2480/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Henrike Brandstötter,

Kolleginnen und Kollegen

Betreffend: Stärkung der Unabhängigkeit des ORF

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt als rot-weiß-rotem Leitmedium und Quelle hochwertiger Information im Internetzeitalter mit all seinen medienpolitischen Umbrüchen und Verwerfungen eine besondere Rolle zu. Die Unabhängigkeit des ORF ist daher die Fahnenfrage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn davon hängt ab, ob der ORF auch in Zukunft als journalistisches Leitmedium in Österreich anerkannt wird. Der ORF lebt durch seine Mitarbeiter*innen. Diese bilden das Herz des Unternehmens und müssen optimale Rahmenbedingungen für ihre kritische und engagierte Arbeit vorfinden. Aufgabe der Politik ist es, sicherzustellen, dass der ORF und seine Journalist*innen unabhängig arbeiten können. Aufgabe der Politik ist es nicht, sich in die journalistische Arbeit einzumischen und politischen Druck auszuüben.

Zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen müssen die Strukturen des ORF den Anforderungen eines Medienunternehmens im 21. Jahrhundert angepasst und eine umfassende Digitalisierungsstrategie erarbeitet werden. Das bedeutet, dass es einer flexiblen und klaren Organisation bedarf, die journalistisches Arbeiten bestmöglich unterstützt. Nur so kann sichergestellt werden, dass der ORF auch zukünftigen Generationen als rot-weiß-rotes Leitmedium erhalten bleibt. Eine Novelle des ORF-Gesetzes muss die Strukturen des ORF dahingehend stärken, dass die parteipolitische Einflussnahme zurückgedrängt wird und die Journalist*innen wirklich unabhängig arbeiten können.

Erst kürzlich ist die Bestellung des ORF-Stiftungsrates wieder einmal in die Kritik geraten. ORF-Anchorman Armin Wolf argumentierte in einem Blog-Beitrag, dass der aktuelle Bestellungsmodus der österreichischen Verfassung widerspreche und beruft sich dabei auf Christoph Grabenwarter, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Wolf argumentiert mit Berufung auf Grabenwarter, dass eine zu große Mehrheit von Vertreter*innen der Regierungsparteien gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Auch wenn der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt diese Interpretation in einer Stellungnahme anzweifelt, gilt es, den aktuellen Bestellungsmodus des Stiftungsrates zu hinterfragen.

Die 35 Mandate im Stiftungsrat des ORF beschicken aktuell laut Gesetz: Bundesregierung (9), Parteien im Nationalrat (6), Bundesländer (9), ORF-Betriebsrat (5) und ORF-Publikumsrat (6). Die Regierungsparteien bestimmen neben neun Regierungsmandaten zumindest drei der sechs Parteimandate und sechs Mandate des ORF-Publikumsrats. Die Mehrheit im ORF-Publikumsrat bestimmt der Bundeskanzler oder die Medienministerin – aus Vorschlägen gesellschaftlicher Gruppen. Dieser Bestellungsmodus bedeutet aktuell, dass ÖVP-nahe Räte allein die einfache Mehrheit haben, mit der sie etwa 2021 die Bestellung von Roland Weißmann zum Generaldirektor bestimmt haben. Diese Mehrheitsverhältnisse werden sich durch den im Mai 2022 neu zu bestellenden Stiftungsrat nicht wesentlich ändern.

Anhand dieser letzten Bestellung des ORF-Generaldirektors zeigte sich deutlich, dass das noch auf Schwarz-Blau zurückgehende ORF-Gesetz es der ÖVP ermöglicht, überproportionalen Einfluss auf die Generaldirektorwahl und somit auf die Zukunft des ORF zu nehmen. Die Zusammensetzung des Stiftungsrates entspricht auch nicht der politischen Situation in Österreich. Der aktuelle Generaldirektor steht daher unter strenger Beobachtung, ob er personelle und inhaltliche Unabhängigkeit garantieren kann. Leider gibt es in anderen EU-Staaten einige negative Beispiele, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk massiv politisch instrumentalisiert wird. Die ORF-Gremien müssen so organisiert sein, dass diese resilient gegen solche Bestrebungen sind und die Unabhängigkeit des ORF langfristig sichergestellt ist.

Die Bestellung des Stiftungsrates und die Wahl des/der Generaldirektors/Generaldirektorin müssen daher auf neue Beine gestellt werden. Es braucht eine Gremienreform, die stärker auf Unabhängigkeit ausgerichtet ist. Die Leitung des größten und wichtigsten Medienunternehmens des Landes kann nicht von einer einzigen Partei bestimmt werden. Hier müssen Expertise, Transparenz und Unabhängigkeit im Vordergrund stehen. Möglich wäre das durch die stärkere Einbeziehung repräsentativer Organisationen und Repräsentant*innen der Zivilgesellschaft wie NGOs, Sozialorganisationen oder Vertreter*innen der Filmschaffenden- und Produzent*innen und der Wissenschaft. Auch eine Vergabe von Stiftungsratsplätzen an Bürger*innen per Los wäre eine Möglichkeit, die es zu diskutieren gilt. Außerdem müsste die Wahl des/der Generaldirektors/ Generaldirektorin geheim erfolgen und der Bestellungsprozess insgesamt transparent sein. Jedenfalls braucht es Ausschreibungen und öffentliche Hearings. Es ist bezeichnend, dass sich bei der Bestellung des neuen Generaldirektors kaum namhafte internationale Persönlichkeiten beworben haben und ein Signal dafür, wie die Unabhängigkeit des ORF außerhalb von Österreich eingeschätzt wird. Die aktuelle Unternehmensstruktur des ORF ist nicht die, die es braucht für ein modernes Medienhaus, schon gar nicht für ein öffentlich-rechtliches. Es braucht klare, transparente und moderne Governance-Strukturen und transparente Geschäftsberichte.

Neue rechtliche Rahmenbedingungen gilt es dringend auch im Digitalbereich zu schaffen. Das Medienkonsumverhalten ändert sich, vor allem die junge Generation informiert sich weniger über lineares Fernsehen als im Internet. Derzeit kann der ORF aufgrund seiner gesetzlichen Einschränkungen auf die neuen Nutzungsgewohnheiten seines Publikums nur sehr eingeschränkt reagieren. Angestrebt werden soll eine Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Auftrags, die Aufhebung der übermäßigen Beschränkungen des Online-Angebots, digitale Entwicklungsfreiheit und Ermöglichung neuer Angebote, Zugänge und Kanäle inklusive online first und digital only, um der modernen Mediennutzung des Publikums und den massiven technologischen Entwicklungen gerecht werden zu können. Für die optimale Verbreitung journalistischer Inhalte ist es notwendig, auf allen Plattformen präsent zu sein. Die Rahmenbedingungen müssen so sein, dass es dem ORF ermöglicht wird, ins digitale Zeitalter zu gehen.


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Entwurf für eine Novelle des ORF-Gesetzes vorzulegen, mit der die Strukturen des ORF den Anforderungen eines Medienunternehmens im 21. Jahrhundert angepasst werden und die eine klare, transparente und moderne Governance-Struktur vorsieht, welche die Unabhängigkeit des ORF nachhaltig sichert. Darüber hinaus ist eine Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Auftrags im digitalen Bereich und die Aufhebung der übermäßigen Beschränkungen des Online-Angebots vorzusehen.“

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss