2946/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 16.11.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag.a Verena Nussbaum,

Genossinnen und Genossen

betreffend umfassende Maßnahmen zur Inklusion und Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen

 

Die Situation von Menschen mit Behinderungen wird von Jahr zu Jahr prekärer. Während sich die Bundesregierung im neuen Budgetvorschlag nur das Ziel setzt die bestehenden Maßnahmen nach Möglichkeit zu erhalten, fehlt es in Österreich nicht nur an Ausbildungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen oder den notwendigen persönlichen Assistenzen. Auch eine umfassende sozialversicherungsrechtliche Absicherung ist derzeit nicht gegeben. Die Situation für Menschen mit Behinderungen ist jetzt schon untragbar und wird sich in Zukunft weiter verschlechtern.

Die Situation ist für viele Menschen mit Behinderungen schon jetzt nicht mehr tragbar. Derzeit sind rund 25.000 Menschen in den Tagesstrukturen (Beschäftigungstherapie) beschäftigt. Die Tätigkeiten dort dienen oft nur der Beschäftigung und unterfordern viele jener Menschen, die in den Werkstätten tätig sind. Da die Tätigkeiten in einer Tagesstruktur nach der Judikatur nicht als Arbeitsverhältnisse eingestuft werden, gibt es für die Betroffenen statt einem angemessenen Lohn nur Taschengeld und damit auch keine eigeständigen pensions- und krankenversicherungsrechtlichen Ansprüche. Das führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen ihr Leben lang von ihren Eltern abhängig sind und mit einer ständigen Armutsbedrohung leben.

Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, welches aber nur möglich ist, wenn sie von ihrem Einkommen leben und sich auch einen Anspruch auf eine Pension erarbeiten können.

Doch die Beschäftigung in den Tagesstrukturen stellt weiterhin die Realität für den Großteil der Menschen mit Behinderungen dar. Während viele Menschen mit Behinderungen ohne Probleme in den ersten Arbeitsmarkt eingebunden werden könnten, zahlen die Unternehmen lieber in den Ausgleichstaxenfonds ein, anstatt echte Inklusion zu leben. Dieser Umstand führt weiterhin dazu, dass die Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen in den Köpfen der Bevölkerung bestehen bleiben. Hier wäre es wichtig, ein neues System zu etablieren, das den Anreiz in den Vordergrund stellt und Menschen mit Behinderungen so wirklich die Chance auf einen sozialversicherungsrechtlich abgesicherten Arbeitsplatz gibt.

Aber um Menschen mit Behinderungen den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen zu können, muss schon bei der Ausbildung und Förderungen von Jugendlichen begonnen werden. Nur wenn Jugendliche mit Behinderungen die Chance erhalten, eine Ausbildung abzuschließen, können sie in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Doch nicht nur im Arbeitsleben gestaltet sich die Situation von Menschen mit Behinderungen äußerst schwierig. Während es im Bereich der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz bundesweit einheitliche Regelungen gibt, unterliegt die Gesetzgebung betreffend die Persönliche Assistenz im Freizeitbereich den Ländern. Dieser Umstand führt österreichweit zu großer Rechtsunsicherheit, da in den verschiedenen Bundesländern in diesem Bereich unterschiedlichste gesetzliche Regelungen vorliegen. Doch nicht nur die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Persönlichen Assistent sind unzureichend. Auch die Verfügbarkeit von persönlichen Assistentinnen und Assistenten ist mehr als mangelhaft. Betroffene berichten, dass es kaum möglich ist, eine Persönliche Assistenz zu bekommen und falls doch, dass diese nach nur wenigen Wochen wieder kündigen würden.

Bei der Persönlichen Assistenz geht es aber nicht nur um Unterstützung bei Freizeitaktivitäten. Auch die Unterstützung im alltäglichen Leben bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen muss mitgedacht werden, um Menschen mit Behinderungen eine vollständige Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen zu können.

Es braucht hier dringend klare und österreichweit einheitliche gesetzliche Regelungen und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der persönlichen AssistentInnen. Es bedarf darüber hinaus der Schaffung von Anreizen für diesen Beruf, damit die Verfügbarkeit von Persönlichen Assistenzen wieder gesichert werden kann.

Für die vollumfassende Inklusion von Menschen mit Behinderungen sind aber auch die baulichen Barrieren noch immer ein Hindernis. Im öffentlichen Raum gibt es viele Hürden, die von Menschen mit Behinderungen überwunden werden müssen, um am sozialen Leben teilhaben zu können. Obwohl nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz eigentlich alle öffentlich zugänglichen Gebäude und Verkehrslagen barrierefrei zugänglich sein müssten, ist dies leider noch immer nicht die Realität. Laut einer Erhebung einer großen Interessensvertretung sind knapp 50% der (Geschäfts)Lokale auf den wichtigen österreichischen Einkaufsstraßen noch immer nicht barrierefrei zugänglich.

Inklusion muss endlich als Chance für unsere Gesellschaft gesehen werden, von der wir alle profitieren.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen deshalb folgenden

                                                        Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zur umfassenden Inklusion und Gleichstellung mit folgenden Maßnahmen zu übermitteln:

-      Die Umstellung der Bezahlung in den Tagesstrukturen von einem Taschengeld auf einen Lohn/Gehalt und der damit einhergehenden umfassenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung für die dort Beschäftigten. Zusätzlich dazu sollen neue Konzepte vorgelegt werden, wie Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können, um die reine Beschäftigungstherapie zu beenden.

 

-      Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von Menschen mit Behinderungen soll erst nach einer längeren Erprobungsphase und unter der Berücksichtigung der vielfältigen Unterstützungsangebote von AMS und Sozialministeriumsservice und unter der Einbeziehung einer berufskundigen Expertise.

 

-      Die Einrichtung eines Inklusionsfonds, der nach dem Vorbild des Pflegefonds von Bund und Ländern gespeist wird und aus dem eine einheitliche Förderung der persönlichen Assistenz nach österreichweit gleichen Kriterien erfolgt.

 

-      Die Abschaffung der Ausgleichstaxen und die Schaffung eines echten Anreizsystems für Unternehmen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, bei der alle Unternehmen einen Beitrag leisten und jene, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, einen Bonus erhalten.

 

-      Die Erarbeitung eines Konzepts, um die Persönliche Assistenz im Freizeitbereich österreichweit einheitlich zu regeln.

 

-      Die Attraktivierung von Sozialbetreuungsberufen durch Verbesserung von Arbeitsbedingungen, um die Verfügbarkeit von Personen, die über die fachliche Qualifikation für die Persönliche Assistenz verfügen, zu steigern.

 

-      Die Erarbeitung von Konzepten, wie mehr Jugendliche mit Behinderungen in Berufsausbildungen gebracht werden, um diesen eine gute Zukunft ermöglichen zu können.

 

-      Die Minimierung von baulichen Barrieren im öffentlich zugänglichen Raum unter Beiziehung von ExpertInnen mit dem Ziel, diese Barrieren langfristig gänzlich zu beseitigen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales