2951/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 16.11.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Schluss mit Skandalen: umfassende Strukturreform gegen die Narrenfreiheit im Selbstbedienungsladen Wirtschaftskammer
Unzählige Skandale erschüttern die Wirtschaftskammer sowie ihre treibende politische Kraft, den Wirtschaftsbund. Der Wirtschaftsminister als Kontrollorgan schaut bei all dem zu. Politische Konsequenzen werden von den Regierungsparteien nicht gezogen.
Zu hohe Umlagen führen zu enormen Rücklagen und Überschüssen bei den Kammern
In den Kammergesetzen für die Arbeiterkammern und Wirtschaftskammern sind die Kammern zwar eindeutig als Non-Profit-Unternehmen (Ausgaben = Umlagen) definiert, trotzdem sind ihre Umlagen und Rücklagen in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als die Inflation. Das liegt zum einen daran, dass die Aufsicht der Kammern (Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft) zu wenig auf die Einhaltung der Kammergesetze pocht und zum anderen daran, dass in den Kammergesetzen die Umlagen-Höchstgrenzen zu hoch angesetzt (AK-Gesetz) oder gar nicht festgelegt sind (WK-Gesetz). Diese Umstände und die schleißige Aufsicht ermöglichen es den Kammern, regelmäßig Überschüsse zu erzielen. So nahmen die Wirtschaftskammern 2021 809 Mio. Euro an Umlagen ein und erzielten dabei 136 Mio. Euro an Überschüssen, was einer Umlagen-Rendite von 17 Prozent entspricht! Und das, obwohl die Wirtschaftskammern gleichzeitig noch 59 Mio. Euro an Zusatzpensionen zu stemmen hatten. Ähnlich verhielt es sich bei den Arbeiterkammern, die Umlagen in Höhe von 530 Mio. Euro einhoben und 67 Mio. Euro Überschuss erzielten, trotz 58 Mio. Euro Aufwänden für Zusatzpensionen. Die regelmäßigen Überschüsse führen dazu, dass die Rücklagen der Kammern in den letzten Jahren stark gestiegen sind. So liegen die Rücklagen den Arbeiterkammern mittlerweile bei 571 Mio. Euro (mehr als ein Jahresaufwand) und bei den Wirtschaftskammern bei 1,78 Mrd. Euro (mehr als der zweifache Jahresaufwand). Trotz all dem Reichtum der Wirtschaftskammern wurden alle NEOS-Anträge auf Kammerumlagensenkung von der Bundesregierung vertagt.

Rekord Parteienförderung reicht nicht: Bankomat Kammer
Ganz grundsätzlich werden die Kammern gerne von den politischen Parteien als Bankomat für Zusatzeinkommen angesehen. Denn neben den Ausgaben für das Führungspersonal, schütten die beiden großen Kammern in Österreich gemeinsam knapp EUR 33 Millionen pro Jahr als Fraktionsförderung aus, wie parlamentarische Anfragebeantwortungen belegen - zusätzlich zur Parteiförderung des Bundes sowie der Länder. Die Menge der Kammern-Fraktionsförderung ist sogar höher als die Parteienförderung des Bundes mit rund 31,8 Mio. Euro für heuer. Der Löwenanteil dieser Kammer-Millionen sprudelt vor allem aus den Wirtschaftskammern in den ÖVP-Wirtschaftsbund. All dieses Geld scheint der Parteien in der WK nicht zu reichen. Wie die Kleine Zeitung berichtet, zahlte die Wirtschaftskammer Steiermark an die Fraktionen im steirischen Wirtschaftsparlament zusätzliche COVID-Sonderfraktionsförderungen aus. Von diesen EUR 200.000 gingen immerhin EUR 133.788 an den ÖVP-Wirtschaftsbund.
Inserate der Wirtschaftskammern: Hohe Ausgaben für verdeckte Parteienfinanzierung und Selbstdarstellung samt Umgehung des Kopfverbotes
Die Ermittlungen rund um den Wirtschaftsbund Vorarlberg zeigen, dass mithilfe von Inseraten die Kassen der Fraktionen in der Wirtschaftskammern kräftig aufgebessert werden. Selbst die üppigen Förderungen (v.a. für den Wirtschaftsbund) reichen anscheinend nicht aus (Fraktionsförderungen: 2020 24,7 Mio. Euro / 2021 18,1 Mio. Euro). Allein im Jahr 2021 wurden rund 10,5 Mio. Euro an Inseraten in den Wirtschaftskammern geschaltet:
|
Kammer |
Ausgaben 2021 |
|
Burgenland |
88.782,85 |
|
Kärnten |
223.878,18 |
|
Niederösterreich |
1.064.762,21 |
|
Oberösterreich |
599.119,81 |
|
Salzburg |
434.296,05 |
|
Steiermark |
593.977,20 |
|
Tirol |
297.705,31 |
|
Vorarlberg |
423.876,11 |
|
Wien |
2.382.328,51 |
|
Österreich |
4.376.594,82 |
Das Muster wiederholt sich in unterschiedlichen Bundesländern: Eine Fraktion gibt ein Magazin heraus und lässt die Kammern Inserate darin schalten. Auf diese Art flossen in den letzten 10 Jahren 101.070 Euro an den Wirtschaftsbund Vorarlberg oder 68.788 Euro an den Wirtschaftsbund Kärnten. Ähnliches geschieht aber auch in Oberösterreich, wo seit 2012 Inserate in Höhe von 341.290 Euro an das Volksblatt vergeben wurden, welches im Eigentum der ÖVP Oberösterreich steht. Zudem wird der eigene Einfluss geltend gemacht, um bei Wirtschaftstreibenden um Inserate zu keilen. Aus einer Auflistung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes bzw. des zuständigen Finanzamts geht hervor, dass zwischen 2018 und 2020 ca. 1.300 Inserate im Monatsmagazin "Vorarlberger Wirtschaft" rund 2,9 Mio. Euro in die Kassen der schwarzen Fraktion gespült wurden. Diese Vorgänge sind im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgeflogen, da für diese fragwürdigen Einnahmen nicht mal Steuern gezahlt wurden. Der Wirtschaftsbund Vorarlberg soll daher Abgaben in Höhe von rund 1,3 Mio. nicht beglichen haben. All diese publik gewordenen Machenschaften lösen aber keine Konsequenzen aus. Der zuständige Bundesminister Kocher sieht keinen Grund für eine Änderung des Wirtschaftskammergesetzes. Weder Inserate ohne Gegenleistung an die eigene Fraktion noch aggressive Inseratenkeilerei oder gar festgestellte Verstöße gegen abgabenrechtliche Vorgaben lösen ein Eingreifen vonseiten der gesetzlichen Aufsicht oder der Regierungsparteien aus.
Ausgabenparadies Wirtschaftskammer: Verschwendung von Mitgliederbeiträgen
Ein interner Kontrollbericht der WKO verdeutlicht im Jahr 2021, wie Pflichtbeiträge innerhalb der Wirtschaftskammern verschwendet werden. Der Prüfbericht des Kontrollausschusses der Wirtschaftskammer (WKO) über die Gebarung 2019 zeigt ein erschreckendes Bild im Umgang mit den Pflichtbeiträgen der Mitglieder. Darin werden zahlreiche dubiose Kostenstellen im Rechnungsabschluss 2019 hervorgestrichen. Ein verschwenderischer Stil, wie aus einer anderen Zeit, wird auf allen Ebenen gelebt: von teuren Beratungsleistungen ohne Grundkonzept, Kurzurlauben von Kammerfunktionären in Griechenland, Mitgliedschaften in Golf-, Yacht- oder Sportvereinen, etc. Zu all dieser frei gelebten Verschwendung innerhalb der Wirtschaftskammer gesellt sich auch ein gravierender Mangel an Sorgfalt im Umgang mit Abrechnungen. Wegen der immensen Rücklagen und der auch in der Krise stetig einfließenden hohen Einnahmen aus den Kammerumlagen scheinen Rückforderungsansprüche in der Wirtschaftskammer nicht besonders ernst genommen zu werden. Bei einer im Ausland tätigen Außenwirtschaftsmitarbeiterin wurde zum Beispiel vergessen, den gewährten Gehaltsvorschuss zurückzufordern. Die Wirtschaftskammern sind gemäß § 131 WKG an Gebarungsgrundsätze gebunden. Da der Rechnungshof aber nicht die Zweckmäßigkeit von Ausgaben überprüfen darf, fühlen sich die Funktionäre offensichtlich nicht mal daran gebunden, wenn die Kritik von internen Kontrollorganen kommt. In einer Anfragebeantwortung bestätigte BM Schramböck, dass sie solche Berichte nur zur Kenntnis nimmt. Gleichzeitig versicherte sie darin, dass "nach endgültiger Abklärung der aufgelisteten Punkte umgehend die Lösung allenfalls noch anstehender Probleme" erfolgen und den "Evaluierungsprozess laufend überwachen" würde. Der Endbericht war ein einseitiger Persilschein, in welchem knapp festgehalten wurde, dass alles in Ordnung sei. Vonseiten des zuständigen Wirtschaftsministeriums wurden dennoch keine Schritte gesetzt.
Wahlbetrug bei der Wirtschaftskammerwahl 2020
In den Medien wurde nicht lange nach der Wirtschaftskammerwahl 2020 über Anzeichen für Wahlbetrug in bestimmten Fachgruppen berichtet. Mehrere Zeugen haben ausgesagt, dass sie zur Stimmabgabe gedrängt, bzw. darüber getäuscht worden sind, was ihnen von ihren Vorgesetzten zur Unterschrift vorgelegt worden ist. Zudem bestand der Verdacht, dass Unterschriften gefälscht worden sind. In anderen Fachgruppen hat den Berichten zufolge eine massive Beeinflussung bei der Ausübung des Wahlrechts stattgefunden, indem selbständige Dienstleister:innen von kandidierenden Personen, zu denen diese in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen, zur Stimmabgabe gedrängt worden sind. In mehreren Bundesländern wurden daraufhin Ermittlungen gegen Vertreter:innen des Wirtschaftsbunds (ÖVP), des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SPÖ) und der Freiheitlichen Wirtschaft (FPÖ) aufgenommen. Im September 2021 ist dann ein Kandidat des ÖVP-Wirtschaftsbundes, der für die Fachgruppe Personenbetreuung kandidiert hatte, vom Bezirksgericht Neusiedl am See wegen der Fälschung von Stimmzetteln rechtskräftig verurteilt worden. NEOS fordert schon lange eine Reform der Wirtschaftskammern und insbesondere des Wahlrechts, welches aufgrund seiner Komplexität zu unfairen Ergebnissen führen kann und wie sich nun zeigt, Betrug begünstigt. Das Bundesministerium für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung ist gemäß § 136 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz (WKG) die Aufsichtsbehörde der Wirtschaftskammern und der Fachorganisationen. Angesichts dieser schwerwiegenden Verurteilung braucht es echte Kontrollmechanismen. Schon allein zum Schutz des Ansehens von Wahlen innerhalb der Bevölkerung braucht es Regelung zur Sicherstellung einer schärferen Überwachung der Einhaltung demokratischer Grundsätze bei Wirtschaftskammerwahlen. Entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sollen darin auch enthalten sein. Um ihre Legitimität vor ihren zur Mitgliedschaft verpflichteten Mitgliedern zu wahren, braucht es ein runderneuertes Wahlrecht. Die Wirtscahftskammer hat zwar mit Bekanntwerden des Skandals ein Reformprozess angekündigt, geändert wurde aber letztlich nichts.
Missachtung des Wirtschaftskammergesetzes für mehr Posten und noch höhere Zulagen
Am 3.11.2022 wurden durch Medienberichte fragwürdige Zustände in der Wirtschaftskammer Steiermark bekannt, z.B. Sonderdotierungen für Wirtschaftskammer- und Wirtschaftsbundchef Josef Herk, präsidiale, teure Essensrunden, schöne Aufsichtsratsposten für die Gattin des Präsidenten, Dienstkarossen plus Chauffeure und intern kritisierte überdimensionierte "Protzbauten", die geplant seien. Josef Herk bezieht monatlich brutto 4.000,- Euro (12 x im Jahr) aus den Töpfen des Wirtschaftsbundes zusätzlich zu seiner Funktionärsentschädigung als Wirtschaftskammer-Präsident in der Höhe von 6.625,- Euro (brutto, 12 x im Jahr). Als Vize-Chef des Wirtschaftsbund auf Bundesebene erhält er weitere 2.000,- Euro brutto monatlich. Damit erhält er aus Aufwands- und Funktionärsentschädigungen insgesamt rund 12.625,- Euro brutto im Monat. Auf Nachfrage enthüllte Herk auch noch den Bezug als Geschäftsführer seiner eigenen Spenglerei: "Da beziehe ich 3.700 brutto." Am 4.11.2022 nahm Josef Herk in einer Pressekonferenz zu den Enthüllungen Stellung und entschuldigte sich bei allen Mitgliedern und "bei seinem nächsten Umfeld" für die "Optik". Am 5.11.2022 hat sich der ÖVP-Wirtschaftsbund voll hinter Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk gestellt. In der Landes-Gruppenleitungs-Sitzung haben die Funktionäre dem wegen seines Gehalts in die Kritik Geratenen einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. Bei all der berechtigten Aufregung rund um die Enthüllungen muss jedoch festgehalten werden, dass die Wirtschaftskammer Steiermark gegen das Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) auf mehrfache Weise hinsichtlich der Zahl der Vizepräsidenten, der Zuständigkeit des beschlussfassenden Organs sowie Beschlussfähigkeit rund um eigene Aufwandsentschädigung verstoßen haben könnte (Natürlich gelten für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung und die Unmutsverschuldung.) Die zuständige Aufsicht, Wirtschaftsminister Kocher, hat sich dazu nicht geäußert. Nach § 53 Abs 1 Z 3 WKG sind Funktionäre abzuberufen, wenn "sie sich eine gröbliche Verletzung oder Vernachlässigung ihrer Pflichten zuschulden kommen lassen." In solchen Fälle ist laut § 53 Abs 2 die Aufsichtsbehörde für die Abberufung der Funktionäre zuständig. Hier besteht kein Ermessensspielraum. Die Funktionäre "sind abzuberufen", nicht "können abberufen werden". Der Minister steht hier also unter Handlungszwang.
Viel ist passiert und keine Lehren wurden daraus gezogen - NEOS fordern ein Ende des Wegschauens vonseiten der Regierungsparteien!
Nach all den Skandalen ist klar, das marode System der Wirtschaftskammern ist nicht reformierbar. Es hat keine Selbstreinigungskräfte. Wie bei einer Hydra wachsen jedem abgeschlagenen Korruptionskopf zwei neue nach.
Effizienz und Transparenz bei der Verwendung der Mitgliedsbeiträge sowie faire Wahlen nach demokratischen Standards müssen sichergestellt werden!
Angesichts all der Skandale und offensichtlicher Mittelverwerschwendung muss es Unternehmer:innen ermöglicht werden, die Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer kündigen zu können!
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird
aufgefordert, Konsequenzen aus all den Skandalen der Wirtschaftskammer zu
ziehen und eine Änderung des Wirtschaftskammergesetzes vorzulegen, bei der
das System der Wirtschaftskammern in der Form neu gestaltet wird, dass den
Mitgliedern ein Austrittsrecht zukommt."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.