3008/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 18.11.2022
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Christian Lausch, Mag. Harald Stefan, Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm, Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung

 

Insassen von Justizanstalten sind – sieht man von der Arbeitslosenversicherung für arbeitende Häftlinge ab – nicht sozialversichert. Die Kosten für ihre ärztliche Betreuung und medizinische Behandlung werden unabhängig von der Arbeitsleistung direkt vom Bund getragen. Ärzte und Krankenanstalten verrechnen dem Justizministerium den Tarif für unversicherte Privatpatienten, der deutlich über den von den Sozialversicherungsträgern eingehobenen Beiträgen liegt und in den letzten Jahren stets erhöht wurde.

 

An dieser massiven Geldverschwendung hat der Rechnungshof schon vor Jahren in seinem Bericht „Kosten der medizinischen Versorgung im Strafvollzug – Bund 2012/3“ deutliche Kritik geübt und Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt. „Die Ausgaben für die medizinische Versorgung von Häftlingen stiegen von 29,34 Mill. EUR (2000) auf 73,76 Mill. EUR (2010). Im Durchschnitt betrugen die Ausgaben pro Häftling 2009 8.418 EUR und waren damit rund dreimal so hoch wie die laufenden öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf in Österreich.“, ist weiters dem Bericht zu entnehmen.

 

Die Gesundheitsausgaben für die Insassen von Justizanstalten steigen trotz des in den letzten Jahren etwa gleichgebliebenen Gesamtbestandes an Insassen weiterhin ungebremst. Derzeit betragen sie schon weit mehr als 100 Millionen Euro (2022 bzw. Budget 2023), wie aus einer Beantwortung von Justizministern Dr. Alma Zadic im Budgetausschuss vom 14. November 2022 an Oppositionsabgeordnete von FPÖ, SPÖ und NEOS hervor geht:

 

Hafttagkosten pro Häftling 2021: 157,9 Euro

Hafttagkosten Medizinische Versorgung pro Häftling 2021: 7,16 Euro

Entgelte an öffentliche Krankenanstalten bzw. Ambulatorien 2022/01-10: 22,819 Mio. Euro

Entgelte für Unterbringung und medizinische Versorgung Budget 2023: 43,580 Mio. Euro

Entgelte für externe Unterbringung gemäß § 21 StGB Budget 2023: 86,557 Mio. Euro

Entgelte an öffentliche Krankenanstalten bzw. Ambulatorien Budget 2023: 13,686 Mio. Euro

 

Krankenversicherung für Häftlinge: Ein Wiedergänger

ÖVP und Grüne wollen im Justizbereich prüfen, Häftlinge in die Krankenversicherung aufzunehmen, um Geld zu sparen. Das stößt bei der SPÖ auf Widerstand: Die Regierung wolle den Versicherten die Kosten für die Gesundheitsbetreuung von Häftlingen umhängen, so die Kritik. Ein Blick zeigt allerdings, dass die Debatte schon alt ist.

Hintergrund ist, dass derzeit die anfallenden Kosten für die medizinische Betreuung von Häftlingen aus dem Budget bezahlt wird. Dabei fallen vergleichsweise höhere Kosten an, weil es keine Gesamtverträge mit Ärztekammer oder Spitälern gibt, wie sie Krankenkassen für ihre Versicherten aushandeln. Laut einer parlamentarischen Anfrage wurden 2018 95 Millionen für die medizinische Versorgung von Häftlingen ausgegeben.

Plan von ÖVP-FPÖ, aber auch SPÖ-ÖVP

Denn der Punkt findet sich nicht nur im aktuellen Regierungsprogramm, sondern ähnlich auch in früheren Regierungsabkommen: „Einbeziehung der Insassen in die gesetzliche Krankenversicherung ohne Einbeziehung der Angehörigen“ hieß es wörtlich im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm von 2017. Aber auch SPÖ und ÖVP hatten das in ihrer letzten gemeinsam Koalition paktiert. Freilich mit dem Unterschied, dass es dort als Kann-Bestimmung formuliert war: „Prüfung der Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung“.

Ins türkis-grüne Regierungsprogramm wurde die Formulierung von ÖVP und FPÖ wortident übernommen. Allerdings gibt es noch den Zusatz, „Prüfung organisatorischer Alternativen zur Sicherung der medizinischen Versorgung der Insassen". Genannt werden dabei etwa verstärkte Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Trägern mittels Gesamtvertrags statt vieler teurer Einzelverträge“, „zeitliche Ausweitung der ärztlichen Leistungen in den Anstalten“ und „Kooperation mit Bundesheer“.

Zwei grüne Ressorts zuständig

Zuständig für die Umsetzung sind zwei grüne Ressorts: das Justizministerium von Alma Zadic und das Sozialministerium von Rudolf Anschober. Aus dem Kabinett Anschobers wurde gegenüber ORF.at betont, beide Ressorts würden gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Konkrete Schritte gab es bisher keine. Von Grünen-Seite wurde zudem betont, dass die Finanzierung via Krankenversicherung keineswegs fix sei – und auf die im Regierungsübereinkommen festgehaltene Prüfung von Alternativen verwiesen.

Muchitsch: „Das ist unglaublich“

In einer Aussendung hatte Sozialsprecher Josef Muchitsch nach einer Beratung des Regierungsprogramms im Sozialausschuss vor einer zusätzlichen Belastung der Versichertengemeinschaft mit 100 Millionen Euro jährlich gewarnt. „Das ist unglaublich! Das ist Aufgabe des Staates und nicht die der Krankenversicherten“, sagte er.

Krankenversicherung für Häftlinge: Ein Wiedergänger - news.ORF.at

 

Es geht aber nicht um eine „Verlagerung“ der Kosten in einen Sozialversicherungsträger, wie etwa der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), sondern es muss Kostenwahrheit herrschen und Kriterien wie der Insassen-Status der Häftlinge, die Herkunft der Häftlingen sowie der bisherige Sozialversicherungsstatus herangezogen werden.

 

Ausgangspunkt - es sitzen aktuell ca. 10.000 Personen in Österreich in Justizhaft - ca. 6.000 Personen verbüßen eine Strafhaft, weitere 4.000 Personen sind in Untersuchungshaft usw.

 

Wenn die Person, die einer Straftat verdächtig oder beschuldigt wird und deshalb in Untersuchungshaft (U-Haft) kommt eine Krankenversicherung (e-card) hat, läuft diese mal bis zur Hauptverhandlung (rechtskräftiges Strafurteil) weiter. Das heißt bei einer U-Haft (Unschuldsvermutung) könnte man das Justizbudget in Sachen medizinischer Versorgung um 70 Prozent entlastet. Das würde auch in der Justizverwaltung eine Vereinfachung bewirken, da ca. 20 Prozent der Untersuchungshäftlinge bereits vor der Hauptverhandlung wieder auf freien Fuß kommen.

Die ca. 6.000 Strafhäftlinge sind zur Arbeit in der Justizanstalt gesetzlich verpflichtet.  Ihnen wird auch ein Sozialbeitrag (Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeitrag) vom Arbeitsverdienst abgezogen. Wenn er aus der Strafhaft entlassen wird, haben sie deshalb auch Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hier könnte man auch zu einem gewissen Deckungsbeitrag für die medizinische Versorgung kommen.

Weitere Problembereiche und Kostentreiber sind:

 

Die Zugangsuntersuchung: Kosten hängen von steigenden Häftlingszahlen ab

Der Krankenhausaufenthalt: Der größte Kostentreiber

Drogenersatzstoffe: Der 2. größte Kostentreiber 

Psychisch Kranke:  Der 3. größter Kostentreiber 

Die Selbstbeschädigung: Mit Folgekosten verbunden

 

Hier ist eine Gesamtreform notwendig, die folgende Eckpunkte berücksichtigen muss:

 

-       Insassen-Status der Häftlinge als Versorgungs- und Abrechnungspfad (Untersuchungshäftlinge, Strafgefangene)

-       Herkunft der Häftlinge (Staatsbürger, Ausländer, sonstige EU-Staatsbürger, Drittstaatsangehörige, Staatenlose, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, Asylwerber) als Versorgungs- und Abrechnungspfad

-       Bisheriger Sozialversicherungsstatus der U-Häftlinge und Strafhäftlinge: ÖGK, SVS, BVAeB, KFA, Mitversichertenstatus, Sozialhilfe/Mindestsicherung, ausländischer Sozialversicherungsstatus usw.

-       Prüfung der Mitversicherungsmöglichkeit bei Angehörigen, die in ÖGK, SVS, BVAeB, KFA bzw. ausländischer Sozialversicherung versichert sind

-       Deckungsbeitrag durch Sozialbeitrag (Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeitrag) vom Arbeitsverdienst

-       Heranziehung von Privatversicherungsleistungen, wo vorhanden bzw. wenn von Angehörigen oder Dritten zur Verfügung gestellt

 

Gleichzeitig müssen in dieser Regierungsvorlage die Synergien bei der Verwaltung und Bereitstellung der Gesundheitsversorgung der Häftlinge und die Erstellung eines Basis-Leistungskatalogs und Ergänzungsleistungskatalog für U- und Strafhäftlinge  definiert und final festgelegt werden.“

 

Darüber hinaus sind im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen folgende Fakten zu berücksichtigen bzw. Lösungsansätze zu bewerten und weiter zu verfolgen:

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche die Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung vorsieht. Dieser Regierungsvorlage sollen folgende Eckpunkte zugrunde gelegt werden:

 

-       Insassen-Status der Häftlinge als Versorgungs- und Abrechnungspfad (Untersuchungshäftlinge, Strafgefangene)

-       Herkunft der Häftlinge (Staatsbürger, Ausländer, sonstige EU-Staatsbürger, Drittstaatsangehörige, Staatenlose, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, Asylwerber) als Versorgungs- und Abrechnungspfad

-       Bisheriger Sozialversicherungsstatus der U-Häftlinge und Strafhäftlinge: ÖGK, SVS, BVAeB, KFA, Mitversichertenstatus, Sozialhilfe/Mindestsicherung, ausländischer Sozialversicherungsstatus usw.

-       Prüfung der Mitversicherungsmöglichkeit bei Angehörigen, die in ÖGK, SVS, BVAeB, KFA bzw. ausländischer Sozialversicherung versichert sind

-       Deckungsbeitrag durch Sozialbeitrag (Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeitrag) vom Arbeitsverdienst

-       Heranziehung von Privatversicherungsleistungen, wo vorhanden bzw. wenn von Angehörigen oder Dritten zur Verfügung gestellt

 

Gleichzeitig müssen in dieser Regierungsvorlage die Synergien bei der Verwaltung und Bereitstellung der Gesundheitsversorgung der Häftlinge und die Erstellung eines Basis-Leistungskatalogs und Ergänzungsleistungskatalog für U- und Strafhäftlinge  definiert und final festgelegt werden.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuzuweisen.