2905/A XXVII. GP
Eingebracht am 02.11.2022
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möglich.
Antrag
der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Christian Hafenecker, MA
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz zur Abwahl des Nationalratspräsidenten, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz zur Abwahl des Nationalratspräsidenten, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 141/2022, geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 141/2022, wird wie folgt geändert:
Nach Art. 30 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:
„(1a) Der Präsident kann durch Beschluss des Nationalrates abberufen werden.
Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.“
Begründung
Allgemeiner Teil
Der Präsident des Nationalrats hat formell die zweithöchste Stellung im Staat inne. Er leitet die Geschäfte des Nationalrats, vertritt diesen nach außen und beruft ihn zu seinen Sitzungen ein. Ihm stehen insbesondere auch die Ernennung der Bediensteten der Parlamentsdirektion und alle übrigen Befugnisse in Personalangelegenheiten dieser Bediensteten zu (Personalhoheit). Darüber hinaus verfügt er über die den Nationalrat betreffenden finanzgesetzlichen Ansätze des Bundesvoranschlages (Budgethoheit). Er ist als oberstes Verwaltungsorgan befugt, Letztentscheidungen zu treffen, und darf gem. § 30 B-VG Verordnungen erlassen. Die Rechtsstellung des Zweiten und Dritten Präsidenten unterscheidet sich maßgeblich davon, da diese nur dann Kompetenzen haben, wenn der Präsident des Nationalrates an der Wahrnehmung dieser ihm durch Gesetz übertragenen Kompetenzen verhindert ist.
An diesen großen Verantwortungsbereich knüpft sich eine moralische Verantwortlichkeit. Wird diese nicht wahrgenommen, benötigt der Nationalrat rechtliche Mittel, um sein Ansehen zu schützen. Eine Situation, in welcher die Liste der im Raum stehenden Unzulänglichkeiten derart lange ist, wurde bislang nicht für möglich gehalten. Aus folgenden Gründen braucht es daher eine „Lex Sobotka“:
Parteiische Vorsitzführung
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wollte zu Beginn des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses die Mikrofonanlage derart umstellen, dass ihm ein massives Einwirken auf den Befragungsfluss ermöglicht worden wäre. Die an der Aufklärung der ÖVP-Skandale arbeitenden Fraktionen wurden darüber vorab nicht informiert und erst der mediale und öffentliche Aufschrei konnte ein politisches Zurückrudern bewirken.[1] Diese versuchte Einflussnahme ist auf ein gesteigertes persönliches Interesse zurückzuführen, denn als ÖVP-Spitzenrepräsentant ist Sobotka in zahlreiche hinterfragenswerte Sachverhalte – vom Themenkomplex Alois- Mock-Institut über die Interventionsliste im Innenministerium, bis hin zu den „Kloibmüller-Chats“ und darüber hinaus – maßgeblich involviert.[2] Während Sobotka im BVT-Untersuchungsausschuss den Vorsitz aufgrund seiner Befangenheit als vormaliger Innenminister noch freiwillig abgegeben hatte, war ein solcher Schritt zur Seite, um Schaden vom Ansehen des Parlaments abzuwenden, in diesem Fall für ihn keine Option.[3]
Gegen Grundsätze der Rechtsordnung
Vor diesem Hintergrund wundert auch die Kritik des Verfahrensrichters im Hypo-Untersuchungsausschuss an Sobotka nicht. Es wäre „sicher klug“, sich aus den Bereichen herauszuhalten, in die man involviert ist, schrieb ihm dieser ins Stammbuch.[4] Auch der aktuelle Verfahrensrichter hat im Rahmen des Ibiza-Untersuchungsausschuss Sobotka kritisiert: Wolfgang Pöschl hatte im „juristische Bedenken“ geäußert, ob Sobotka nach seiner Aussage als Auskunftsperson noch Vorsitzender sein könne, weil er im Abschlussbericht womöglich seine eigene Aussage beurteilen müsste. „Es wäre gegen einen fundamentalen Grundsatz der Rechtsordnung, sich selbst zu beschreiben“, hatte der Verfahrensrichter gemeint.“[5] Die parteiische Vorsitzführung, in der immer wieder Fragen nicht zugelassen werden und auch die Einschätzung des Verfahrensrichters übergangen wird, belegen Sobotkas Hang zu autoritärem Auftreten und bilden einen scharfen Kontrast zu anderen Vorsitzenden wie Doris Bures, Norbert Hofer oder Friedrich Ofenauer.[6]
Will Lügen legalisieren
Dem Parlamentarismus keinen Dienst erwiesen hat er zudem mit der Forderung nach der Abschaffung der Wahrheitspflicht in Untersuchungsausschüssen. Unverhohlen fügte er dem hinzu: „Man kann sich da viele Dinge überlegen, wenn man einen Konsens findet.“ Die Idee, das Lügen in Untersuchungsausschüssen zu legalisieren, wurde jedoch umgehend von der Opposition zurückgewiesen.[7] Die jüngste Forderung Sobotkas, wonach Abgeordnete ihre Fragen im Untersuchungsausschuss schriftlich einbringen müssen, eröffnet der obstruktiven Vorsitzführung nur zusätzliche Möglichkeiten.[8]
Verheddert im schwarzen Faden
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt den Nationalratspräsidenten einstweilen als Beschuldigten. Der Vorwurf lautet auf Amtsmissbrauch, es gilt die Unschuldsvermutung. Anlass ist eine Postenbesetzung bei der Wiener Polizei im Jahr 2017, Sobotka war damals ÖVP-Innenminister.[9] Auch die jüngsten Vorwürfe, erhoben von Thomas Schmid, zeichnen ein entsprechendes Bild. Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium und Parteifreund Sobotkas, belastet diesen in seinem umfangreichen Geständnis schwer:[10]

Bereits heute hat Wolfgang Sobotka dem Amt des Nationalratspräsidenten massiven Schaden zugefügt. Es besteht die Gefahr, dass das Parlament und die Demokratie als solche in Folge einer strafrechtlichen Anklage oder gar Verurteilung Sobotkas in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Nationalrat muss sich angesichts dessen dort einen rechtlichen Handlungsspielraum geben, wo die moralische Eigenverantwortung versagt.
Besonderer Teil
In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen sowie eine erste Lesung innerhalb von drei Monaten durchzuführen.
[1] https://www.heute.at/s/u-ausschuss-wirbel-um-mikrofone-kanzler-will-beruhigen-100193418
[2] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6096195/Rote-bleiben-Gsindl_InterventionenListe-im-schwarzen-Innenministerium
[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180313_OTS0213/oesterreich-sobotka-verzichtet-auf-u-ausschuss-vorsitz
[4] https://www.derstandard.at/story/2000133320120/ehemaliger-verfahrensrichter-raet-sobotka-im-u-ausschuss-zu-distanz
[5] https://www.tt.com/artikel/17157614/oevp-kritisiert-verfahrensrichter-im-u-ausschuss
[6] https://www.tt.com/artikel/17157614/oevp-kritisiert-verfahrensrichter-im-u-ausschuss
[7] https://www.derstandard.at/story/2000126174115/sobotka-kann-sich-vorstellen-die-wahrheitspflicht-in-untersuchungsausschuessen-abzuschaffen
[8] https://kurier.at/politik/inland/u-ausschuss-sobotka-will-fragen-der-mandatare-schriftlich/402180042
[9] https://www.derstandard.at/story/2000134547526/ermittlungen-gegen-wolfgang-sobotka-wegen-mutmasslichen-amtsmissbrauchs
[10] https://www.derstandard.at/story/2000140124725/schmids-aussagen-bringen-wolfgang-sobotka-in-die-bredouille