2521/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 18.05.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen

betreffend touristische Raumplanung: Innovationskraft des Tourismus stärken, statt Status einzufrieren!

Am 2.5.2022 wurde berichtet, dass in Südtirol Bettenobergrenzen eingeführt werden sollen (1). Auch im Tirol befinden sich aktuell ähnliche Vorschläge in Vorbereitung. Mario Gerber, ÖVP-Abgeordneter im Tiroler Landtag, Obmann der Fachgruppe Hotellerie in der Wirtschaftskammer Tirol und selbst Hotelier, gab an, dass eine landesrechtlich verankerte Bettenobergrenze für Tourismusbetriebe geprüft wird (2). Als Obergrenze soll gelten: 330.000 Betten in ganz Tirol und maximal 300 Betten pro Betrieb. Noch im August 2021 sprach Landeshauptmann Platter davon, dass eine gesetzliche Grenze rechtlich nicht möglich sei und auch keine Beschränkungen im Raumordnungsgesetz vorgesehen sind (3). Mag. Dr. Oliver Fritz, Tourismusexperte des WIFO, zeigt sich im Ö1 Morgenjournal am 3.5.2022 skeptisch bezüglich einer gesetzlich verankerten Maximalzahl an Betten, da dabei zu wenig auf regionale Besonderheiten Rücksicht genommen wird. Zudem wird das Thema Tagestouristen, die in der öffentlichen Wahrnehmung einen wesentlichen Beitrag zum Gefühl des Overtourism beitragen in diesen Überlegungen nicht berücksichtigt.

Der Experte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Anzahl an Betten allein zur Bekämpfung von sog. Overtourismphänomenen eben nicht ausreicht. Viele Regionen leiden insbesondere unter einem starken Andrang von Tagestouristen, die jedoch weniger Wertschöpfung und weniger Nächtigenden in den betroffenen Gemeinden bringen oder Arbeitsplätze sichern. Dieser wichtige Faktor müsse somit auch berücksichtigt werden. Barcelona hat z.B. auch eine Bettobergrenze eingeführt, mit dem Effekt, dass jetzt am Stadtrand gebaut wird und die Probleme in der Stadt selbst gleich geblieben sind.

Die Vorstöße von Gemeinden und Bundesländern zu Bettenobergrenzen können auf lange Sicht zu einem Flickenteppich derartiger Regulieren führen, welche keinen touristischen Fortschritt bringen oder sinnvolle langfristige Ziele verfolgen. Das größte Problem, die Neu- und Umwidmungen von Projekten in den Gemeinden, bleibt dabei unberücksichtigt. Bettenobergrenzen sind als Kapitulation vor einer nicht funktionierenden Raumplanung zu bewerten. Um diesem Problem zu begegnen, braucht es stattdessen ein überregionales Raumordnungskonzept, welches unter Berücksichtigung von Umweltaspekten und den Anliegen der lokalen Bevölkerung die Grenzen des Wachstums und Entwicklungsziele definiert. 

Tourismus bringt nicht nur Wertschöpfung, sondern auch regionale Entwicklung und Potenziale für lebenswerte Gemeinden, Täler und Städte. Vom gemeinsamen Planen touristische Infrastruktur, Mobilitätsangeboten, Kultur- und Freizeitangeboten profitieren sowohl für Bürger_innen als auch touristische Betriebe. Den Zusammenhang zu verstehen, bringt viele Chancen für alle Beteiligten. Touristische Angebote an der Bevölkerung vorbeizuplanen, ist jetzt und langfristig keine nachhaltige Strategie. Bettenobergrenzen führen möglicherweise zu einem veralteten und starren Angebot, zum Investitionsstopp, zur einseitigen Bevorzugung von Bestandsbetrieben und insgesamt zu einer Verschlechterung des touristischen Angebots. Es wird also die Qualität des Angebots, mit dieser Maßnahme allein, nicht steigen. Ganz im Gegenteil ist sogar eine Verschlechterung, aber mind. ein Einfrieren des Status quo zu befürchten. Langfristig bedeutet das, veraltete Betriebe werden gehalten und neue Angebote, die den Bedürfnissen der Gäste entsprechen, nicht entstehen. Die Forderung mag auf den ersten Blick attraktiv klingen, ist aber letztlich nicht zielführend und langfristig schädlich für die Attraktivität des Tourismuslands Österreich. 

Der Bundesminister sowie die Staatssekretärin für Tourismus sollen die Weichen für eine Stärkung der Innovationskraft des Tourismus in Österreich setzen. Qualitätsvoller Tourismus braucht Rahmenbedingungen. Die Bundesregierung, insbesondere Bundesminister Kocher und Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, soll sich für die Ausarbeitung ganzheitliche Raumentwicklungspläne über die zukünftige Ausrichtung im Tourismus einsetzen, die sowohl regionale Diversität anerkennen, als auch Anliegen der lokalen Bevölkerung, ökologische Aspekte, innovative Entwicklungsmöglichkeiten und wo notwendig, den Faktor Tagestourismus umfassend berücksichtigen. Auf Bundesebene soll endlich ein Maßnahmenpaket vorgelegt werden, welches eine Um- und Nachnutzung von Hotelbetrieben ermöglicht. So können gezielt Betriebe, deren Geschäftsgang keine Innovation mehr ermöglicht, umgenutzt werden und dringend benötigten Platz für Alternativen schaffen - z.B. statt Neubauten für Personalzimmer stillgelegte Hotels nutzen. Die neuen Richtlinien für die gewerbliche Tourismusförderung sollen dahingehend gezielt innovative Projekte fördern. 

 

Quellen:

1.    https://kurier.at/wirtschaft/suedtirol-will-umstrittene-betten-obergrenze-im-tourismus-einfuehren/401993121

2.    https://tirol.orf.at/stories/3151856/

3.    https://www.derstandard.at/story/2000129025866/bettenobergrenze-fuer-tirol-rechtlich-nicht-moeglich

4.    https://oe1.orf.at/player/20220503/678138/1651554701000

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, die Weichen für eine Stärkung der Innovationskraft des Tourismus setzen. Dafür soll sie sich für die Ausarbeitung ganzheitliche Raumentwicklungspläne über die zukünftige Ausrichtung im Tourismus einsetzen. Auf Bundesebene soll ein Maßnahmenpaket vorgelegt werden, welches einen anhaltenden strukturellen Wandel im Tourismus fördert, z.B. durch Um- und Nachnutzung von Hotelbetrieben oder Anreize für Initiativen im Bereich überbetrieblicher Infrastruktur."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Tourismusausschuss vorgeschlagen.