2391/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 23.03.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Echte Maßnahmen zum Schutze der psychischen Gesundheit der Schüler_innen
Kinder und Jugendliche sind von den Folgen der Pandemie besonders stark betroffen. Das zeigen nicht nur Berichte von Schüler_innen und Lehrpersonal, sondern auch Studien; wie etwa jene des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems zur psychischen Gesundheit von Schüler_innen. Laut der Studie weisen 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf. Depressive Symptome, Angstsymptome, aber auch Schlafstörungen haben sich in den vergangenen Monaten verfünf- bis verzehnfacht. 1
Besonders dramatisch ist die Tatsache, dass rund ein Fünftel der Mädchen und 14 Prozent der Burschen unter wiederkehrenden suizidalen Gedanken leiden. Damit denken sie entweder täglich oder an mehr als der Hälfte der Tage an Selbstmord. Gerade in Anbetracht der Auswirkungen der Pandemie als auch der aktuellen geopolitischen Entwicklungen in Bezug auf die eskalierende Lage in der Ukraine ist davon auszugehen, dass die belastende Situation für Kinder und Jugendliche noch schwieriger einzuordnen ist. Expert_innen warnen bereits davor, dass Kinder und Jugendliche durch den aktuellen Konflikt zusätzlichem Stress, Ängsten und seelischer Belastung ausgesetzt werden. 2
Besonders dramatisch zeigt sich die geschilderte Situation auf der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der stationäre Bereich wird weiterhin mit dem Hilfeschreien der Fachärzt_innen alleine gelassen. Kinder und Jugendliche warten teilweise monatelang auf Therapieplätze, auf eine Ausweitung der Angebote durch die Krankenkassen wartet man vergeblich. Der Bedarf an Psychotherapieplätzen ist seit Beginn der Pandemie massiv gestiegen, eine Bedarfsdeckung liegt noch immer in weiter Ferne. Der von der Regierung angekündigten projektbasierten Fördertopf für Psychotherapiestunden hat nur einen kurzzeitigen Effekt. In Anbetracht multipler Krisen braucht es jedoch gerade jetzt einen nachhaltigen und umfassenden Ausbau von Betreuungs- und Therapieangeboten.
Auch an den Schulen braucht es dringend mehr Möglichkeiten, um Schüler_innen mit psychischen Problemen aufzufangen, zu betreuen und zu unterstützen. Eine aktuelle Anfragenbeantwortung der parlamentarischen Anfrage 9279/J macht deutlich, dass es in Österreich immer noch stark an Schulpycholog_innen mangelt: in ganz Österreich gibt es nur 212,69 Schulpsychologinnen, welche nicht annähernd alle Schüler_innen betreuen können.
Dieser Entschließungsantrag ist im Rahmen eines partizipativen Programmprozesses der JUNOS Schüler_innen gemeinsam mit mehr als hundert Schüler_innen aus ganz Österreich erarbeitet worden.
1 https://www.donau-uni.ac.at/de/aktuelles/news/2021/psychische-belastung-bei-jugendlichen-weiterhin-hoch.ht#ml
2 https://www.caritas.at/spenden-helfen/auslandshilfe/katastrophenhilfe/laender-brennpunkte/ukraine/ueber-krieg-sprechen
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, effektive Maßnahmen gegen die grassierenden mentalen Probleme bei Kindern und Jugendlichen zu treffen und Vorschläge zur Umsetzung folgender Maßnahmen vorzulegen:
Lehrkräfte sind die zentralen Akteur_innen der Bildungspolitik. Wenn es also darum geht, ein Bildungssystem zu schaffen, das die mentale Gesundheit der Schüler_innen nicht belastet, muss zuallererst bei den Lehrkräften angesetzt werden. Hier gilt es in einem ersten Schritt, diese durch gezielte Schulungen zu sensibilisieren und ihnen verstärkt Kompetenz im täglichen Umgang mit der psychischen Gesundheit der Schüler_innen mitzugeben. Ein besonderer Schwerpunkt muss hier auf die Aus- und Weiterbildung von Klassenvorständen gelegt werden. Zusätzlich müssen die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass an jeder Schule mehrere Lehrkräfte gezielt zu sogenannten “Vertrauenslehrkräften” ausgebildet werden. Diese Lehrkräfte fungieren dann als erste Anlaufstelle für betroffene Schüler_innen. Durch solche ausgebildeten Ersthelfer_innen an den Schulen können auch die etablierten Schulpsycholog_innen entlastet werden.
Neben den Lehrkräften gilt es auch die Schüler_innen selbst aufzuklären. Psychische Gesundheit sollten auch im regulären Lehrplan behandelt werden, denn nur so kann eine echte Enttabuisierung stattfinden. Die Schüler_innen sollten hier bereits ab der Volksschule auf altersgerechte Art und Weise sensibilisiert werden. Im Rahmen des Unterrichts sollten den Jugendlichen auch grundlegende Techniken des Selbstschutzes und der Selbsthilfe mitgegeben werden. Die Schüler_innen sollten ebenfalls lernen, wo sie Hilfe finden können. Sowie zum Beispiel jede_r Schüler_in die Nummer der Rettung, der Feuerwehr und der Polizei erlernt, sollte auch jede_r nach Ende ihrer oder seiner Schulzeit die Nummer von Rat auf Draht oder von sonstigen relevanten Hotlines kennen!
Die Schulen sind essentielle Partner bei jeder Veränderung im Bildungssystem. So auch hier. Schulen können vor Ort mithilfe konkreter Projekte echte Veränderung anstoßen - sei es bei der Prävention von psychischen Problemen, der Sensibilisierung der Schulpartner_innen oder auch der Hilfe für Betroffene. Schulen könnten zum Beispiel Workshops organisieren, bei denen Schüler_innen erlernen, woran sie erkennen, dass sie Hilfe brauchen und wo und wie sie diese Hilfe am schnellsten bekommen. Die Schulen sollten hier konkrete Hilfe zur Verfügung gestellt bekommen. Dies kann zum Beispiel durch die Publizierung von Best-Practice-Beispielen erfolgen. Auch sollten die Direktionen gezielt in Sachen psychische Gesundheit weitergebildet und sensibilisiert werden. Förderungen für Schulprojekte in Verbindung mit dieser Thematik sollten möglichst unbürokratisch angeboten werden.
Langfristig braucht es deutlich mehr ausgebildete Fachkräfte in den Schulen. Schon jetzt müssen die Rahmenbedingungen für eine starke Steigerung der Menge an Schulpsycholog_innen und - in Kooperation mit den Bundesländern - der Schulsozialarbeiter_innen gelegt werden. Hier braucht es eine Prüfung, inwieweit es ausreichend Ausbildungsplätze gibt, sowie eine Attraktivierung des Arbeitsumfelds. Ziel ist, dass alle Schüler_innen regelmäßige Routineuntersuchungen bei Schulpsycholog_innen haben."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.