2386/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.03.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mario Lindner,

Genossinnen und Genossen

betreffend Entschuldigung, Rehabilitation und Entschädigung für die Opfer homophober Strafgesetze

 

 

Im Jahr 2021 jährte sich die Entkriminalisierung von einvernehmlichen homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen durch die Kleine Strafrechtsreform der Regierung Kreisky I zum 50. Mal. Österreich war damals eines der letzten europäischen Länder, das diesen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von Homosexuellen setzte. Doch mit dem Ende der §§ 129 I b (Tat) und 130 (Strafmaß) zum Verbot von "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" traten vier neue Strafrechtsparagraphen in Kraft, die die Rechte dieser Personengruppe noch für lange Zeit einschränkten. Der letzte dieser Paragraphen (§ 209) bez. der Festsetzung von unterschiedlichen Mindestaltern zwischen homo- und heterosexuellen Beziehungen blieb bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 2002 in Kraft.

Für die tausenden Menschen, die wegen einem dieser Paragraphen angezeigt und verurteilt wurden, bedeutete eine Verurteilung nicht nur öffentliche Stigmatisierung, sondern oft auch den Verlust von Arbeitsplätzen, Einkommen und Existenzen. Am 7. Juni 2021 setzte die Bundesministerin für Justiz mit einer öffentlichen Entschuldigung der Justiz gegenüber den Opfern dieser homophoben Strafgesetze ein wichtiges Zeichen. Diesen Worten müssen aber auch endlich Taten folgen. Es braucht sowohl eine Entschuldigung des Parlaments, also jener Körperschaft, die diese Gesetze erlassen hat, sowie umfassende Rehabilitierung und Entschädigung für jene Opfer homophober Strafgesetzgebung, die noch am Leben sind.

Die Bundesrepublik Deutschland hat genau das bereits vor einigen Jahren getan: „Das strafrechtliche Verbot einvernehmlicher homosexueller Handlungen und die daraus resultierende Strafverfolgung sind nach heutigem Verständnis in besonderem Maße grundrechts- und menschenrechtswidrig. Ziel des Gesetzes ist es, den Betroffenen den Strafmakel zu nehmen, mit dem sie bisher wegen einer solchen Verurteilung leben mussten. Die Rehabilitierung besteht aus der Aufhebung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen ergangenen Urteile und der Entschädigung der Betroffenen.“[1] Demzufolge können auf Basis des „Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" Entschädigungen für das erlittene legislative Unrecht durch das deutsche Bundesministerium für Justiz ausgezahlt werden. Diese Entschädigungen sind nicht nur für verurteilte Personen möglich, sondern ermöglichen auch Ansprüche bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung, womit den immensen Auswirkungen der Strafverfolgung für Betroffene unabhängig vom Ausgang eines allfälligen Verfahrens Rechnung getragen wird.

Österreich muss diesem Beispiel folgen und Verantwortung für jahrzehntelanges Unrecht übernehmen. Dazu braucht es Gesetzgebung, mit der die Opfer homophober Strafgesetze rehabilitiert werden und die Möglichkeit geschaffen wird, Urteile, die gemäß § 129 I b StG zwischen 1945 und 1971, sowie nach 1971 gemäß den §§ 209, 210, 220 und 221 StGB gefällt worden sind, offiziell für nichtig zu erklären und als Unrechtsurteile aufheben zu lassen, sowie die Opfer entsprechend zu entschädigen – sofern es sich im Einzelfall um keine Straftatbestände handelte, die auch heute strafbar wären. Diese Entschädigung muss vor allem die beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten als Ersatzzeit auf die Pensionsversicherungszeit, die entsprechend verzinste Rückzahlung verhängter Geldstrafen sowie die pauschale Abgeltung für allfällige Anwalts- und Gerichtskosten für jeden Haftmonat umfassen. Auch andere Sanktionen, von denen Verurteilte betroffen waren (Aberkennung akademischer Grade, Entzug von Gewerbeberechtigungen, Führerscheinverlust, etc.), müssen aufgehoben und entschädigt werden.

Auch in einem weiteren Bereich hat Österreich großen Nachholbedarf: So übernahm der Deutsche Bundestag bereits im Jahr 2000 (!) in einer „Ehrenerklärung“ Verantwortung für die legislative Verfolgung gleichgeschlechtlicher Handlungen auch nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes: „Er (der Deutsche Bundestag) entschuldigt sich für die bis 1969 andauernde strafrechtliche Verfolgung homosexueller Bürger, die durch die drohende Strafverfolgung in ihrer Menschenwürde, in ihren Entfaltungsmöglichkeiten und in ihrer Lebensqualität empfindlich beeinträchtigt wurden.“[2] Eine solche offizielle Entschuldigung ist nicht nur ein wichtiges Signal für jene Verfolgten, die noch am Leben sind, sondern auch ein Beitrag zur historischen Aufarbeitung des Einsatzes für Menschenrechte und Gleichbehandlung in der Zweiten Republik.

Es ist höchste Zeit, dass die Republik Österreich Verantwortung für das historische Unrecht, das tausenden Männern und Frauen durch homophobe Strafgesetzgebung zugefügt wurde, übernimmt und mit einer umfassenden Rehabilitierung, sowie echten Entschädigungszahlungen garantiert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 


 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis Ende des Jahres 2022 in würdigem Rahmen gemeinsam mit dem Nationalrat und dem Bundesrat eine öffentliche Entschuldigung für die Opfer homophober Strafgesetze zwischen 1945 und 2002 zu setzen.

Außerdem wird die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, aufgefordert, dem Nationalrat bis Ende des Jahres 2022 eine Regierungsvorlage zum Beschluss vorzulegen, mit der die Personen, die gemäß § 129 I b StG sowie nach 1971 gemäß den §§ 209, 210, 220 und 221 StGB verurteilt wurden, vollumfassend rehabilitiert werden, sofern es sich im Einzelfall um keine Straftatbestände handelte, die auch heute strafbar wären, und mit der darüber hinaus ein Rechtsanspruch auf angemessene Entschädigungszahlungen geschaffen wird.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss



[1] Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: https://www.bmjv.de/DE/Themen/FamilieUndPartnerschaft/175/RehabilitierungVerurteilterHomosexuellerPersonen.html

[2] Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2984, 14. Wahlperiode (21. März 2000)