2528/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 18.05.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Präventionsorientierte Suchtpolitik
Österreich steht in den internationalen Suchtstatistiken traditionell schlecht da. Im OECD-Vergleich liegt Österreich beim Anteil der Raucher auf Platz 10 (1), beim Alkoholkonsum auf Platz drei in der EU (2). Auch das Abwassermonitoring für Österreich zeigt: Kokain, Amphetamin und Methamphetamin lassen sich in ganz Österreich nachweisen. Je nach Klassifikation von Suchtmitteln lässt sich zusammenfassend sagen: Ein Glas Wein, drei Zigaretten, ein halber Joint und ein Milligramm aufputschender Drogen werden täglich konsumiert (3). Je nach Stigma für das jeweilige Mittel ist diese Gewohnheit gesellschaftlich aber schon akzeptiert und die Pandemie hat dieses Verhalten nicht verändert - im Gegenteil.
Laut Global Drug Survey 2020 haben 41 Prozent der Österreicher seit Ausbruch der Pandemie häufiger als zuvor Alkohol konsumiert, 43 Prozent auch häufiger alleine. Mehr Zeit und Langeweile, Ängste und Einsamkeit zeigten sich als verbreitete Gründe - ebenso wie schlicht und ergreifend die Verfügbarkeit(4). Mehr Lieferdienste und internationaler Warenverkehr sind auch laut Europäischem Drogenbericht wichtige Faktoren, warum die Verfügbarkeit von Suchtmitteln steigt (5). Besonders in Kombination mit der geringeren Verfügbarkeit von Beratungsangeboten und Präventionsprogrammen, zeigt das hier ein Umdenken nötig ist. Reine Verbote wirken diesen Erkenntnissen zufolge schließlich nicht ausreichend, ein Umdenken in der Suchtpolitik scheint dementsprechend angebracht.
Das Isländische Präventionsmodell
An internationalen Beispielen orientiert sieht man, dass eine Suchtpolitik, die auf psychischer Gesundheit als Prävention basiert, weitaus mehr Erfolge bringt - wie beispielsweise in Island. Nachdem Jugendliche in Island in den 1990ern exzessiv zu Alkohol- und Drogenkonsum neigten, ging das Land einen evidenzbasierten Weg. Sozialwissenschafter suchten nach den Ursachen für den hohen Konsum und gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern wurde ein präventionsorientiertes Modell entwickelt (6). Jugendentwicklung orientiert sich nun an positiven Anreizen, Unterstützung und Begleitung sind die Kernelemente. Jugendliche sollen so von der Gesellschaft auf sinnvolle Gemeinschaftsaktivitäten gebracht werden, Sport und positive Erfahrungen das Gehirn auf einen "natürlichen Kick" trainieren. Unabhängig davon, ob im Unterricht, in der Schülerbetreuung oder im außerschulischen Bereich in Freizeitorganisationen. Mit diesem Konzept konnten Drogenkonsum und die Häufigkeit von Alkoholintoxikationen flächendeckend reduziert werden. Anstelle von 42 Prozent aller Jugendlicher im Jahr 1998 gaben 2016 nur noch fünf Prozent an, im Vormonat einmal betrunken gewesen zu sein. Auch der Cannabiskonsum sank von 17 auf sieben Prozent und der Anteil der täglichen Raucher ging von 23 auf drei Prozent zurück (7).
In Österreich dagegen hat Suchtprävention nicht einmal einen eigenen Budgetposten, sondern wird mit Gesundheitsprävention (mit geringem Budget) mitgedacht, im Drogenbericht finden sich lediglich die Ausgaben zur Behandlung von Suchterkrankungen. Soweit aus der Vergangenheit eruierbar ist, wird ein Großteil der Kosten von den Bundesländern übernommen, vom Bund wurden für das Jahr 2016 rund 160.000 Euro als Investition in Prävention angeführt. Vergleicht man dies mit den Ausgaben der Länder (6,2 Millionen) oder den Behandlungskosten des BMJ für Suchterkrankungen (8,41 Millionen im Jahr 2016), kann dem Gesundheitsministerium eindeutig ein mangelndes Interesse an ordentlicher Präventionspolitik vorgeworfen werden. Vergessen wird dabei aber, dass Präventionskosten nicht nur mit Kosten für die Suchtbehandlung selbst, sondern auch mit resultierenden körperlichen Schäden, psychischen Folgeschäden für Patienten und deren Umfeld und teilweise auch resultierender Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit gegengerechnet werden muss. In der Gesamtrechnung zeigt sich also, dass Prävention immer die niedrigeren Ausgaben bedeutet.
Handlungsbedarf als Pandemielehre
Die offensichtlich diskutierten Lehren aus der Pandemie - die lediglich auf bereits vorhandene Probleme verweisen - wie eine Stärkung von Health-Literacy, eine Berücksichtigung von psychischer Gesundheit als Aspekt der Gesundheit, stärkerer Fokus auf Sport und Ernährung zur Gesundheitsprävention bieten sich daher an, nicht nur zur Förderung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, sondern auch aktiv als Mittel zur Suchtprävention genutzt zu werden. Wie sich in Island (und vielen anderen Staaten) zeigt, führt eine aktive Suchtpolitik über Bewusstseinsschaffung zu besseren Ergebnissen als eine reine Verbotskultur.
Ermöglicht man Kindern und Jugendlichen früh zu begreifen, welche natürlichen Stimulanzien - wie eben Sport - das psychische und physische Wohlbefinden steigern, gibt es weniger Bedarf nach künstlichen Anregern. Ebenso ist ein größerer Fokus auf psychische Gesundheit und ein gesundes, soziales Umfeld nicht nur ein Garant für psychische Gesundheit, sondern reduziert auch das Bedürfnis, ungesunde Verdrängungs- und Bewältigungsmechanismen auszubilden. Die nunmehr zunehmende Diskussion über den gesundheitlichen Zustand der Bevölkerung sollte deshalb nicht nur bei körperlichen Erkrankungen, sondern auch im Bereich der Suchtprävention genutzt werden.
1. https://www.oecd-ilibrary.org/sites/611b5b35-en/index.html?itemId=/content/component/611b5b35-en#:~:text=Across%20OECD%20countries%2C%2016.5%25%20of,%2C%20Mexico%2C%20Iceland%20and%20Norway.
2. http://www.apo.or.at/de/aktuelles/beim-alkoholkonsum-liegt-oesterreich-im-eu-vergleich-auf-platz-drei/
3. https://www.meinbezirk.at/c-lokales/diese-drogen-werden-in-oesterreich-konsumiert_a5218933
4. https://www.praevention.at/news/news-detail/alkohol-wird-oefter-alleine-getrunken
5. https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/13238/TD0420439DEN.pdf
6. https://planetyouth.org/the-method/
7. https://mosaicscience.com/story/iceland-prevent-teen-substance-abuse/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und
Konsumentenschutz, wird aufgefordert, eine österreichische Suchtstrategie
basierend auf dem isländischen Modell zu entwickeln und in diesem Sinne
Präventionskonzepte über Sport, Sozialarbeit und psychische
Gesundheit zu erarbeiten."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.