2610/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 14.06.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Wirtschaftskammer-Reformpaket: Transparenz und effiziente Kontrolle gegen Verschwendung von Mitgliederbeiträgen, verdeckte Parteienfinanzierung sowie Umgehung des Kopfverbotes

 

Ausgabenparadies Wirtschaftskammer: Verschwendung von Mitgliederbeiträgen

Ein interner Kontrollbericht der WKO verdeutlicht im Jahr 2021, wie Pflichtbeiträge innerhalb der Wirtschaftskammern verschwendet werden. Der Prüfbericht des Kontrollausschusses der Wirtschaftskammer (WKO) über die Gebarung 2019 zeigt ein erschreckendes Bild im Umgang mit den Pflichtbeiträgen der Mitglieder. Darin werden zahlreiche dubiose Kostenstellen im Rechnungsabschluss 2019 hervorgestrichen. Ein verschwenderischer Stil, wie aus einer anderen Zeit, wird auf allen Ebenen gelebt: von teuren Beratungsleistungen ohne Grundkonzept, Kurzurlauben von Kammerfunktionären in Griechenland, Mitgliedschaften in Golf-, Yacht- oder Sportvereinen, etc. Zu all dieser frei gelebten Verschwendung innerhalb der Wirtschaftskammer gesellt sich auch ein gravierender Mangel an Sorgfalt im Umgang mit Abrechnungen (1). Wegen der immensen Rücklagen und der auch in der Krise stetig einfließenden hohen Einnahmen aus den Kammerumlagen scheinen Rückforderungsansprüche in der Wirtschaftskammer nicht besonders ernst genommen zu werden. Bei einer im Ausland tätigen Außenwirtschaftsmitarbeiterin wurde zum Beispiel vergessen, den gewährten Gehaltsvorschuss zurückzufordern. Die Wirtschaftskammern sind gemäß § 131 WKG an Gebarungsgrundsätze gebunden. Da der Rechnungshof aber nicht die Zweckmäßigkeit von Ausgaben überprüfen darf, fühlen sich die Funktionäre offensichtlich nicht mal daran gebunden, wenn die Kritik von internen Kontrollorganen kommt. In einer Anfragebeantwortung bestätigte BM Schramböck, dass sie solche Berichte nur zur Kenntnis nimmt. Gleichzeitig versicherte sie darin, dass "nach endgültiger Abklärung der aufgelisteten Punkte umgehend die Lösung allenfalls noch anstehender Probleme" erfolgen und den "Evaluierungsprozess laufend überwachen" würde (2). Der Endbericht war ein einseitiger Persilschein, in welchem knapp festgehalten wurde, dass alles in Ordnung sei. Vonseiten des zuständigen Wirtschaftsministeriums wurden dennoch keine Schritte gesetzt.

 

Inserate der Wirtschaftskammern: Hohe Ausgaben für verdeckte Parteienfinanzierung und Selbstdarstellung samt Umgehung des Kopfverbotes

Die jüngsten Ermittlungen rund um den Wirtschaftsbund Vorarlberg zeigen, dass mithilfe von Inseraten die Kassen der Fraktionen in der Wirtschaftskammern kräftig aufgebessert werden. Selbst die üppigen Förderungen (v.a. für den Wirtschaftsbund) reichen anscheinend nicht aus (Fraktionsförderungen: 2020 24,7 Mio. Euro / 2021 18,1 Mio. Euro- siehe (3)). Allein im Jahr 2021 wurden rund 10,5 Mio. Euro an Inseraten in den Wirtschaftskammern geschaltet (4):

Kammer

Ausgaben 2021

Burgenland

88.782,85

Kärnten

223.878,18

Niederösterreich

1.064.762,21

Oberösterreich

599.119,81

Salzburg

434.296,05

Steiermark

593.977,20

Tirol

297.705,31

Vorarlberg

423.876,11

Wien

2.382.328,51

Österreich

4.376.594,82

 

Das Muster wiederholt sich in unterschiedlichen Bundesländern: Eine Fraktion gibt ein Magazin heraus und lässt die Kammern Inserate darin schalten. Auf diese Art flossen in den letzten 10 Jahren 101.070 Euro an den Wirtschaftsbund Vorarlberg oder 68.788 Euro an den Wirtschaftsbund Kärnten. Ähnliches geschieht aber auch in Oberösterreich, wo seit 2012 Inserate in Höhe von 341.290 Euro an das Volksblatt vergeben wurden, welches im Eigentum der ÖVP Oberösterreich steht (5). Zudem wird der eigene Einfluss geltend gemacht, um bei Wirtschaftstreibenden um Inserate zu keilen. Aus einer Auflistung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes bzw. des zuständigen Finanzamts geht hervor, dass zwischen 2018 und 2020 ca. 1.300 Inserate im Monatsmagazin "Vorarlberger Wirtschaft" rund 2,9 Mio. Euro in die Kassen der schwarzen Fraktion gespült wurden. Diese Vorgänge sind im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgeflogen, da für diese fragwürdigen Einnahmen nicht mal Steuern gezahlt wurden. Der Wirtschaftsbund Vorarlberg soll daher Abgaben in Höhe von rund 1,3 Mio. nicht beglichen haben (6). All diese publik gewordenen Machenschaften lösen aber keine Konsequenzen aus. Der zuständige Bundesminister Kocher sieht keinen Grund für eine Änderung des Wirtschaftskammergesetzes. Weder Inserate ohne Gegenleistung an die eigene Fraktion, noch aggressive Inseratenkeilerei oder gar festgestellte Verstöße gegen abgabenrechtliche Vorgaben lösen ein Eingreifen vonseiten der gesetzlichen Aufsicht oder der Regierungsparteien aus (7).

Wirtschaftskammer Wien zahlt Bürgermeister Ludwig seit nachweislich drei Jahren Inserate im Boulevard

Wenn sie nicht der verdeckten Parteienfinanzierung diene, werden diese Millionen an Inseratengeldern aus Mitgliedsbeiträgen sehr häufig als Eigenwerbung für die roten und schwarzen Kammerfunktionäre genutzt. Relativ auffällig sind dabei unter anderem der ÖVP-Wirtschaftskammerfunktionär Walter Ruck und der SPÖ-Arbeiterkammerfunktionär Markus Wieser, die sich wöchentlich auf Kosten der Zwangsmitglieder in Tageszeitungen abbilden lassen. Für Mitglieder der Bundesregierung ist eine solche Vorgangsweise, nämlich das Verwenden eigener Porträts in Ministeriumsinseraten, nicht mehr zulässig, da diese Praxis in Folge der Faymann-ÖBB-Inseratenaffäre gesetzlich unterbunden wurde. Inserate von Kammern als Körperschaften öffentlichen Rechts sind gleich zu bewerten wie Regierungsinserate: Mit fremdem Geld soll niemand Werbung für die eigene politische Karriere schalten dürfen. Aus diesem Grund müssen auch Kammerinserate mit Fotos von Kammerfunktionären in derselben Logik verboten werden. Das übertrieben hohe Inseratenvolumen der Kammern spiegelt sich natürlich auch in einer sehr kammerfreundlichen Medienberichterstattung wider, weil es in Österreich bekanntlich "für´s Inserat ein Gegeng´schäft" gibt (Zitat NRPräs Wolfgang Sobotka (8)). Ob der vielen Inserate schauen dann einige Medien auch gerne mal nicht so genau hin, wenn Kammerbosse in die Inserate-Trickkiste greifen. So inseriert die Wirtschaftskammer Wien unter der Führung von Bauunternehmer und Baulobbyisten Walter Ruck nicht nur sehr intensiv, sondern auch sehr trickreich. Denn Ruck nutzt nachweislich seit 2019 regelmäßig ein Gesetzesschlupfloch im Medientransparenzgesetz, damit seine politischen Freunde, die an das Inserate-Kopfverbot gebunden sind (Landes- und Bundesregierungsmitglieder), das Kopfverbot umgehen können. Denn auf Kammerinseraten ist nicht nur für Kammerfunktionäre das Kopfverbot irrelevant, sondern auch für Landes- und Bundesregierungsmitglieder - siehe Bild: WK-Wien-Inserat mit WK-Wien-Präsident Ruck und Bürgermeister Ludwig. Dieses Gesetzesschlupfloch unterstreicht zusätzlich, wie wichtig eine Ausweitung des Kopfverbotes auf Kammerfunktionäre ist.

Quelle: 15.5. Heute, 25.5. OE24, 30.5. Heute; 8.6. OE24, 9.6. Heute; die Inserate waren jeweils von der WK Wien finanziert, wodurch neben Ruck auch Ludwig nicht an das Kopfverbot gebunden war.

Schluss mit dem Zuschauen - es braucht endlich Reformen!

All die bekannt gewordenen Skandale rund um die Wirtschaftskammern müssen endlich Konsequenzen haben. Folgende NEOS Anträge wurden in dieser Sache in der aktuellen Legislaturperiode bereits von den Mehrheitsfraktionen vertagt und damit unerledigt auf die lange Bank geschoben:

Wir fordern daher ein Reformpaket, welches folgende Punkte zur Sicherstellung eines transparenten und verantwortungsbewussten Umgangs mit dem Geld der Zwangsmitglieder beinhaltet:

 

Quellen:

  1. https://www.derstandard.at/story/2000125912058/kritik-an-ausgaben-der-wirtschaftskammer-blick-in-eines-der-letzten
  2. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_06320/index.shtml
  3. https://kurier.at/politik/inland/millionen-aus-den-kammern-fuer-die-fraktionen/401486661
  4. RTR / medien-transparenz.at
  5. https://vorarlberg.orf.at/stories/3158816/
  6. https://www.derstandard.at/story/2000135809256/welche-firmen-warum-fuer-zehntausende-euro-im-wirtschaftsbund-magazin-inserierten?ref=loginwall_articleredirect
  7. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_10156/index.shtml
  8. https://zackzack.at/2020/12/11/sobotka-vor-laufender-kamera-fuers-inserat-gibts-ein-gegengeschaeft/
  9. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00310/fnameorig_785265.html
  10. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00310/fnameorig_785265.html
  11. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_02022/fnameorig_1011664.html

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wird aufgefordert, ein Reformpaket vorzulegen, welches folgende Punkte zur Sicherstellung eines transparenten und verantwortungsbewussten Umgangs mit dem Geld der Zwangsmitglieder beinhaltet:

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.