2826/A XXVII. GP

Eingebracht am 21.09.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens

Der Nationalrat hat beschlossen:

Verfassungsbestimmung

§ 1. (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Änderung, Aufhebung und Vollziehung von Vorschriften, wie sie in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das B-VG etwas anderes bestimmt. Die in diesen Vorschriften geregelten Angelegenheiten können unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Art. 14b Abs. 4 und 5 B-VG ist nicht anzuwenden.

Genehmigungen

§ 2. (1) Die Bundesministerin für Justiz ist zuständig für die Erteilung von in unmittelbar anwendbaren Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union vorgesehenen Genehmigungen zur Vergabe sowie der Fortsetzung der Erfüllung von Aufträgen und Konzessionsverträgen durch

           1. öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber gemäß dem Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018, BGBl. I Nr. 65/2018,

           2. Auftraggeber gemäß dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BVergGKonz 2018, BGBl. I Nr. 65/2018, und

           3. Auftraggeber gemäß dem Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 – BVergGVS 2012, BGBl. I Nr. 10/2012.

(2) Anträge von Auftraggebern nach Abs. 1 Z 1 bis 3 sind schriftlich bei der Bundesministerin für Justiz zu stellen. Die Bundesministerin für Justiz entscheidet über Anträge mit Bescheid.

(3) Die Bundesregierung kann mit Verordnung die Vergabe bzw. die Fortsetzung der Erfüllung von Aufträgen und Konzessionsverträgen für bestimmte Arten von Leistungen oder Konzessionen genehmigen, sofern dies mit den unmittelbar anwendbaren Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union vereinbar ist.

(4) In der Verordnung gemäß Abs. 3 können Auftraggeber gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 verpflichtet werden, den Umstand, dass eine Vergabe oder eine weitere Erfüllung von Aufträgen und Konzessionsverträgen unter eine Verordnung gemäß Abs. 3 fällt, in den Vergabeunterlagen zu dokumentieren und dies der Bundesministerin für Justiz mitzuteilen.

(5) Über die Erteilung oder Nichterteilung einer Genehmigung gemäß Abs. 2 sowie den Erlass einer Verordnung gemäß Abs. 3 hat die Bundesministerin für Justiz den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten unverzüglich zu informieren.

In- und Außerkrafttreten

§ 3. (1) (Verfassungsbestimmung) § 1 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.

(2) Die übrigen Bestimmungen treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.

(3) Verträge, deren Vergabe bzw. Weitererfüllung gemäß § 2 Abs. 2 oder 3 genehmigt wurde und die über den 31. Dezember 2023 hinaus erfüllt werden, gelten auch nach diesem Zeitpunkt als genehmigt.

Vollziehung

§ 4. (1) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 3 und 4 ist die Bundesregierung betraut.

(2) Mit der Vollziehung der übrigen Bestimmungen ist die Bundesministerin für Justiz betraut.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag unter Verzicht auf eine Erste Lesung dem Justizausschuss zuzuweisen.

 

 

Begründung

 

Im Zuge des Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat die Europäische Union erstmals Sanktionen gegen Personen, Organisationen oder Einrichtungen aus der Russischen Föderation spezifisch im Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftragswesen erlassen.

Mit Verordnung (EU) 2022/576 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ABl. Nr. L 111 vom 08.04.2022 S. 1 wurde ein neuer Art. 5k in die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ABl. Nr. L 2290 vom 31.07.2014 S. 1, (im Folgenden: SanktionenVO) eingefügt [dieser wurde zuletzt durch Verordnung (EU) 2022/1269, ABl. Nr. L 193 vom 21.7.2022 S. 1 geändert]. Gemäß Art. 5k Abs. 1 SanktionenVO ist es verboten, öffentliche Aufträge oder Konzessionen an Personen, Organisationen oder Einrichtungen aus der Russischen Föderation zu vergeben bzw. öffentliche Aufträge oder Konzessionen mit solchen weiterhin zu erfüllen. Gemäß Art. 5k Abs. 2 SanktionenVO können jedoch für bestimmte, taxativ genannte Leistungen „die zuständigen Behörden die Vergabe oder die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen genehmigen“. Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat ein Mitgliedstaat überdies die anderen Mitgliedstaaten sowie die Kommission über jede erteilte Genehmigung innerhalb von zwei Wochen zu unterrichten.

Eine Einschätzung durch das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat ergeben, dass eine eindeutige und umfassende kompetenzrechtliche Zuständigkeit des Bundes für die Erteilung oder Nichterteilung von Genehmigungen zur Vergabe bzw. Erfüllung von Aufträgen und Konzessionen gemäß Art. 5k Abs. 2 SanktionenVO zweifelhaft erscheint. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hält fest, dass „auf Grund der eher unklaren Kompetenzrechtslage [...] in Erwägung zu ziehen [wäre], für den Fall der Schaffung einer gesetzlichen Regelung mit einer Kompetenzdeckungsklausel etwaige Bedenken in Bezug auf eine hinreichende Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung auszuräumen und gegebenenfalls auch eine Konzentration der Vollziehung beim Bund vorzusehen.“ Angesichts der Bedeutung der Sanktionen infolge des Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine einerseits und der Notwendigkeit einer klaren Rechtslage für die Erteilung von Genehmigungen andererseits, soll mit diesem Bundesgesetz eine – zeitlich befristete – Regelung unter Verwendung einer Kompetenzdeckungsklausel geschaffen werden.

Abstimmung mit den Ländern:

Angesichts der Implikationen der Regelung für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber im Vollziehungsbereich der Länder gemäß Art. 14b Abs. 3 B‑VG erfolgte eine Abstimmung mit den Ländern.

Kompetenzgrundlage:

Soweit eine Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes nicht bereits nach dem B-VG besteht, ergibt sie sich aus der Verfassungsbestimmung des § 1.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Der Entwurf kann gemäß Art. 44 Abs. 1 B‑VG vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Im Hinblick auf die vorgesehene Einschränkung der Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung bzw. Vollziehung bedarf der Entwurf gemäß Art. 44 Abs. 2 B‑VG der Zustimmung des Bundesrates mit erhöhten Quoren.

 

Zu § 1:

§ 1 enthält eine Kompetenzdeckungsklausel angesichts der im Allgemeinen Teil dargestellten, unklaren Kompetenzrechtslage bzw. der geplanten Konzentration der Vollziehung beim Bund. Zudem soll auf Grund der Dringlichkeit des Vorhabens das Zustimmungsverfahren gemäß Art. 14b Abs. 4 und 5 B-VG entfallen.

Zu § 2:

Zu Abs. 1: Erfasst sind ausschließlich Sanktionsmaßnahmen aufgrund unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Union (vgl. dazu auch das Sanktionengesetz 2010 – SanktG, BGBl. I Nr. 36/2010). Abs. 1 stellt keine Grundlage zum Erlass von neuen Sanktionsmaßnahmen dar. Mit dem Bereich des öffentlichen Auftragswesens wird auf Aufträge und Konzessionen, die Art. 14b B‑VG unterliegen, Bezug genommen. Auf den Leistungsgegenstand derartiger Aufträge oder Konzessionen kommt es nicht an. Im Einzelnen fallen darunter Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Aufträgen bzw. Konzessionen sowie deren Weitererfüllung (siehe aktuell Art. 5k der SanktionenVO). Weitere allfällige Genehmigungen, die im Rahmen der Durchführung von Aufträgen oder Konzessionen erforderlich sein können und die allenfalls ebenso von Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union betroffen sind (zB Export-/Importgenehmigungen), bleiben von Abs. 1 unberührt.

Zu Abs. 2: Die Antragstellung hat vor Mitteilung der Zuschlagsentscheidung bzw. wenn eine solche nicht geboten ist vor Zuschlagserteilung zu erfolgen. Der Abschluss bzw. die Fortsetzung der Erfüllung bestimmter Aufträge bzw. Konzessionen kann auf entsprechenden Antrag hin mit Bescheid genehmigt werden.

