, dessen Urteil China ignoriert) für Unterstützung in der Durchsetzung eines regelbasierenden internationalen Systems.
Der Symbolwert einer Phalanx von westlichen Politiker_innen, die China zwar kritisieren, dann aber den Olympischen Spielen Seite an Seite mit Xi Jinping beiwohnen, wäre niederschmetternd. Die Nachbarn würden sehen, dass China ungestraft die Regeln des internationalen Zusammenlebens brechen kann. Das Resultat wäre ein unangefochtener Anspruch auf regionale Hegemonie.
[1] Zitat Yang Jiachi (ehem. Außenminister, nun der höchste außenpolitische Berater Xis als Direktor der International Foreign Affairs Commission der Kommunistischen Partei Chinas) im Konflikt um vom Internationalen Seegericht längst zu Ungunsten Chinas entschiedenen Territorialansprüche zum damaligen Außenminister von Singapur, George Yeo, der auf internationales Recht pochte: „Es gibt große Länder und es gibt kleine Länder, und das ist ein Fakt.“ Die damalige U.S. Außenministerin Hillary Clinton sagte darauf, die USA stünden aufseiten des internationalen Rechts. Jiachi stürmte aus dem Saal.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert,
keine Mitglieder der österreichischen Bundesregierung zu den
Eröffnungs- oder Abschlussfeierlichkeiten der Olympischen Winterspiele in
Peking 2022 zu entsenden. Auch solle sich die österreichische
Bundesregierung auf europäischer Ebene aktiv gegen eine Entsendung von
EU-Regierungsvertreter_innen und Diplomat_innen ausprechen."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.