2335/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.02.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend Kennzeichnungspflicht für Lobbyismus im ORF

 

 

Unter der Überschrift „Das Netz der Pharma-Industrie[1] berichtet das Magazin News in der Ausgabe 01-02 / 2022 vom 14.01.2022 von einer undurchsichtigen Gemengelage der Beziehungen zwischen Politik, Wissenschaft und Medien: Der ORF übertrug am Vormittag des 14. Dezember 2021 via Internet-Livestream knapp eine Stunde lang eine Pressekonferenz mit dem Titel „CoV-Impfung bei Kindern“. Im Stil einer Pressekonferenzen der Bundesregierung sprachen eine Moderatorin und mehrere als Experten deklarierte Personen vor einem Plakat mit der schwer lesbaren Abkürzung „ÖVIH“. Alle argumentierten für eine Covid-19-Impfung von Kindern ab fünf Jahren. Der Artikel deckt auf, was im ORF ungesagt blieb:

 

„Der ORF und die Pharma-Lobbyisten

 

Hinter dem Kürzel "ÖVIH" steht der Verband der österreichischen Impfstoffhersteller. Dieser wird -unter anderem - von den Covid-Impfstoff-Herstellern Astra-Zeneca, Johnson &Johnson, Moderna und Pfizer finanziert. Die Moderatorin der live gestreamten Pressekonferenz stellte sich den ORF-Zusehern nur mit ihrem Namen vor: Renée Gallo-Daniel. Unerwähnt blieb, dass sie Führungskraft bei Pfizer ist. Vor sieben Jahren übernahm sie die Führung der Vakzin-Sparte in Österreich, wurde dann Senior Public Affairs Manager und hat seit 2020 eine tragende Rolle bei Vaccines Europe (VE) in Brüssel. Im Lobbying-Register der EU sind die Ziele der Organisation offengelegt: "Förderung eines günstigen politischen Klimas zugunsten der Vakzin-Industrie".

 

"Journalistische Kriterien"

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk argumentierte die Übernahme der von Lobbyisten ausgerichteten Pressekonferenz in sein auch durch Gebühren mitfinanziertes Onlineprogramm so: "Die ORF-TVthek bietet als Zusatzservice unkommentierte Livestreams. Die thematische Auswahl dieser von der APA angebotenen Livestreams erfolgt nach journalistischen Kriterien. Rechtliche Voraussetzung für diese 'Live Spezial'-Streams ist Berichterstattung im linearen TV. Diese ist beim gegenständlichen Pressegespräch mit einer Meldung in der 'ZIB 13' erfolgt."

 

In besagter "ZIB 13" vom 14. Dezember erschien tatsächlich ein Beitrag, in dem Ausschnitte aus der Lobbying-PK verwendet wurden. In der Anmoderation hieß es: "Ab morgen gibt es an Österreichs Impfstraßen den Covid-19-Kinderimpfstoff." Produzent dieses Impfstoffs: Pfizer.“

 

Das Vorgehen erinnert an die Übertragung des Parteitags der Jungen ÖVP samt Werbespot und Moderation im Jahr 2021, dessen Übertragung mit der aktuellen Diskussion rund um eine mögliche Anklage gegen den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz gerechtfertigt wurde.[2] „Es entsteht der Eindruck der politischen Wunscherfüllung und das schadet der Glaubwürdigkeit unserer Berichterstattung“, betonte der Redakteursrat des ORF diesbezüglich in einer Stellungnahme.[3] Das Interesse der ORF-Gebührenzahler war überschaubar: Es habe nur 57 Aufrufe gegeben, so der damalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.[4]

 

Zwar sind die umfassende Information der Allgemeinheit über wichtige politische Fragen gem. § 4 Abs. 1 Z 1 ORF-G und die Information über Themen der Gesundheit gem. § 4 Abs. 1 Z 14 ORF-G Teil des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags des ORF, selbiges gilt jedoch auch für dessen Unabhängigkeit:

 

Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss, aber auch Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische oder Printmedien, oder seien es politische oder wirtschaftliche Lobbys.

-       § 4 Abs. 6 ORF-G

 

Um das Spannungsverhältnis zwischen Informationsauftrag und Unabhängigkeit aufzulösen, braucht es – analog zu § 43 AMD-G – die Erkennbarkeit und Trennung von Inhalten, welche geeignet sind die Unabhängigkeit von politischen oder wirtschaftlichen Lobbys in Zweifel zu ziehen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

Entschließungsantrag

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, durch welche folgende Punkte umgesetzt werden:

·         Die Übertragung von Lobbyismus im linearen Programm oder Onlineprogramm des ORF muss leicht als solche erkennbar und somit vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein.

·         Lobbying-Inhalte müssen durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungs- und Programmteilen getrennt sein.

·         Lobbying-Inhalte sind zusätzlich während ihrer gesamten Dauer mit dem eindeutig erkennbaren Schriftzug „Lobbyismus“ zu kennzeichnen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Verfassungsausschuss ersucht.



[1] https://www.news.at/a/netz-pharma-industrie-12373790

[2] https://www.sueddeutsche.de/medien/orf-uebertragung-oevp-kurz-1.5296505

[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210517_OTS0053/orf-journalistinnen-kritisieren-jvp-liveuebertragung

[4] https://kurier.at/kultur/medien/wrabetz-nur-57-abrufe-fuer-jvp-parteitag-auf-der-orf-tvthek/401390094