2436/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Troch, Mag. Yildirim

Genossinnen und Genossen

 

betreffend Maßnahmenvollzug – grobe menschenrechtswidrige Missstände - Reformstau

Nachdem der Umgang Österreichs mit „geistig abnormen Rechtsbrechern“ vom EGMR bereits in den Jahren 2015 und 2017 als rechtswidrig eingestuft wurde, ist eigentlich unumstritten, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die menschenrechtswidrige Rechtslage und Praxis endlich zu beenden.

So ist auch auf der Homepage des BMJ folgendes zu lesen:

31. Mai 2021

Reformpaket: Erstmals wesentliche Veränderungen im Maßnahmenvollzug seit 50 Jahren

Justizministerin Alma Zadić präsentiert Maßnahmenvollzugsreform

„Der heutige Tag ist ein historischer. Seit fast 50 Jahren ist der Maßnahmenvollzug in Österreich in seinem Kernbestand unverändert. Heute bringen wir eine umfassende und tiefgreifende Reform des Maßnahmenvollzugs auf den Weg.“, so Alma Zadić im Rahmen der vergangene Woche gehaltenen Pressekonferenz zum Thema Maßnahmenvollzugsreform.

Der Zweck des Maßnahmenvollzugs ist es, dass Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung gefährlich sind und eine Straftat begangen haben, angemessen untergebracht und therapiert werden.  Aufgrund der in den vergangenen Jahren unterbliebenen Reformen, kam es im Maßnahmenvollzug jedoch zu schwerwiegenden Defiziten. So sind beispielsweise etwa 40% der aktuell untergebrachten Personen aufgrund eines minderschweren Delikts untergebracht. Außerdem wurden Jugendliche gleich behandelt wie Erwachsene und durch eine Unterbringung oftmals ihrer Chancen und Perspektiven für ihr weiteres Leben beraubt. Situationen, die auch bei vielen Expert*innen und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Kritik führten.

Das Justizministerium nahm sich dieser Kritik an und legte die - so dringend notwendige – Maßnahmenvollzugsreform vor.

Der erste Teil der Reform zielt insbesondere darauf ab, Unterbringungsvoraussetzungen treffsicherer zu formulieren. So wurde als neue Untergrenze die Begehung einer Straftat formuliert, die mit mehr als drei Jahren Haftstrafe bedroht ist. Mit einer wichtigen Ausnahme: Falls eine besonders hohe Gefährlichkeit von Täter*innen für die Rechtsgüter Leib, Leben, sexuelle Integrität und sexuelle Selbstbestimmung vorliegt, ist eine Unterbringung auch wegen Straftaten möglich, die mit 1-3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind.

Der erste Teil der Reform geht nun in die sogenannte „Begutachtungsphase“ und es können Stellungnahmen abgegeben werden. Der zweite Teil wird nun legistisch im Justizministerium finalisiert und anschließend in Begutachtung geschickt.

Justizministerin Alma Zadić betont: „In Zukunft werden Personen, die eine echte Gefahr für die Gesellschaft darstellen, weiterhin zuverlässig untergebracht und betreut werden. Zugleich werden nicht gefährliche Personen nicht mehr im Maßnahmenvollzug untergebracht werden. Mit der Reform erhöhen wir die Sicherheit unserer Gesellschaft und machen den Maßnahmenvollzug menschenrechtskonformer.“

Im Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2020, Band Präventive Menschenrechtskontrolle, wird unter Punkt 2.5.9 Maßnahmenvollzug zusammenfassend folgendes ausgeführt:

„Die Zahl der Straftäter, über die Gerichte eine freiheitsentziehende vorbeugende Maßnahme verhängten, ist nach wie vor im Steigen. Der besondere Behandlungs- und Betreuungsbedarf dieser Personengruppe sowie das Gebot, sie von Strafgefangenen zu trennen, stellt die Justizverwaltung vor immer größere Herausforderungen. Oft müssen Untergebrachte nach Rechtskraft ihres Urteils geraume Zeit warten, bis ein Platz in jener Einrichtung frei wird, für die sie vorgesehen sind. Hinzu kommen die defizitären materiellen und personellen Rahmenbedingungen in den Zielanstalten. Waren es in den vergangenen Jahren vorwiegend Wahrnehmungen aus den JA, die in den Bericht des NPM Eingang fanden, so häuften sich in dem Berichtzeitraum kritische Schilderungen von Zuständen in den öffentlichen Krankenanstalten, in denen psychisch kranke Rechtsbrecher vorläufig oder dauerhaft untergebracht sind. Auch diesbezüglich zeigt sich ein Investitionsbedarf.“

Nach dem Allgemeinen Teil im Bericht der Volksanwaltschaft werden eine Reihe von Sachverhalten dargestellt, die die menschenrechtswidrigen Vorgänge im Maßnahmenvollzug untermauern.

Der dringende Handlungsbedarf, der sich aus der vom EGMR, der von Volksanwaltschaft und Expert*innen festgestellten menschenrechtswidrigen Zustände im Maßnahmenvollzug ergibt, ist also – auch laut der zuständigen Bundeministerin – offensichtlich gegeben, dennoch dürften dringend notwendige gesetzliche Änderungen an Blockaden innerhalb der Bundesregierung scheitern. Dies zeigte sich auch in der Fragestunde des Nationalrates am 24.2.2022, in welcher Justizministerin Alma Zadić die Reform des heimischen Maßnahmenvollzugs als ihr großes Anliegen bezeichnete und wörtlich festhielt: "Wir wissen, dass hier vieles im Argen liegt".

Zur Erinnerung: Ein Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Strafregistergesetz 1968 geändert werden (Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021) (128/ME) ging am 26.5.2021 in Begutachtung, welche am 6.7.2021 endete. Insgesamt gingen 68 Stellungnahmen ein, die von prominenten Stellen wie

·         Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

·         Österreichischer Behindertenrat

·         Sozialpartner

·         Kinder- und Jugendanwaltschaften

·         diverse Gerichte vom OGH abwärts sowie die Standesvertretung der Staatsanwält*innen

·         Rechtsanwaltskammertag

·         Hauptverband der Gerichtssachverständigen

·         Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen und diverse Krankenanstaltsträger

·         Bundesländer oder

·         Datenschutzrat

stammten.

Dennoch liegt dem Nationalrat bis heute keine diesbezügliche Regierungsvorlage vor. Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz folgenden

 

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, umgehend die menschenrechtswidrigen Zustände im Bereich des Maßnahmenvollzuges zu sanieren, dafür die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen und dem Nationalrat möglichst zeitnahe eine Regierungsvorlage zu übermitteln, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Maßnahmenvollzuges den menschenrechtlichen Standards und den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte