2598/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 19.05.2022
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Entschließungsantrag
des Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Peter Wurm, Walter Rauch
und weiterer Abgeordneter
betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie
Grundsätzlich sollen Patente technische Erfindungen und innovative Produkte vor Nachahmung schützen können. Umwelt- und Saatgutschützer kritisiert allerdings einen zunehmenden Missbrauch des Patentrechts in Europa, denn gentechnische Veränderungen sind von den Methoden der bisherigen Züchtung verschieden: Die Gentechnik erlaubt über Eingriffe ins Erbgut die direkte Einfügung neuer Eigenschaften in das Erbgut von Pflanzen oder Tieren. Mit Hilfe der Gentechnik (wie zum Beispiel bei transgenen Pflanzen oder beim sogenannten Genom-Editing) können im Erbgut Veränderungen herbeigeführt werden, die natürlicherweise nicht zu erwarten sind. Nach dem Wortlaut des Patentrechtes können derartige technische Prozesse auch patentiert werden.
Der Verein ARCHE NOAH, Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung, fordert in einer aktuellen Petition die Politik auf, sich dafür einzusetzen Patente auf Saatgut, Pflanzen und Tiere zu stoppen bzw. ein Patent-Verbot durchzusetzen. In einer Presseaussendung[1] warnt man insbesondere vor einem Missbrauch des Patentrechts betreffend Braugerste: „[Der] Missbrauch des Patentrechts und eine unwillige Politik sorgen dafür, dass Konzerne wie Bayer, Corteva (früher DowDuPont), BASF und Syngenta immer mehr Kontrolle über die herkömmliche Zucht von Pflanzen erlangen. Betroffen von derartigen Patenten ist unter anderem Braugerste. Viele der Patente erstrecken sich auch auf Lebensmittel, bis hin zum Bier. Das führt unter anderem zu drastischen Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit heimischer Brauereien. Daher unterstützen jetzt die „Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs“ die ARCHE NOAH-Petition „Missbrauch des Patentrechts stoppen“.
Der Braukonzern Carlsberg hatte ein Patent auf eine Braugersten-Sorte angemeldet, die nicht mit Gentechnik, sondern mit den gängigen Methoden moderner Pflanzenzucht erzeugt wurde. Sie soll das Bier geschmackvoller machen, gleichzeitig aber den Brauprozess einfacher und weniger energieintensiv machen – das wäre ein klarer Kostenvorteil. Bei der neuen Zucht wurden Gerstenkörner mit Hilfe einer chemischen Substanz sozusagen unter Stress gesetzt, was Mutationen auslöst. Carlsberg stieg bei Versuchen auf diese Art auf eine Mutation, die für das Bierbrauen von Vorteil zu sein scheint. Durch die Beantragung des Patents bekommen andere Züchter und in der Folge auch andere Brauereien jedoch keinen Zugriff auf die neue Sorte. Das Patent gilt nicht nur für die Pflanze, sondern auch für das angepasste Verfahren beim Mälzen und Brauen. Betroffen sind also auch Landwirte, Mälzer und Brauereien.[2]
Der Geschäftsführer der Privatbrauerei Hirt begründet sein Engagement gegen diese Entwicklung wie folgt: „Aktuell vor dem Europäischen Patentamt verhandelte Patente umfassen die Gerstenpflanze, das Saatgut, die Verwendung zum Bierbrauen und selbst das Bier im Glas. „Das dürfen wir nicht zulassen, denn gerade die Gerste schafft in der Vermälzung durch ihre Vielfalt in Geruch, Geschmack und Farbe die Charakteristik unserer Biere“.[3]
Anfang Mai 2022 hat das Europäische Patentamt Einsprüche gegen das vielkritisiert Patent EP2575433 der Konzerne Carlsberg und Heineken zurückgewiesen und damit ein umstrittenes Patent auf Gerste und Bier bestätigt.[4] Der Verein ARCHE NOAH hat zwar bereits einen Einspruch gegen diese Entscheidung des Patentamts angekündigt,[5] es ist allerdings davon auszugehen, dass nun weitere in diese Richtung gehende Patentanträge folgen werden.
Um einen strukturellen Missbrauch des Patentrechts hintanzuhalten braucht es eine Reform des Europäischen Patentübereinkommens.[6] Die österreichische Bundesregierung ist dringend aufgefordert die notwendigen Schritte zu ergreifen um eine Konferenz zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens gem. Art. 172 des Übereinkommens zu initiieren. Es gilt sich dafür einzusetzen, dass die Gene von Lebewesen und Pflanzen nicht wie patentierbare Produkte behandelt werden und die Ausnahmen von der Patentierbarkeit in Art. 53 des Übereinkommens in diesem Sinne konkretisiert werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich zum Schutz der heimischen Braukultur gegen die missbräuchliche Patentierung von Braugerste einzusetzen. Dazu soll sie eine Konferenz zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens gem. Art. 172 des Übereinkommens initiieren und sich für entsprechende Ausnahmen von der Patentierbarkeit in Art. 53 des Übereinkommens einsetzen.“
In formeller Hinsicht wird ersucht diesen Antrag dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zuzuweisen.
[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220211_OTS0028/pressekonferenz-patente-auf-braugerste-verderben-die-bier-vielfalt
[2] https://www.no-patents-on-seeds.org/sites/default/files/news/Hintergrund%20_%20Neue%20Patentantr%C3%A4ge%20auf%20Gerste.pdf
[3] Siehe FN 1.
[4] https://kurier.at/leben/aktionsbuendnis-will-bierpatent-verhindern-und-scheitert/402003270
[5] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220510_OTS0225/arche-noah-einsprueche-gegen-skandal-patent-auf-gerste-und-bier-zurueckgewiesen
[6] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002460