2445/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Grundrechtskonforme Chatkontrolle

 

Überwachungsmaßnahmen jeder Art, die in die Privatsphäre der Bürger_innen eingreifen, sind auf Grund ihrer Eingriffsintensität mit großem Bedacht anzuordnen. Generell dürfen Eingriffe in die private Kommunikation von Personen nur auf der Grundlage eines individuellen Verdachts vorgenommen werden: Jeder Eingriff in die private Kommunikation muss auf der Grundlage eines spezifischen, begründeten und individuellen Verdachts erfolgen, wie er gesetzlich vorgeschrieben ist und gerichtlich überwacht wird, um gerechtfertigt zu sein.

Nichtsdestotrotz plant die EU-Kommission im Kampf gegen Kinderpornografie, auf ein umstrittenes Instrument zurückzugreifen: die flächendeckende automatisierte Analyse privater Kommunikation. EU-Kommissarin Ylva Johansson will dem EU-Parlament einen Gesetzesentwurf vorlegen, der es den Chat- und Messenger-Providern ermöglicht, private Chats, Nachrichten und E-Mails massenhaft, anlass- und unterschiedslos auf verdächtige Inhalte zu durchsuchen um die Strafverfolgung von Kinderpornographie zu erleichtern. Die Konsequenz: Massenüberwachung durch vollautomatisierte Echtzeit-Chatkontrolle und damit die Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses.

Mit der geplanten EU Verordnung soll eine Verpflichtung für Privatunternehmen geschaffen werden, das Scannen sämtlicher digitaler Kommunikation aller Nutzer_innen durchzuführen. In Zukunft sollen damit die Algorithmen von Unternehmen wie Facebook, Google und Microsoft entscheiden, welche Inhalte als verdächtig eingestuft werden und welche nicht. Dabei geht es nicht nur um Bilder, sondern auch bestimmte Wort-Kombinationen, die den Chatfiltern verdächtig erscheinen. Damit sehen sich Privatunternehmen gezwungen Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich der Polizei bzw. den Behörden unterliegen. In einem Rechtsstaat gehört die Ermittlung von Straftaten aber in die Hände unabhängiger Beamter unter gerichtlicher Aufsicht. Der Staat wälzt damit klar seine Verantwortung, die Rechte der Kinder zu wahren, auf private Konzerne, die überhaupt nicht darauf ausgelegt sind Missbrauchsverbrechen aufzuklären, ab. Stattdessen wäre es angebracht verdeckte Ermittlungen von staatlichen Einrichtungen zu verstärken.  

Darüber hinaus zeigt ein Rechtsgutachten der ehemalige EuGH-Richterin, Prof. Dr. Ninon Colneric, auf, dass die EU-Gesetzesvorhaben zur Chatkontrolle nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen und die Grundrechte aller EU-Bürger_innen auf Achtung der Privatsphäre, auf Datenschutz und auf freie Meinungsäußerung verletzen (https://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2021/03/Legal-Opinion-Screening-for-child-pornography-2021-03-04.pdf). 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für das Zustandekommen einer grundrechtskonformen Lösung für die geplante EU Verordnung zur Chatkontrolle unter Achtung des Rechtes auf Privat- und Familienleben sowie der Wahrung des Rechtes auf Datenschutzes einzusetzen."  

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.