2710/A XXVII. GP
Eingebracht am 07.07.2022
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möglich.
Antrag
der Abgeordneten Mag. Yildirim,
Genossinnen und Genossen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetzes 1991 geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetzes 1991 geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2018, wird wie folgt geändert:
Dem § 54b Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:
„Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat auch dann zu unterbleiben, wenn der Bestrafte gemeinnützige Leistungen (§ 3a StVG) erbringt. Darüber ist er in der Aufforderung zum Strafantritt zu informieren, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen ist. Eine Gleichschrift dieser Mitteilung darf auch einer in der Sozialarbeit erfahrenen Person (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes, BGBl. Nr. 146/1969) übermittelt werden. § 3a Abs. 1 bis 4 StVG und § 29b des Bewährungshilfegesetzes sind mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Gerichtes die Behörde tritt. Die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen hat nur über Ersuchen des Bestraften zu erfolgen.“
Begründung:
Die Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzugs einer Ersatzfreiheitsstrafe besteht seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 109/2007, im gerichtlichen Strafvollzug und seit der Finanzstrafgesetz-Novelle 2013 – FinStrG-Novelle 2013, BGBl. I Nr. 155/2013, auch für den Vollzug von im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängten Ersatzfreiheitsstrafen. Die Ausdehnung dieser Möglichkeit auf das Verwaltungsstrafverfahren wird von der Volksanwaltschaft schon seit Längerem angeregt. Dadurch sollen kurze Freiheitsstrafen, die als besonders schädlich anzusehen sind, vermieden werden. Ein diesbezüglicher Entwurf ist vom BKA-VD vorbereitet und am 9.5.2017 in Begutachtung geschickt worden. Bekannter Weise ist gleichzeitig die Regierungskoalition gescheitert, das Vorhaben konnte daher nicht mehr umgesetzt werden.
Davon abgesehen, erscheint die Notwendigkeit der Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen eines Delikts, dessen Begehung (nur) mit einer Geldstrafe bedroht ist, als solche nicht unproblematisch. Bedenklich ist schließlich auch, dass die Ersatzfreiheitsstrafe in der Regel nur finanziell schlechter gestellte Menschen trifft.
Durch die Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzugs einer Ersatzfreiheitsstrafe kann all das vermieden werden. Im Jahr 2015 haben insgesamt 7 452 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne des § 16 VStG verbüßt (479 davon in einer Justizanstalt und 6 973 in einem Polizeianhaltezentrum). Die durchschnittliche Haftdauer betrug im Jahr 2015 15 Tage. Die Kosten für einen Tag Haft in einem Polizeianhaltezentrum betragen laut Auskunft des Bundesministeriums für Inneres schätzungsweise zwischen 200 und 300 Euro. Da die Kosten für die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen vom Verein Neustart mit ca. 350 Euro pro Fall kalkuliert werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Einführung der Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzugs einer Ersatzfreiheitsstrafe – auch wenn nur ein Bruchteil der Bestraften von dieser Möglichkeit Gebrauch macht – zu einer Reduktion der jährlich anfallenden Verwaltungs- und Vollzugskosten führen wird. Für den Verfahrensablauf sollen die §§ 3a Abs. 1 bis 4 StVG und 29b des Bewährungshilfegesetzes, BGBl. Nr. 146/1969, sinngemäß gelten. An die Stelle der in § 3a Abs. 2 StVG genannten Frist des § 3 Abs. 2 StVG tritt die in der Aufforderung zum Strafantritt genannte Frist (§ 53b Abs. 1 VStG). Ist eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen, so ist der Bestrafte in der Aufforderung zum Strafantritt über die Möglichkeit zu informieren, anstelle des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe unentgeltlich Leistungen bei einer gemeinnützigen Einrichtung zu erbringen, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen (vier Stunden gemeinnütziger Leistungen entsprechen einem Tag der Freiheitsstrafe) mitzuteilen ist.
Teilt der Bestrafte der Behörde binnen der in § 53b Abs. 1 VStG genannten Frist mit, dass er sich bereit erklärt, gemeinnützige Leistungen zu erbringen, so erfolgt die Kontaktaufnahme mit dem Verein Neustart oder einer vergleichbaren Einrichtung, die ihn an eine passende Einrichtung vermitteln und während der Dauer der Erbringung gemeinnütziger Leistungen betreuen. Der Verein Neustart bzw. die vergleichbare Einrichtung hat der Behörde zu berichten, ob der Bestrafte die gemeinnützigen Leistungen vollständig, nicht vollständig oder nicht erbracht hat. Zeiten des gemäß § 3a Abs. 2 StVG gesetzlich gewährten Strafaufschubs sind als unter § 31 Abs. 3 Z 2 VStG fallend nicht in die Vollstreckungsverjährung einzurechnen (vgl. Pieber in Höpfel/Ratz, WK2 StVG § 3a Rz. 28). Damit ist sichergestellt, dass im Zuge der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen Vollstreckungsverjährung nicht eintreten kann.
Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss