2265/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.02.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Gewalt gegen Frauen - Unabhängige staatliche Koordinierungsstelle im Kampf gegen Femizide im BKA einrichten

 

Von 01. Jänner 2010 bis 31. Oktober 2020 wurden in Österreich 319 Frauen ermordet und 458 Mordversuche an Frauen begangen.1 Obwohl Österreich im Jahr 2011 die sog. Istanbul-Konvention "zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt" unterzeichnet hat, die 2014 in Kraft trat, erreichten Femizide innerhalb der letzten Jahre immer wieder neue Höchstwerte. Allein im Jahr 2021 wurden zwischen 26 und 31 Femizide begangen - je nachdem, wo man sich informiert. Es zeigt sich hier nicht nur ein trauriges Alleinstellungsmerkmal Österreichs als einziges EU-Land, in dem mehr Frauen als Männer ermordet werden, es offenbart zudem auch einen blinden Fleck in der Datenerhebung. Während die Regierung bei einem Pressegespräch mit Frauenministerin Raab, Justizministerin Zadic und Innenminister Karner am 08. Februar 2022 von 26 Femiziden spricht, listen Medien, Vereine und Organisationen im Gewaltschutzbereich bis zu 31 mutmaßliche Femizide im Jahr 2021 auf. In Österreich werden konkrete Daten zu Femiziden nicht grundsätzlich durch staatliche Initiativen systematisch erhoben, sondern von NGOs basierend auf öffentlich zugänglichen Medieninformationen erfasst. Dabei bildet eine solide Datengrundlage wie in so vielen anderen Bereichen auch die Basis für evidenzbasierte Gewaltschutzpolitik.

Femizide sind nicht einfach "nur" Frauenmorde, sondern Morde an Frauen, eben weil sie Frauen sind. Femizide stellen den Gipfel der tiefgreifenden gesellschaftlichen Diskriminierung von Frauen dar und vereinen frauenverachtende Haltungen, patriarchales Abwertungsdenken und Besitzansprüche sowie geschlechtsspezifische Gewalt zu einer tödlichen Mischung. Eines von vielen traurigen Beispielen für die geschlechtsspezifische Gewalt hinter Femiziden stellt der Mord des als "Bierwirt" bekannten Täters an seiner Ex-Partnerin dar. Der Mann fiel 2018 erstmals durch sexistische Hassnachrichten mit brutalen Gewaltphantasien an die Grünen-Politikerin Sigrid Maurer auf. Er hat im vergangenen Jahr seine Ex-Partnerin durch einen Kopfschuss hingerichtet, nachdem sich diese wenige Tage zuvor von ihm getrennt hatte. Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen basiert auf breiten gesellschaftlichen Strukturen und tradierten Geschlechtszuschreibungen und Rollenbildern, die in so gut wie alle Lebensbereiche eindringen und Frauen mehr oder weniger gewaltvoll unterdrücken. Die Spitze des Eisbergs, der Femizid, ist daher nicht einfach ein Frauenmord, sondern "Mord gewordener struktureller Sexismus".1

Leider ist die Datenlage in Österreich wie auch in den meisten anderen EU-Ländern zum Thema Femizide mangelhaft. Neben der fehlenden systematischen Erfassung von Femiziden und ihren geschlechtsspezifischen Ursachen und breit angelegter Gleichstellungspolitik fehlt es v.a. an einer unabhängigen, staatlichen Koordinierungsstelle die sich dem Thema Femizide annimmt. Eine solche Koordinierungsstelle wurde auch in der Podiumsdiskussion zum Auftakt der "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" im November 2021 gefordert und wäre dringend notwendig, um Femizide als gesellschaftliches Phänomen struktureller Diskriminierung von Frauen systematisch zu erfassen, zu erforschen und evidenzbasierte Gegenmaßnahmen im Kampf gegen Gewalt an Frauen abzuleiten. Eine solche zentrale Koordinierungs- und Monitoringstelle wäre auch eine essentielle Schnittstelle für den internationalen Austausch zu dem Thema, denn einerseits gibt es auch bei der EU-weiten Datenvergleichbarkeit immer noch große Missstände, andererseits könnten so Best Practices im Bereich Gewaltschutz besser ausgetauscht und übernommen werden. Spanien hat z.B. basierend auf Art. 10 der Istanbul-Konvention eine Koordinierungsstelle mit 40 Personen geschaffen, die die Aufgabe hat, Lücken in der Umsetzung der Konvention herauszuarbeiten und die Ministerien anzuweisen, wie sie diese Lücken schließen sollen.2 Österreich muss hier dringend nachziehen und dem Thema Femizide die staatliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit in Form einer unabhängigen Koordinierungsstelle schenken, die es verdient hat - mit dem klaren Ziel, Femizide zu stoppen und basierend auf deren Motivforschung Handlungsanweisungen zur Gleichstellung von Frauen und Männern abzuleiten. Denn wir haben es hier nicht mit einer Corona-bedingten Stoßflamme zu tun, sondern mit einem uralten gesellschaftlichen Flächenbrand, der dringend gelöscht werden muss.

1 https://www.derstandard.de/story/2000131422809/expertinnen-fordern-beobachtungsstelle-fuer-femizide-und-haeusliche-gewalt

2 https://www.derstandard.de/story/2000131734886/gewaltschutz-alte-forderungen-noch-aeltere-rollenvorstellungen

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, wird aufgefordert, eine unabhängige staatliche Koordinierungsstelle im Bundeskanzleramt einzurichten, die fortan Femizide systematisch erfasst, erforscht und evidenzbasierte Gegenmaßnahmen für Gewalt gegen Frauen und Femizide erarbeitet. Diese Koordinierungsstelle soll außerdem den internationalen Datenaustausch zu diesen Themen ermöglichen und den Austausch von Best Practices zur Verhinderung von Femiziden und Gewalt gegen Frauen fördern." 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuss vorgeschlagen.