Zu Abs. 3: Sofern es die Sanktionsmaßnahmen zulassen, kann der Abschluss bzw. die Fortsetzung der Erfüllung bestimmter Arten von Aufträgen bzw. Konzessionen aber auch pauschal mit Verordnung genehmigt werden. Anknüpfungspunkte stellen hierzu „bestimmte Leistungen“ (siehe zum Leistungsbegriff im öffentlichen Auftragswesen etwa § 1 Z 1 Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018, BGBl. I Nr. 65/2018) oder „bestimmte Konzessionen“ (vgl. dazu § 1 Z 1 Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BVergGKonz 2018, BGBl. I Nr. 65/2018) dar. „Bestimmte“ Leistungen können etwa auch nur Aufträge über den Kauf bestimmter Waren (§ 6 BVergG 2018) umfassen (etwa Erdgas gemäß Art. 5k Abs. 2 lit. e SanktionenVO). Ebenso umfasst der Ausdruck „bestimmte Leistungen“ jegliche Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, die in bestimmten Zusammenhängen benötigt werden (etwa für diplomatische oder konsularische Vertretungen) oder die aufgrund besonderer Umstände nur von sanktionierten Personen erbracht werden können. Die Vorbereitung dieser Verordnung hat durch das BMJ zu erfolgen.

Die Ermächtigung, mittels Verordnung die Vergabe bestimmter Aufträge bzw. Konzessionen zu genehmigen, umfasst auch die Regelung aller dazu auf Grund des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts allenfalls erforderlichen Bestimmungen (Auflagen, Nebenbestimmungen, etc.).

Zu Abs. 4: In einer Verordnung gemäß Abs. 3 können öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber oder Auftraggeber verpflichtet werden, den Umstand, dass eine Vergabe oder eine weitere Erfüllung von Aufträgen und Konzessionsverträgen unter diese Verordnung fällt, in den Vergabeunterlagen zu dokumentieren  (zB im Vergabevermerk gemäß den §§ 147 oder 309 BVergG 2018) und dies der Bundesministerin für Justiz zu melden, um dieser ein entsprechendes Monitoring zu ermöglichen. Eine allfällige Meldepflicht beschränkt sich angesichts des Bezugs auf die Dokumentationspflichten auf die schon bisher dokumentierten Umstände (vgl. bspw. bereits § 147 Abs. 4 BVergG 2018) und die unabhängig von Abs. 4 bestehenden Bekanntgabepflichten. Diese Dokumentations- bzw. Meldepflicht kommt dann zum Tragen, wenn der öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber oder Auftraggeber im Einzelfall der Ansicht ist, dass ein bestimmter Vertrag bzw. eine bestimmte Konzession in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fällt.

Zu Abs. 5: Der Bundesminister für europäischen und internationale Angelegenheiten ist unverzüglich zu informieren, um den typischerweise in Sanktionsbestimmungen vorgesehenen Verständigungspflichten gegenüber der Kommission sowie den anderen Mitgliedstaaten nachzukommen (in concreto: Art. 5k Abs. 3 SanktionenVO). Falls ein direkter Informationsaustausch über elektronische EU-Informationssysteme vorgesehen ist, ist der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ebenfalls zu informieren, jedoch erfolgt die Verständigung der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten auf elektronischem Weg direkt durch die zuständige Behörde.

Zu § 3:

Das aufgrund der Dringlichkeit der Regelung kurzfristig zu erlassende Bundesgesetz soll nur zeitlich befristet in Kraft stehen. Es ist in Aussicht genommen, bis zum Außerkrafttreten der im Entwurf vorliegenden Bestimmungen im Rahmen einer Novellierung des Sanktionengesetzes 2010 eine allgemeine Regelung der Zuständigkeit für Sanktionsmaßnahmen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu schaffen.

Zu § 4:

Vollziehungsklausel.