2268/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.02.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Organische Neurorechte

Im Bericht "Foresight und Technikfolgenabschätzung: Monitoring von Zukunftsthemen für das Österreichische Parlament" des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des AIT-Austrian Institute of Technology von November 2021 wurden erstmals "Organische Neurorechte" aufgenommen, die vor allem im Zusammenhang mit dem Fortschritt in den Neurotechnologien immer relevanter werden. (1) Unter Neurotechnologie versteht man Methoden und Instrumente, die eine direkte Verbindung von technischen Komponenten mit dem Nervensystem erlauben. Diese technischen Komponenten sind Elektroden, Computer oder intelligente Prothesen, die entweder Signale des Gehirns aufnehmen und dann in technische Kontrollanweisungen übersetzen, oder Gehirnaktivität durch elektrische oder optische Stimuli manipulieren. (2)

Solche Neurotechnologien wurden in der Vergangenheit insbesondere im medizinischen Kontext bekannt, darunter z.B. "deep brain stimulation" mittels Elektroden-Implantation im Gehirn, ein Eingriff, der von der US-amerikanischen Food and Drug Administration bereits zur Behandlung von Krankheiten wie Parkinson oder Epilepsie zugelassen wurde. Die Entwicklung von "Neuroprothesen", ein Ziel der Forschung in Neurotechnologien, brachte in den vergangenen Jahren etwa auch Cochlea-Implantate hervor. (3)

Das enorme Potenzial dieser Technologien kann sich allerdings nur voll entfalten, wenn neuronale Aktivitäten zuvor möglichst genau verstanden werden. Beforscht werden Neurotechnologien daher in großem Stil seit 2013 im europäischen milliardenschweren Forschungsprojekt „The Human Brain Project“ und in der US-amerikanischen "Brain Research Through Advancing Innovative Neurotechnologies (BRAIN)"-Initiative, einige andere Länder, darunter Japan, folgten wenige Zeit später mit eigenen Programmen. (1) (4)

Eine Kommerzialisierung dieser Technologien wird in Gehirn-Computer-Interfaces, besonders medienwirksam etwa von Elon Musks Unternehmen "Neuralink", vorangetrieben. Neben der Behandlung von neurologischen Krankheiten verspricht man sich von solchen Interfaces - vereinfacht gesprochen Gehirnimplantate, die neuronale Signale für Computer übersetzen - beispielsweise auch eine Benutzung von Smartphones oder Computern per Gedankenkontrolle. Dieses Vorhaben trifft in der Forschungsgemeinde zwar nach wie vor auf Skepsis, zeigt aber, dass gesetzliche Regulierungen künftig notwendig werden könnten. (5)

Während derartige Technologien bis dato nicht marktreif sind und ganz wesentliche Aspekte noch immer wenig verstanden, wenn auch intensiv erforscht werden, bemüht sich Chile trotzdem bereits um eine gesetzliche Regulierung, bei der der Fokus vor allem auf das Recht auf persönliche Identität, Willensfreiheit, geistige Privatsphäre, gleichberechtigten Zugang zu Technologien zur Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und den Schutz vor algorithmischer Verzerrung gelegt wird. Im chilenischen Gesetzesentwurf wird vorgeschlagen, neuronale Daten rechtlich wie Organe zu behandeln. Demzufolge müssten Bürger_innen Daten dieser Art künftig nicht unfreiwillig herausgeben, die Sammlung müsste zuerst mittels Opt-In authorisiert werden. Zudem könnten solche Daten nicht verkauft, sondern lediglich für altruistische Zwecke gespendet werden. (1) Neben Chile schlug auch die spanische Regierung Vorkehrungen für Neurorechte im Kontext der Regulierung von Künstlicher Intelligenz vor. (3)

Fürsprecher einer Regulierung von Neurotechnologien in der Forschungscommunity ist beispielsweise Rafael Yuste, Neurobiologe an der Columbia University, New York. Er befürwortet die Aufnahme von Neurorechten in die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen. Denn wer "neuronale Aktivität aufnehmen und verändern kann, kann im Prinzip Gedanken von Menschen lesen und schreiben". Dies sei "keine Science Fiction". "Wir tun das im Labor bereits erfolgreich bei Tieren". (3) Beispielsweise gelang es Forscher_innen bereits im Jahr 2013, Mäusen falsche Erinnerungen einzupflanzen. (6)

Die Autor_innen des Berichts von ITA und AIT empfehlen dem österreichischen Parlament eine "umfassende Beteiligung an der internationalen Debatte über die Regulierung der geistigen Privatsphäre". Eine FTA-Studie könnte "die besondere Natur neuronaler Daten, mögliche Risiken im Umgang damit und die damit verbundenen Zukunftsvorstellungen des neurotechnologischen Gedankenlesens explorieren und die Entwicklung einer österreichischen Vision im internationalen Kontext unterstützen."

Österreich könnte so eine Vorreiterrolle in einem hoch innovativen Forschungsgebiet einnehmen.

(1) https://www.parlament.gv.at/ZUSD/FTA/FTA-Monitoringbericht_gesamt_November_2021.pdf

(2) https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnsys.2017.00093/full

(3) https://www.reuters.com/article/us-global-tech-rights-idUSKBN28D3HK

(4) https://www.nature.com/articles/d41586-021-02661-w

(5) https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/elon-musks-unternehmen-neuralink-kuendigt-tests-mit-menschen-an-a-1fa13731-90c4-4697-bb60-596f26713834

(6) https://www.science.org/doi/10.1126/science.1239073

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie, wird aufgefordert, eine FTA-Studie zu beauftragen, die sich mit neuronalen Daten und den möglichen Risiken im Umgang mit Neurotechnologien befasst und die Entwicklung einer österreichischen Vision im internationalen Kontext unterstützt."  

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Forschung‚ Innovation und Digitalisierung vorgeschlagen.