2422/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 05.04.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

Dringlicher Antrag

§ 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG

 

 

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc
Genossinnen und Genossen

 

betreffend      Teuerung auf Rekordniveau - 
daher umfassende und rasch wirksame Maßnahmen jetzt!

 

Begründung

Die Inflation in Österreich ist auf einem mehr als 40-jährigen Rekordhoch. Im März hat sich die Inflationsentwicklung noch einmal beschleunigt. Laut Schnellschätzung der Statistik Austria wird die Preissteigerung für März 2022 bei 6,8% liegen, zuletzt war sie nur im November 1981 so hoch[1].

Quellen: Statistik Austria, *Schnellschätzung März 2022, **Presse vom 2.4.2022, eigene Darstellung

 

Die dramatische Situation hat sich in den letzten Wochen verschärft:[2]

-       „Erzeugerpreise des Produzierenden Bereichs im Jänner 2022 um 18,4% über Vorjahresniveau“ (28.02.2022)

-       „Großhandelspreise legten im Februar 2022 um 16,3% zu“ (07.03.2022)

-       „Kaufpreise von Häusern und Wohnungen stiegen im Jahr 2021 um 12,3%“ (24.3.2022)

-       „Erzeugerpreise des Produzierenden Bereichs stiegen im Februar 2022 um 18,9%“ (30.03.2022) und schließlich

-       „Inflation im März 2022 laut Schnellschätzung voraussichtlich bei 6,8%“ (01.04.2022)

Die Schnellschätzung von Eurostat für den Euroraum ergab im März 2022 eine Inflation von 7,5%, Hauptpreistreiber waren die Energiekosten (+44%), Lebensmittel sind bereits um 5% gestiegen.[3] Experten gehen davon aus, dass die Inflation in Österreich bis auf 9% steigen könnte (OeNB)[4]. Nach den Preissteigerungen beim Tanken und Heizen, kommen jetzt Wohnen und Lebensmittel dran, denn Lebensmittelketten haben bereits angekündigt, dass auf Grund der gestiegenen Preise für Rohstoffe und Energie die Preise angehoben werden.

Die Konsequenz der Preissteigerung sind echte Einkommensverluste für die Menschen, denn die Entwicklung der Löhne und Gehälter hält mit diesen Preissteigerungen nicht mehr mit, vor einer Woche wurde mit dem Sinken der Reallöhne im Jahr 2022 von -2,3% gerechnet, „das sei der stärkste bisher gemessene Rückgang der Pro-Kopf-Löhne, seit es dazu Statistiken gebe[5].

Für viele junge Familien, die solche Teuerungen noch nie erlebt haben, und für viele Pensionist*innen werden die exorbitanten Preissteigerungen zum Beispiel beim Einkaufen, Wohnen, Heizen, Strom oder Autofahren, kurzum in den wesentlichsten Bereichen des täglichen Lebens, existenzbedrohend. Die Preisanstiege für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke liegen weit über dem 2%-Inflationsziel der Europäischen Zentralbank, Bekleidung und Schuhe kosten um 5,8% mehr, Wohnen, Wasser und Energie wurden sogar um 7,7% teurer und die Preissteigerung beim Verkehr ist mit 10,6% schon zweistellig[6].

Die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben privater Haushalte betrugen laut Konsumerhebung der Statistik Austria 3.250 €, der größte Anteil davon wurde mit 24,4% für Wohnen und Energie ausgegeben (oder 780 €), für Verkehr 13,9% (oder 450 €), Ernährung und alkoholfreie Getränke 12,1% (oder 390 €)[7]. Was heißt das, wenn sich die Energiepreise bei gleichem Einkommen vervielfachen für die Menschen?

Für die Österreicher*innen bedeutet das, dass Wohnen und Heizen einen immer höheren Anteil des verfügbaren Monatseinkommens auffressen, für Pendler*innen mit kleinen und niedrigen Einkommen, wird der Weg in die Arbeit zum Luxus, vor allem am Land können sie nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen, und jetzt kommen auch noch die Preissteigerungen bei den Mieten und Nahrungsmitteln dazu. Die ÖVP-Grüne Bundesregierung hat nichts gegen die steigenden Kategoriemieten getan, obwohl sie dies bis Ende März hätte tun können. Auch die befristete Erhöhung des Pendlerpauschales ist ungerecht, denn sie hilft den höheren Einkommen mehr als kleinen und mittleren, obwohl sie dieselben Kosten haben.

Das Arbeitslosengeld dient der Existenzsicherung, Ende März 2022 waren 335.887 Menschen arbeitslos gemeldet, davon sind weiterhin über 100.000 Personen länger als ein Jahr arbeitslos. Oft reicht das Geld nicht einmal für das Nötigste, durch die Einkommensverluste wegen der Preissteigerungen bricht diesen Personen die Existenzgrundlage weg.

Auch Studierende werden von der aktuellen Teuerung besonders hart getroffen, weil sie einen immer höheren Anteil des Gesamteinkommens für Wohnen und Nahrungsmittel aufwenden müssen. Die Studienbeihilfe wurde zuletzt 2017 erhöht, die Preise sind seither um mehr als 10% gestiegen.

Die rasante Teuerung ist für Pensionist*innen nicht mehr zu stemmen. Die jährliche gesetzliche Inflationsanpassung erfolgt rückwirkend per Jänner und betrug zuletzt 1,8%, die Teuerung aber 6,8%. Die SPÖ hat die Anpassung bereits im Herbst 2021 als zu niedrig kritisiert, und bis zur nächsten regulären Anpassung dauert es noch fast ein Jahr. Der von der Regierung angekündigte Energiekostenausgleich als Einmalzahlung deckt die gestiegenen Energiepreise nur teilweise. Eine Abgeltung des bereits entstandenen und noch bevorstehenden Kaufkraftverlustes ist dringend notwendig.

Vor allem die Energieunternehmen befinden sich in einer Gewinn-Preisspirale, Unternehmen die kostengünstig Energie mit Wind- oder Wasserkraft bzw. Sonnenenergie erzeugen, profitieren genauso von den steigenden Preisen wie die Mineralölkonzerne[8], letztere erhöhen ihre Gewinnspanne um das 1,5fache[9]. Sogar die Preise für Holzpellets sind auf einem Rekordhoch, weil die Erzeuger auf gestiegene Herstellungskosten verweisen, dabei galten Pellets als von der Preisentwicklung im Ausland unabhängige Brennstoffe.[10]

Auch bei den strukturellen Maßnahmen bleibt die Regierung alles schuldig. Aus dem viel beschworenen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist bis heute kein einziger Euro geflossen, der Ökostromausbau steht still. Seit Juli 2021 warten die Ökostromerzeuger vergebens auf die nötigen Verordnungen für die Förderrichtlinien. Einen Plan für die Reduktion fossiler Energieträger und zur Stärkung der Versorgungssicherheit hat die Regierung ebenso wenig vorgelegt. Außer Sightseeing in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten hat die Regierung noch nichts vorzuweisen, was die Diversifizierung der Gasversorgung betrifft. Während die deutsche Bundesregierung bereits innerhalb eines Monats die Abhängigkeit von russischem Erdgas von 55% auf 40% verringert hat und die Abhängigkeit von russischer Kohle bereits halbiert hat, sind seitens der österreichischen Bunderegierung weder ein entsprechender Plan, noch konkrete Ergebnisse bekannt. Bei der Umsetzung der europäischen Energiespar-Vorgaben ist die Regierung überhaupt seit 22 Monaten säumig, das Energieeffizienzgesetz ist dementsprechend mit 31.12.2020 ersatzlos ausgelaufen.

Während die Menschen unter den hohen Energiepreisen ächzen, verdient der Finanzminister dieses Jahr bis zu 50% mehr aus Mehrwertsteuereinnahmen auf Strom und Gas - statt 800 Mio. Euro sind 1,2 Mrd. Euro prognostiziert. Die Regierung beobachtet nur und verteilt Einmalgutscheine. Das zuletzt vorgestellte Paket der Bundesregierung gegen die Teuerung ist viel zu wenig. Es ist ungerecht, weil Pendler im oberen Einkommensbereich bevorzugt werden, es ist nichts gegen die Preissteigerungen im Lebensmittelbereich und beim Wohnen vorgesehen und ein wesentlicher Teil der Maßnahmen wirkt erst in ein paar Monaten oder Jahren, und nicht jetzt sofort.

Finanzminister Brunner hält nichts von Preisdeckeln,[11] und schlimmer noch, er verlangt von den Gewerkschaften Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen, damit es nicht zu eine Lohn-Preis-Spirale komme[12] – wie man aber gerade sieht, steigen die Preise zuerst. Wie sollen sich die Menschen das alltägliche Leben leisten könnten, wenn die Löhne- und Gehälter nicht angepasst werden? Bei sich selbst übt die Bundesregierung weniger Zurückhaltung: Unter der ÖVP-Kanzlerschaft konnte man beobachten, dass es im eigenen Politapparat statt „Sparen im System“ nur ein „koste es was es wolle“ gibt. Die Personalkosten für neu geschaffene Generalsekretariate, aufgeblasene Kabinette und ein Heer von Pressesprechern auf Steuerzahlerkosten stiegen drastisch, von 2017 bis 2021 von 25 Mio. € auf 39 Mio. €. Noch schlimmer das Bild bei den Werbe- und PR-Ausgaben, diese explodierten zwischen 2017
(27 Mio. €) und 2020 um 46 Mio. € auf 73 Mio. €. Mit diesen jährlichen Mehrausgaben gegenüber sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen könnte man zum Beispiel die längst notwendige Inflationsanpassung der Studienförderung mehr als zweimal finanzieren. 

