2198/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.01.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Demokratisierung der WKO: kein Wahlbetrug ohne Folgen!

 

Wahlbetrug bei der Wirtschaftskammerwahl 2020

In den Medien wurde nicht lange nach der Wirtschaftskammerwahl 2020 über Anzeichen für Wahlbetrug in bestimmten Fachgruppen berichtet. Mehrere Zeugen haben ausgesagt, dass sie zur Stimmabgabe gedrängt, bzw. darüber getäuscht worden sind, was ihnen von ihren Vorgesetzten zur Unterschrift vorgelegt worden ist. Zudem bestand der Verdacht, dass Unterschriften gefälscht worden sind. In anderen Fachgruppen hat den Berichten zufolge eine massive Beeinflussung bei der Ausübung des Wahlrechts stattgefunden, indem selbständige Dienstleister_innen von kandidierenden Personen, zu denen diese in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen, zur Stimmabgabe gedrängt worden sind. In mehreren Bundesländern wurden daraufhin Ermittlungen gegen Vertreter_innen des Wirtschaftsbunds (ÖVP), des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SPÖ) und der Freiheitlichen Wirtschaft (FPÖ) aufgenommen. Im September 2021 ist dann ein Kandidat des ÖVP-Wirtschaftsbundes, der für die Fachgruppe Personenbetreuung kandidiert hatte, vom Bezirksgericht Neusiedl am See wegen der Fälschung von Stimmzetteln rechtskräftig verurteilt worden (1).

 

Die untätigen Verantwortlichen in den Kammern

Diese schwere Verletzung der Grundsätze fairer Wahlen hatte neben einer verhältnismäßig geringen Strafe von 3.600 EUR jedoch keine weiteren Konsequenzen. Der Mantel des Schweigens wurde vonseiten der Verantwortlichen in den Wirtschaftskammern darüber ausgebreitet. Art. 120c B-VG sieht vor, dass die Organe der Selbstverwaltungskörper "aus dem Kreis ihrer Mitglieder nach demokratischen Grundsätzen zu bilden" sind. Auch im Wirtschaftskammergesetz (WKG) ist in § 73 Abs. 1 festgehalten, dass Wahlen der Organe "aufgrund des allgemeinen, gleichen und geheimen Verhältniswahlrechts zu erfolgen" haben. Die Untätigkeit der Funktionäre in den Wirtschaftskammern lässt sich am ehesten damit begründen, dass weder im WKG noch in der Wirschaftskammerwahlordnung (WKWO) "freie" Wahlen oder Strafbestimmungen erwähnt werden. Die entsprechende Verfassungsbestimmung wird anscheinend nur als unverbindliche Empfehlung angesehen.

 

Mangelhafte Aufsicht: das Schweigen der Wirtschaftsministerin und der Regierungsparteien

Wirtschaftsministerin Schramböck erklärte sich schon vor der ersten Verurteilung als unzuständig und verwies auf das von der Verfassung garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kammern (2).

Demgegenüber stehen folgende Bestimmungen im WKG:

§ 81 WKG

(1) Vor Antritt des Amtes haben der Vorsitzende der Hauptwahlkommission und sein Stellvertreter in die Hand des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit das Gelöbnis strenger Unparteilichkeit und gewissenhafter Erfüllung der mit dem Amt verbundenen Pflichten abzulegen. […]

§ 136 WKG

(1) Die Wirtschaftskammern und die Fachorganisationen werden vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit beaufsichtigt.

(2) Die Aufsicht umfasst die Sorge für die gesetzmäßige Führung der Geschäfte und Aufrechterhaltung des ordnungsmäßigen Ganges der Verwaltung. Die Aufsichtsbehörde ist bei Handhabung ihres Aufsichtsrechtes insbesondere berechtigt, erforderliche Auskünfte von den betroffenen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft einzuholen und rechtswidrige Beschlüsse aufzuheben.

 

Angesichts der gesetzlich verpflichtenden Mitgliedschaft erwartet man bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Wahlfälschung, dass die zuständige Wirtschaftsministerin einschreitet und für die Beseitigung der Wahlfälscher aus allen Positionen sorgt. Medial wurden dahingehend nichts berichtet. Die Aufsicht ist laut Gesetz "insbesondere berechtigt (...) rechtswidrige Beschlüsse aufzuheben." Aus dem Wort "insbesondere" erschließt sich, dass darüber hinaus weitere Schritte möglich sind, die die Ministerin allesamt unterlassen hat.

Während die eine Seite der Bundesregierung ohnehin in den Wirtschaftskammern das Sagen hat und somit konsequenterweise auch im Nationalrat betoniert, verwundert das laute Schweigen seitens des grünen Regierungspartners einigermaßen. Zum einen da man als selbsternannte Transparenzpartei diese wohl nicht gerade bei Wahlen ausklammern sollte, zum anderen da Vertrer_innen der Grünen Wirtschaft selbst Unstimmigkeiten bei der Wahl aufgezeigt haben. (3)

 

NEOS Reformforderungen

NEOS fordert schon lange eine Reform der Wirtschaftskammern und insbesondere des Wahlrechts, welches aufgrund seiner Komplexität zu unfairen Ergebnissen führen kann und wie sich nun zeigt, Betrug begünstigt. Das Bundesministerium für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung ist gemäß § 136 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz (WKG) die Aufsichtsbehörde der Wirtschaftskammern und der Fachorganisationen. Angesichts dieser schwerwiegenden Verurteilung braucht es echte Kontrollmechanismen. Schon allein zum Schutz des Ansehens von Wahlen innerhalb der Bevölkerung braucht es Regelung zur Sicherstellung einer schärferen Überwachung der Einhaltung demokratischer Grundsätze bei Wirtschaftskammerwahlen. Entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sollen darin auch enthalten sein. Um ihre Legitimität vor ihren zur Mitgliedschaft verpflichteten Mitgliedern zu wahren, braucht es ein runderneuertes Wahlrecht. NEOS verlangt endlich Reformen, die das Wahlsystem einfach, transparent und demokratischer machen - samt einer Direktwahl des Kammerpräsidenten (4). Die Bundesregierung soll diesbezüglich in Gespräche mit Vertretern der Kammer eintreten, die in vielen Fällen auch Mitglieder des ÖVP-Parlamentsklubs sind. Unterstützung findet dies sicher auch beim grünen Koalitionspartner, der solche Reformen innerhalb der Kammern selbst gefordert hat (5). 

Genug gezögert: Wahlbetrug muss in Österreich Konsequenzen haben - auch in den Wirtschaftskammern! 

 

 

Quellen:

  1. https://www.profil.at/oesterreich/wirtschaftskammer-wahlbetrueger-verurteilt-trotzdem-keine-neuwahl/401786312
  2. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_04643/index.shtml
  3. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201114_OTS0028/gw-aufgedeckt-gruene-wirtschaft-zeigt-wahlbetrug-bei-der-wk-wahl-auf
  4. https://www.unos.eu/ziele
  5. https://www.gruenewirtschaft.at/2020/12/14/wahlbetrug-wk-wahl-2020-weitet-sich-aus/

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandortort, wird aufgefordert, Konsequenzen aus der rechtskräftigen Verurteilung zu ziehen, für die Abberufung der Wahlfälscher zu sorgen und eine Regelung zur schärferen Überwachung der Einhaltung demokratischer Grundsätze bei Wahlen in den Wirtschaftskammern sicherzustellen." 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.