Eingebracht am 23.03.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen
betreffend
Maßnahmenpaket Landwirtschaft zur Absicherung der internationalen
Versorgungssicherheit
In der Nacht vom 23. zum
24. Februar hat Russland die Ukraine auf breiter Front mit massiver
militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine
weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen
beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so
repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland
führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich
– und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland.
Die Russische Aggression
hat auch extreme Verwerfungen für die internationalen Agrarmärkte
bedeutet, denn die Ukraine wird gerne als "Kornkammer Europas"
bezeichnet. Gemeinsam mit Russland ist sie der weltweit wichtigste
Weizenexporteur. Beide Länder zählen auch zu den wichtigsten
Produzenten von Sonnenblumen, -öl und -schrot. Zudem wird ein Großteil
des internationalen Düngers in Russland produziert.
Die internationalen
Agrarmärkte haben innerhalb kürzester Zeit auf die russische
Aggression reagiert. So kletterten die Weizenpreise in lichte Höhen und
erreichten in Kalenderwoche 10 mit knapp unter €400 pro Tonne Weizen den
Höchststand. Dies markierte den höchsten Weizenpreis seit 13 Jahren
und lag weit über den Preisen Anfang Februar von rund €260 pro
Tonne. Aber nicht nur die Weizenpreise sind massiv gestiegen, auch die
Düngerpreise sind durch die russische Aggression explodiert, denn Russland
ist einer der weltweit wichtigsten Lieferanten von Düngemittel und
verwandten Rohstoffen. Gestiegene Düngerpreise sowie Knappheit bestimmter
Düngemittel (z.B. Kali) wird geringere Ernteerträge zur Folge haben
und somit die Preise für Lebensmittel weltweit weiter in die Höhe
treiben.
Doch nicht nur die hohen
Preise, auch die Versorgungssicherheit weltweit ist durch den Ausfall der
beiden großen Weizenexporteure gefährdet. Benin und Somalia
hängen zu 100% von Weizen aus Russland und der Ukraine ab und auch
Länder wie Ägypten, Tunesien oder die Türkei importieren mehr
als die Hälfte ihres Weizens aus den beiden Ländern.
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat vor einem "Hurrikan des
Hungers" gewarnt, auch das World Food Programme hat Alarm geschlagen, denn
mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel, die in Krisenregionen verteilt
werden, stammen aus der Ukraine.
Während auf
internationaler Ebene die Alarmglocken schrillen, verweist
Landwirtschaftsministerin Köstinger gerne darauf, dass die Versorgungssicherheit
in Österreich gesichert sei und das Ministerium die Lage
"beobachte". Doch angesichts der dramatischen Entwicklungen auf den
Agrarmärkten und den massiven Abhängigkeiten von ukrainischem und
russischem Getreide auf internationaler Ebene reicht es nicht aus, die Lage zu
beobachten. Durchdachte und rasche Lösungen sind gefordert.
Quellen:
- https://www.fao.org/fileadmin/templates/est/meetings/wto_comm/Trade_Policy_Brief_Russia_final.pdf
- https://www.fao.org/fileadmin/templates/est/meetings/wto_comm/Trade_Policy_Brief_Ukraine_final.pdf
- WIFO Research
Briefs 3/2022 "Kurzanalyse zu den Entwicklungen in der Ukraine-Krise.
Auswirkungen auf Österreich und die EU" https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=69423&mime_type=application/pdf
- https://www.derstandard.at/story/2000133668804/ukraine-krieg-treibt-lebensmittelpreise-in-die-hoehe
- https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/auf-den-krieg-folgt-der-hunger-12971330.html
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die
Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird
aufgefordert, angesichts der Verwerfungen auf den internationalen
Agrarmärkten, folgende Maßnahmen zu setzen:
- 5% der ÖPUL
UBB-Biodiversitätsflächen im Ackerland für 2022 zur
Produktion freigeben: Um die Balance zwischen
biodiversitätsfördernder Bewirtschaftung und
Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist die Bundesministerin
für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus gefordert, die 5% der
Biodiversitätsflächen im Ackerland zur Produktion freizugeben,
damit mehrere 100.000 Tonnen an zusätzlichem Weizen in
Österreich produziert werden können. 5% Biodiversitätsflächen
im Grünland sollen weiterhin bestehen bleiben.
- Strategie zur Lebensmittelverschwendung
endlich umsetzen: Laut Rechnungshofbericht Reihe
Bund 2021/19 fallen pro Jahr 790.790 Tonnen vermeidbarer
Lebensmittelabfälle in Österreich an, wovon rund 167.000 Tonnen
aus der Landwirtschaft stammen. Die Bundesministerin für
Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist gefordert, gemeinsam mit dem
Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität,
Innovation und Technologie sowie dem Bundesministerium für Soziales,
Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die Rechnungshofempfehlung nach
einer Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung endlich
umzusetzen.
- Zügelloses Zubetonieren stoppen: Mit einem Versiegelungsgrad von 41% und einer täglich
versiegelten Fläche von knapp 13 Fußballfeldern gehen in
Österreich täglich wertvolle Flächen für die
landwirtschaftliche Produktion verloren. Flächenwidmung und
Raumordnung müssen kontrollierter, transparenter und nachvollziehbar
werden. Dafür braucht es die Bundeskompetenz Bodenverbrauch, eine
bessere Datenlage und die Widmungskompetenz auf einer höheren Ebene
als bei den Bürgermeistern.
- Digitalisierung ausrollen: Derzeit hinkt Österreich in Sachen smart und precision
Farming hinterher, obwohl sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt hat,
eine Digitalisierungsstrategie auszuarbeiten und Digitalisierung in der
Landwirtschaft zu fördern. Die Bundesministerin für
Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist gefordert, die Digitalisierung
in der österreichischen Landwirtschaft durch messbare Indikatoren
voranzubringen.
- AMA Agrarmarketingbeiträge
abschaffen: Die Zwangsbeiträge, die
landwirtschaftliche Betriebe für Agrarmarketing durch die AMA
abführen müssen, sind nicht wirkungsorientiert, intransparent
und an keine Ergebnisindikatoren gebunden. Durch ein Abschaffen der AMA
Agrarmarketingbeiträge wären die Betriebe sofort entlastet und
könnten ihr dadurch verfügbares Einkommen in den Kauf
gestiegener Betriebsmittel wie Dünger oder Kraftstoffe investieren.
- Biogas als Einkommensart für die
Landwirtschaft forcieren und als Energiequelle mobilisieren: Die stärkere Mobilisierung von Biogas ist für
Österreich hochrelevant und Potenziale dafür sind in
Österreich reichlich vorhanden. Wenn das Gas noch in diesem Jahr eine
Rolle spielen soll und die Abhängigkeit von russischem Gas reduziert
werden soll, dann muss die Erzeugung von Biogas sofort ausgebaut
werden.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an
den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.