2763/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 21.09.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Lohnnebenkosten senken und Lohnverhandlungsspielraum schaffen

 

Österreich: Hohe Abgaben-/Lohnnebenkostenlast

Erst kürzlich haben EUROSTAT (1) und die OECD (2) auf die außergewöhnlich hohe Abgabenquote und hohen Lohnnebenkosten in Österreich hingewiesen, bei denen der Standort Österreich jeweils den unrühmlichen 3. Platz einnahm. Zuletzt zeigte auch eine Economica-Studie, dass die Lohnnebenkosten in Österreich mit 7,3 Prozent des BIP (entspricht einem 30-Prozentaufschalg auf die Bruttolöhne) deutlich über dem EU-Schnitt liegen und, dass knapp 9 Milliarden Euro nötig sind, um den EU-OECD-Durchschnitt zu erreichen (3). Die Senkung in dieser Größenordnung muss das Mindestziel sein, um einer Phase der steigenden Energiepreise und Inflation die Unternehmen zu entlasten und mehr Verhandlungsspielraum für die Kollektivvertrags- und Lohnverhandlungen zu ermöglichen. Und dieses Ziel ist erreichbar, da knapp ein Drittel der Lohnnebenkosten keine arbeitnehmerbezogenen Versicherungsleistungen darstellt. Bei diesem Drittel handelt es sich um Lohnnebenkosten, wie beispielsweise die Wohnbauförderung, deren Leistungen von allen (Arbeitnehmern, Selbständigen, Bauern, Pensionisten,...)  beansprucht werden können, und nicht nur von Arbeitnehmer_innen. Diese Leistungen müssen daher künftig auch durch die gesamte Bevölkerung via Steuern finanziert werden (Budget) und nicht mehr bloß von vier Millionen Arbeitnehmer_innen über die Lohnnebenkosten.

Abgabenungleichgewicht: Vollzeit-Beschäftigte die Benachteiligten

Was zudem für Lohnnebenkostensenkungen spricht, ist das extreme Abgaben-Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer_innen und Pensionist_innen, aber auch zwischen Vollzeit-Arbeitnehmer_innen und Teilzeit-Arbeitnehmer_innen oder zwischen Arbeitnehmer_innen und Selbstständigen/Bauern. Arbeitnehmer_innen tragen die Hauptlast des Sozialstaates, erst mit der Pensionierung fällt ein Großteil der Abgaben weg (PV, ALV, Wohnbauförderung, FLAF, Kommunalsteuer,...). Arbeitnehmer_innen stemmen aber auch beispielsweise die Beiträge für die Wohnbauförderung alleine. Auch zwischen Vollzeit-Arbeitskräften und Teilzeit-Arbeitskräften ist es durch die Beitragsstaffelungen in der Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung zur Benachteiligung der drei Millionen Vollzeitarbeitskräfte gekommen. Hinzu kommt die zu steile Steuerprogression, bei der seit Jahren vorwiegend die unteren Steuerstufen gesenkt werden und auf die oberen Stufen vergessen wird. Daher braucht es eine bessere Verteilung der Abgaben. Vor allem bei den nicht-arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten (Wohnbauförderung, FLAF, Kommunalsteuer), die keine Sozialversicherungsleistung darstellen und ein Drittel der Lohnnebenkosten ausmachen, muss eine breitere Finanzierung angedacht werden. Die Lohnnebenkosten könnten somit um knapp ein Drittel gesenkt werden, was über 12 Mrd. Euro jährlich entspricht. Diese Senkung würde in Folge zusätzlichen Spielraum für Kollektivvertrags- und Lohnverhandlungen schaffen und könnte somit zum Teil an die Arbeitnehmer weitergeben werden (LNK-Senkung => mehr Brutto => mehr Netto).

Hohe Energiepreise bedingen Senkung der Arbeitskosten

Angesichts der Wirtschaftskrise (Pandemie, Ukraine) und der hohen Inflation sind Maßnahmen zur Reduktion der Arbeits-/Produktionskosten zudem gefragter denn je. Ein Hebel dazu ist eben die Senkung der Lohnnebenkosten (ohne Leistungskürzungen), die aktuell etwa einem 30 Prozentaufschlag auf den Bruttolohn entsprechen. Damit würde die Inflation über die Produktionsseite etwas gedämpft werden. Außerdem würde die Lohnnebenkostensenkung die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, was wiederum Effekte auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung nach sich ziehen würde. Zumindest hat die Regierung 2022 mit der Senkung der IEF-Beiträge (0,2% auf 0,1%) und der AUVA-Beiträge (1,2% auf 1,1%) bereits eine kleine Lohnnebenkostensenkung vorgenommen, aber weitere Senkungen müssen folgen. Immer wieder in der Diskussion sind neben den nicht-arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten auch die AUVA-Beiträge, die nur sehr zögerlich gesenkt werden, obwohl sich die Arbeitsunfälle je Versicherten seit 1990 fast halbiert haben (4). Aber auch die Zweckentfremdung von Geldern aus der Wohnbauförderung oder dem Familienlastenausgleichsfonds stehen ohnehin immer wieder zur Debatte (5, 6).

