3097/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 25.01.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl

und weiterer Abgeordneter

betreffend Keine Anlegerwohnungen bei Wohnungsgenossenschaften

 

 

Gemeinnützige Bauvereinigungen leisten einen zentralen und wertvollen Beitrag zur leistbaren Wohnversorgung in Österreich und insbesondere in Wien. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ist verfassungsmäßig im Volkswohnungswesens gem. Art. 11 Abs. 1 Z 3 B-VG verankert.

 

Dem sozialen Charakter der Wohnungsgemeinnützigkeit entspricht, dass die Selbstnutzung des Wohnraumes klar im Fokus steht. Dies geht klar aus der gemeinnützigen Vermögensbindung gem. § 1 Abs. 2 WGG sowie aus dem Personenkreis gem. § 8 WGG hervor. Dies bildet sich exemplarisch auch in den Erläuterungen zur WGG-Novelle 2019 ab.[1] Wesentlicher Literatur ist dies ebenfalls zu entnehmen. So betont Keinert:

 

Unter Wohnung versteht man einen in sich abgeschlossenen Teil eines Gebäudes, welcher der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungsinhabers und seiner Familie im weitesten Sinn zu dienen bestimmt ist.[2]

 

Das Konzept der Anleger- bzw. Vorsorgewohnung steht zu den genannten Prämissen in unmittelbarem Widerspruch. Im Artikel „Sozialwohnungen drohen in die Hand von Investoren zu fallen“ vom 05.12.2022, erschienen im „Kurier“, werden diesbezügliche Fehlentwicklungen aufgezeigt und bereits drastische Warnungen laut: GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer sieht dringenden regulatorischen Handlungsbedarf und gibt an, dass bereits Bestrebungen zum Erwerb von Sozialwohnungen durch Investoren bestehen. Der sozialdemokratische Verein für Wohnbauförderung positionierte sich in OTS 0023 vom 14.12.2022 ebenfalls klar und eindeutig gegen Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau. Auch die Sozialpartner in Gestalt der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer stellen sich explizit gegen diese nunmehr einsetzende Entwicklung, die nicht zuletzt durch das Wirtschaftsministerium befördert wird. Der niederösterreichische Landtag fasste am 15.12.2022 den Beschluss, Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau hintanzuhalten und die für Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen zuständige Abteilung entsprechend anzuweisen.  Der zugrundeliegende FPÖ-Antrag vom 28.11.2022, AZ Ltg.-2391/A-3/784-2022 wurde einstimmig angenommen. 

 

Auch die Literatur positioniert sich deutlich gegen Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau – und ortet im Zusammenhang mit der zugehörigen Legistik erhebliche Mängel. Holoubek/Hanslik-Schneider kritisieren in der aktuellen Auflage Illedits, Wohnrecht  Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4 die gegenständlichen Erläuterungen zur WGG-Novelle 2022 in aller Deutlichkeit:

 

Die Begründung zur WGG-Novelle 2022, BGBl I 2022/88, zum neu gefassten § 10a Abs 1 lit d WGG (IA 2571 BlgNR 27. GP 3 bzw AB 1522 BlgNR 27. GP 1) ist überschießend bzw zu wenig differenziert, weil sie sich allgemein auf „Paketverkäufe“ und nicht auf die mit BGBl 2022/88 letztlich erfolgte Änderung in § 10a Abs 1 lit d WGG im Hinblick auf (die Ausnahme von) Ein- und Abstellplätzen bezieht“.[3]

 

Auch Prader/Pittl verweisen in ihrem aktuellen Kommentar auf die Rechtsposition des Revisionsverbandes, wonach der Sofortverkauf von Wohnraum außerhalb der Selbstnutzung grundsätzlich als Ausnahmegeschäft gem. § 7 Abs. 4 WGG zu qualifizieren ist.[4]

 

Dass die Etablierung von Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau durch gewisse Kreise gezielt befördert wird, lässt sich exemplarisch der Vortragsunterlage der Wohnen Plus Akademie zur „Freitag-Akademie für Führungskräfte, Modul 96, Spekulation im geförderten Wohnbau verbieten?“, 18.11.2022, entnehmen: Eine für die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen zuständige Hofrätin aus dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Referat Rechtsangelegenheiten – Aufsicht, verwässert die Selbstnutzung gemeinnützigen Wohnraumes massiv. Unter Bezugnahme auf erfolgte Wohnungsverkäufe an Anleger relativiert sie ein Genehmigungserfordernis gem. § 7 Abs. 4 WGG pauschal.[5] Damit negiert sie die Ansichten etwa des genossenschaftlichen Revisionsverbandes und der ebenfalls zuständigen Finanzverwaltung.

 

Zudem betont die Hofrätin einseitig, dass die Selbstnutzung gemeinnützigen Wohnraumes faktisch nicht kontrollierbar sei. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass etwa im Falle von Verkäufen an gewerbliche Immobilienanlagegesellschaften sowie in Fällen, in denen die Mehrwertsteueroption gezogen wird, Selbstnutzung wohl ausgeschlossen werden kann. Die Fragestellung der Selbstnutzung ist also mit vertretbarem Aufwand im Vorfeld sehr wohl über weite Teile beherrschbar.

 

Mit dieser Aufweichung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Interesse von Investoren blieb besagte Hofrätin im Rahmen der erwähnten Veranstaltung nicht allein. Ein weiterer Vortragender argumentierte für die Zulässigkeit von Paketverkäufen an Anleger im steuerfreien Hauptgeschäft gemeinnütziger Bauvereinigungen und gegen die Maxime der Selbstnutzung:

 

Seit WGG-Nov 2022 ist daher mE davon auszugehen, dass (ohne Nachweis einer Selbstnutzung!): gem. § 7 Abs. 1a Z 1 WGG iVm § 10a Abs. 1 lit. d WGG die “sofortige” Veräußerung (im “Neubau”) von bis zu drei Wohnungen und/oder Geschäftsräumlichkeiten (in einer Baulichkeit) an eine natürliche oder juristische Person sondergenehmigungsfrei als Hauptgeschäft zulässig ist.[6]

 

Der Klammerausdruck „in einer Baulichkeit“ ist ebenso unscheinbar, wie an Brisanz kaum zu überbieten. Dies würde bedeuten, dass ein Anleger von einer gemeinnützigen Bauvereinigung in beispielsweise 10 Anlagen je 3 Wohnungen – also ein Paket über 30 Einheiten – erwerben dürfte. Eine verheerende Interpretation, die dem schleichenden Ausverkauf des gemeinnützigen Wohnbaus Tür und Tor öffnet.

 

Zu erwähnen ist, dass sich maßgebliche Fachautoren gegen derartige Interpretationen aussprechen – und legistische Mängel orten:

 

Die Begründung zur WGG-Novelle 2022, BGBl I 2022/88 zum neu gefassten § 10a Abs. 1 lit d WGG (IA 2571 BlgNR 27. GP 3 bzw AB 1522 BlgNR 27. GP 1) ist überschießend bzw zu wenig differenziert, weil sie sich allgemein auf „Paketverkäufe“ und nicht auf die mit BGBl I 2022/88 letztlich erfolgte Änderung in § 10a Abs. 1 lit d WGG im Hinblick auf (die Ausnahme von) Ein- und Abstellplätzen bezieht.[7]

 

Dieser schleichenden Abschaffung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft durch die Aushöhlung ihrer Grundprinzipien ist insbesondere im Sinne der Wohnversorgung der Menschen auch in Wien entschieden entgegenzutreten. Auch entsprechender politischer Druck ist erforderlich, um das zuständige Wirtschaftsministerium zur Abkehr seiner neoliberalen Agenda zu bewegen. 

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der zuständige Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft werden aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Klarstellung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes dahingehend vorsieht, dass Anlegerwohnungen im Geschäftskreis gem. § 7 Abs. 1 bis 3 WGG keine Deckung finden.“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird Zuweisung an den Ausschuss für Bauten und Wohnen gefordert.



[1] 907/A, XXVI. GP Seite 16

[2] Keinert, WGG (1979) § 1 Abs 2 WGG Rz 3

[3] Illedits, Wohnrecht  Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4

[4] Prader/Pittl, WGG Kurzkommentar (2022) § 7 WGG Rz 6

[5] Vortragsunterlage Seite 31

[6] Vortragsunterlage Seite 5

[7] Holoubek/Hanslik-Schneider in Illedits, Wohnrecht Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4