2389/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 23.03.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Michael Bernhard, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Ausstieg der Industrie aus fossilem Gas unterstützen
In der Nacht vom 23. zum 24. Februar hat Russland die Ukraine auf mehreren Fronten mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland. Da der ukrainische Widerstand gegen diesen Angriffskrieg weit heftiger und kompetenter ist, als dies vonseiten Russlands wohl erhofft war und die internationale Reaktion auf die Invasion relativ geschlossen und konsequent war, kann sich die russische Führung unter Putin kaum noch gesichtswahrend zurückziehen. Dies hat innerhalb weniger Tage zu einer vollkommenen Eskalation des Kriegs geführt inklusive tausender ziviler und militärischer Toter, mehrerer Millionen Flüchtlinge und unfassbarem menschlichen Leid.
Der russische Angriffskrieg ist von der internationalen Staatengemeinschaft nahezu einstimmig verurteilt worden und Russland sowie seine Führung um Vladimir Putin wurden von der EU und vielen weiteren Staaten mit harten Wirtschaftssanktionen belegt, welche bereits nach wenigen Wochen erheblichen Druck auf Russland und seine Wirtschaft verursachten. Allerdings wurde schon im Vorfeld des Krieges klar, dass sich Europa in den letzten Jahrzehnten in eine viel zu große Abhängigkeit von russischen Energieimporten manövriert hat, was die Handlungsfähigkeit der EU deutlich reduziert, die wirtschaftliche und militärische Verwundbarkeit stark erhöht und Russland eine verlässliche Einnahmequelle zur Finanzierung des Angriffskriegs garantiert.
Österreich ist aufgrund des jahrelangen, kollektiven Versagens der österreichischen Energiepolitik in einer besonders prekären Lage. Entgegen zahlreicher Warnungen und mehrerer Völkerrechtsverletzungen vonseiten Putins (wie etwa der Besetzung der Krim) wurde im letzten Jahrzehnt nicht nur wenig bis gar nichts unternommen, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu reduzieren, sondern diese sogar ausgebaut. Bei einem plötzlichen Stopp der Gasversorgung - etwa bei einer weiteren Eskalation der Sanktionen oder als Folge eines Infrastrukturschadens im Zuge der Kampfhandlungen - wären aufgrund der am Ende des Winters fast leeren Speicher umgehend Lenkungsmaßnahmen notwendig und die österreichische Wirtschaft wäre gezwungen, den Betrieb deutlich zu reduzieren. Kurzfristige Alternativen für Gasimport in nennenswerten Mengen gibt es keine, weil unsere Gasinfrastruktur bewusst jahrelang ausschließlich auf Russland ausgerichtet worden ist.
Wir befinden uns deshalb in der moralisch äußerst schwierigen und inakzeptablen Situation, dass wir bei Versorgungsstopp vor einem massiven wirtschaftlichen Einbruch und Destabilisierung unserer Energieversorgung stehen und der Tatsache, dass jeder m³ Gas, welcher weiterhin aus Russland nach Österreich fließt, einen furchtbaren Angriffskrieg ohne Rücksicht auf Zivilisten finanziert und die Taschen eines Regimes füllt, welches brutal gegen interne Kriegsgegner vorgeht und mittlerweile offen über "Säuberungen" spricht.
Diese Situation ist für uns absolut inakzeptabel. Es ist inakzeptabel, dass die Gasrechnung einer Wiener Pensionistin, oder Industrieprozesse in Oberösterreich Bomben auf Kiev mitfinanzieren. Umso erstaunlicher ist es, dass die Regierung mehrere Wochen nach Ausbruch dieses Kriegs sich entweder noch in Schockstarre befindet, oder keinerlei Dringlichkeit verspürt zu handeln. Wir legen deshalb, nach intensiver Beratung mit der Energiewirtschaft, der Industrie, des Gewerbes und der Wissenschaft einen Plan zur Generalmobilmachung gegen russisches Gas vor.
Der Ausstieg aus russischem Gas ist eine riesige Herausforderung für unsere Industrie. Derzeit benötigt sie ca. 31 TWh Erdgas, was etwa 1/3 unseres Gesamtbedarfs entspricht. Besonders betroffen sind hier vor allem die Papierindustrie, die chemische Industrie sowie die Eisen- und Stahlerzeugung, doch darüber hinaus sind viele weitere Branchen von hohem Bedarf geprägt und leiden unter hohen Preisen und der derzeitigen Unsicherheit. Viele Prozesse können nur mit hohen Investitionen umgestellt oder energiesparender gestaltet werden, vielfach gibt es aber auch einfach keine Alternativen zu gasförmigen Energieträgern, welche nach und nach mit biogenem Gas oder Wasserstoff ersetzt werden müssen. Bereits jetzt sind unsere Industriebetriebe bei der Dekarbonisierung internationale Vorreiter und aufgrund des europäischen Emissionshandes zu Innovationen im Umgang mit Energie angehalten. Hier gilt es einerseits den durch die Politik verursachten Standort-Nachteil aufgrund der kompletten infrastrukturellen Anbindung an russisches Gas wettzumachen, andererseits dafür zu sorgen, dass zehntausende Arbeitsplätze gesichert werden.
Gerade deshalb ist es völlig unverständlich, dass die Regierung nicht bereits an einem umfassenden Maßnahmenpaket arbeitet um umgehend erste Schritte zu setzen um unsere von Gasimporten stark abhängige Industrie dabei zu unterstützen aus fossilem Erdgas auszusteigen und damit sowohl deren Existenz abzusichern, als auch eine Basis für eine nachhaltige, klimaneutrale Industrie zu legen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpaket vorzulegen, welches den Ausstieg der Industrie aus fossilem Gas unterstützt und unter anderem folgende Punkte umfasst:
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.