Info: Laut Arbeitsministerium bringt eine Senkung der Lohnnebenkosten um 0,1 %-Punkte ca. 2500-3000 zusätzliche Arbeitsplätze (7). Laut WIFO führen Lohnnebenkostensenkungen nicht nur zu positiven Beschäftigungseffekten, sondern bedeuten zudem mehr Verhandlungsspielraum bei Lohnverhandlungen (8).

Lohnnebenkosten-Senkungspotential im Detail

Die Lohnnebenkosten werden auf das Bruttoentgelt aufgeschlagen, allerdings nur bei Arbeitnehmer_innen. Bei den Lohnnebenkosten handelt es sich um Lohnkosten, die die Arbeitgeber zu 100% an SV, Finanz, AK und WK abführen und die sie daher NICHT als zusätzlichen Bruttolohn (mehr Brutto => mehr Netto) weitergeben können. Grundsätzlich kann man in arbeitnehmerbezogene Lohnnebenkosten (Versicherungsleistungen, 2/3 der Lohnnebenkosten) und nicht-arbeitnehmerbezogene Lohnnebenkosten (1/3 der Lohnnebenkosten) unterscheiden. Senkungspotential besteht vor allem bei den nicht-arbeitnehmerbezogenen LNK.

Arbeitnehmerbezogene Lohnnebenkosten (Versicherungsleistungen): Dabei handelt es sich um die Sozialversicherung (KV, PV, UV, ALV) und das Insolvenzentgelt, also Versicherungsleistungen für die Arbeitnehmer_innen. Hier soll grundsätzlich nur gesenkt werden, wenn höher als nötig sind. Anpassungsbedarf besteht hier nur bei den AUVA-Beiträgen (1,1 Prozent), die zu hoch sind (Arbeitsunfälle gehen stetig zurück, nur die Beiträge werden nicht gesenkt). Die UV im öffentlichen Dienst kostet im Vergleich nur 0,47 Prozent. Auch bei den ALV-Beiträgen besteht Senkungspotential, weil damit viele versicherungsfremde Leistungen (über-)finanziert werden (Bildungskarenz, geblockte Altersteilzeit,...) (9).

Nicht-arbeitnehmerbezogene Lohnnebenkosten: Dabei handelt es sich um die Wohnbauförderung, den Familienlastenausgleichsfonds, die Kommunalsteuer und die Wirtschaftskammer-Umlage 2 ("Dienstgeberzuschlag"). Bei diesen Lohnnebenkosten stellt sich die Frage, warum man diese über die Lohnnebenkosten und somit nur über die Arbeitnehmer_innen finanziert werden. Denn zum Einen sind die LNK-Bestandteile Lohnkosten, die die Unternehmen ihren Beschäftigten nicht als zusätzliches Brutto und somit nicht als mehr Netto auszahlen können. Zum Anderen ist nicht nachvollziehbar, warum es hier keine breitere Finanzierung gibt, Frage: Wieso müssen beispielsweise Pensionist_innen keine Beiträge für die Wohnbauförderung leisten? Immerhin sind Pensionist_innen bei den Abgaben gegenüber Arbeitnehmern ohnehin massiv im Vorteil => Pensionist_innen müssen keine PV-, ALV-Beiträge und keine AK-Umlage mehr zahlen, wodurch ihnen von einem Euro Brutto deutlich mehr Netto bleiben als bei Arbeitnehmer_innen (siehe Grafik oben). Bei dieser Art der Lohnnebenkosten ist eine gänzliche Streichung und alternativ eine Finanzierung über das Budget (Steuern) sinnvoll, damit nicht nur die Arbeitnehmer diese Beiträge finanzieren müssen.

Senkungspotential der Lohnnebenkosten und Lohnabgaben im Detail

Insgesamt besteht bei den Lohnabgaben ca. 15 Mrd. Euro Einsparungspotential jährlich (exkl. Lohnsteuer), der Großteil davon bei den nicht-arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten, wo 12 Mrd. Euro abbaubar sind.

 

 

Quelle:

(1) https://www.trend.at/wirtschaft/oesterreich-eu-laendern-arbeitskosten-12481837

(2) https://oesterreich.orf.at/stories/3157755/

(3) https://www.puls24.at/news/politik/lohnnebenkosten-neos-kritisieren-regierungsplaene/272114

(4) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_02255/fnameorig_1424097.html

(5) https://www.vol.at/zweckwidmung-der-wohnbaufoerderung-disput-in-der-vorarlberger-landespolitik/4510578

(6) https://www.derstandard.at/story/1319183743126/familienpolitik-gegen-die-zweckentfremdung-der-familienfoerderung

(7) https://www.derstandard.at/story/2000131883020/kocher-will-insolvenzentgeltfonds-zahlungen-der-arbeitgeber-halbieren

(8) https://www.wifo.ac.at/news/senkung_der_lohnnebenkosten_und_finanzierungsvarianten

(9) https://orf.at/stories/3267967/


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Minister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine schrittweise Senkung der zu hohen Lohnnebenkosten auf das OECD-Durchschnittsniveau vorsieht, um mehr Kollektivvertrags- und Lohnverhandlungsspielraum zu schaffen." 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.