 

Die Versäumnisse der Bundesregierung sind zahlreich, es gibt

-       keine Preisregulierung der Treibstoffe, obwohl diese gesetzlich geboten gewesen wäre (§ 5a Preisgesetz),

-       keine wirksame temporäre Streichung der Verbrauchssteuern auf Strom, Erdgas und Treibstoffe,

-       keine Abschöpfung der Übergewinne bzw. Krisengewinne bestimmter Energieversorger,

-       keine Aussetzung der Mieterhöhungen,

-       keinerlei Maßnahmen bei den Pensionen, bei der Sozialhilfe/Mindestsicherung, beim Arbeitslosengeld,

-       keine Umstellung des Pendlerpauschales, sodass alle für dieselbe Wegstrecke dasselbe bekommen

-       und nur eine unzureichende Senkung der Einkommensteuer in den unteren und mittleren Steuerstufen.

Friedliche und stabile Gesellschaften zeichnen sich durch möglichst breite und wohlhabende Mittelschichten aus. Diese Regierung sorgt aber für die Verarmung der mittleren Einkommen. Die ÖVP-Grüne-Bundesregierung bekämpft die Teuerung nur unzureichend, und lässt es zu, dass die Preissteigerung nach den Treibstoff- und Heizkosten jetzt auch auf Wohnen und Lebensmittel überspringt. Gleichzeitig beschließt die ÖVP-Grüne-Bundesregierung die Senkung der Körperschaftsteuer in Milliardenhöhe und plant Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten von der Kapitalertragsteuer zu befreien.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Paket mit sofort wirkenden Maßnahmen gegen die Teuerung zuzuleiten. Dabei sollen Maßnahmen zur Erhöhung der Einkommen, Dämpfung der Preissteigerungen, mehr Verteilungsgerechtigkeit und für eine zukunftsorientierte Energiepolitik kombiniert werden:

(1) Erhöhung der Einkommen:  

-       Senkung der Steuern auf Arbeit, damit die Menschen pro Jahr 1.000 € mehr Netto-Einkommen erzielen,

-       ökologische Reform des Pendlerpauschales durch Umwandlung in einen gerechten kilometerabhängigen Absetzbetrag für Pendler*innen mit kleinen und mittleren Einkommen sowie Valorisierung des Kilometergeldes,

-       Vorziehen der Pensionserhöhung für alle Pensionist*innen spätestens ab Mitte 2022,

-       Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letzteinkommens, jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes und Verdreifachung des Familienzuschlages,

-       Valorisierung der Studienförderung für Studierende.

 

(2) Dämpfung der Preissteigerungen:

-       Sofortige Rücknahme der Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten,

-       Vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer im Bereich Treibstoffe, Strom und Gas,

-       Festlegung einer Preisobergrenze für Treibstoffe durch die Wirtschaftsministerin,

-      und Festlegung eines Preisdeckels bei Strom und Gas für Personen mit geringeren Einkommen, finanziert durch Abschöpfung überhoher Gewinne bestimmter Erzeuger,

-       Überwachung aller Preise durch umfassendes Monitoring und empfindliche Strafen für die Nichtweitergabe von Steuersenkungen.

(3) Maßnahmen für mehr Verteilungsgerechtigkeit:

-       Außerordentliche Erhöhung der Mindestpensionen (Ausgleichszulage) und damit auch der Mindestsicherung,

-       Abschöpfung der Krisengewinne und finanzieller Beitrag der Energiekonzerne, die in der Krise Übergewinne machen,

-       Rücknahme der Pläne zur Kapitalertragsteuerbefreiung von Aktien- und Fondsgewinnen sowie

-       Rücknahme der Körperschaftsteuersenkung.

(4) Zukunftsorientierte Energiepolitik:

-        Erneuerbaren-Ausbau endlich umsetzen – Erlassung der fehlenden Verordnungen,

-       Steigerung der Energieeffizienz – Energieverschwendung stoppen und Kostenbelastung senken,

-       einen klaren Zeitplan für alternative Gas-Quellen und Ausstiegsszenarien für die einzelnen Sektoren (Raumwärme, Industrie, etc.) vorlegen, damit künftige Preis-Schocks vermieden werden können,

-       wirksame Hilfe beim Ausstieg aus der Erdgasnutzung für Haushalte.

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.



[1] https://www.statistik.at/web_de/presse/127934.html

[2] https://www.statistik.at/web_de/presse/index.html?cat1=18&dmin=04.01.2022&dmax=04.04.2022

[3] https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/main/news/euro-indicators

[4] Tageszeitung Die Presse, 2.4.2022

[5] Felbermayer (Wifo) in https://kurier.at/politik/inland/wifo-chef-bei-gas-oel-importstopp-waere-ganz-oesterreich-in-rezession/401951323

[6] Statistik Austria, 17.03.2022

[7] https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/
verbrauchsausgaben/konsumerhebung_2019_2020/126015.html

[8] https://awblog.at/energiepreiskrise-und-gewinn-preis-spirale-bremsen-konjunktur/

[9] https://www.momentum-institut.at/news/benzinpreise-mineraloelkonzerne-vervielfachten-gewinnspanne

[10] https://www.sn.at/salzburg/wirtschaft/preisexplosion-auch-pellets-sind-in-salzburg-jetzt-teuer-wie-nie-zuvor-119383336

[11] Kleine Zeitung, 25.03.2022

[12] Tiroler Tageszeitung, 01.04.2022