3155/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 01.02.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Petra Tanzler,

Genossinnen und Genossen

betreffend Kinderschutz an Schulen und elementarpädagogischen Einrichtungen

Nach mehreren Missbrauchsfällen sowie dem Fall Teichtmeister hat die Regierung ein Paket mit Maßnahmen für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt mit dem Fokus auf sexuelle Gewalt vorgestellt. So sollen unter anderem die Strafen für Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen erhöht und Präventionsmaßnahmen verstärkt werden. Auch wenn das Paket grundsätzlich zu begrüßen ist, fehlen doch einige Punkte bzw. bleibt die Umsetzung einiger Maßnahmen unklar. Es fehlt beispielsweise die Einrichtung von Gewalt­schutzambulanzen, die akuten und unmittelbaren Kindesmissbrauch feststellen, Beweise sichern und beim Schutz und der Aufklärung helfen können. Diese wären eine wichtige Anlaufstelle für Missbrauchsopfer und ein großer Beitrag zur Aufklärung von Gewalt an Kindern und Frauen. Auch das Zurückgreifen auf vorhandenes Know-How wäre wünschenswert, gibt es doch bereits Organisationen wie den Dachverband für Kinderschutz­zentren, die in dem Ministerratsvortrag keine Erwähnung finden, welche jedoch umfassende Kompetenzen zu Kinderschutz und Kindesmissbrauch haben.

Im Schulbereich sieht der Ministerratsvortrag die Implementierung von Kinderschutzkonzepten in allen österreichischen Schulen vor. Interessant ist jedoch, dass für das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung keine zusätzlichen Mittel dafür vorgesehen sind, wie das für andere Ministerien der Fall ist. Daher ist zu befürchten, dass diese Aufgabe einmal mehr an die Schulen delegiert wird, ohne dass zusätzliches Personal oder finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Schulen dürfen jedoch mit diesem wichtigen Thema nicht allein gelassen werden. An den Schulen fehlt oft das spezifische Know-how und auch durch den Personalmangel sind die nötigen Personalressourcen für gute Kinderschutzkonzepte nicht gegeben. Die Erstellung von Kinderschutzkonzepten darf nicht zur Alibi-Aktion verkommen, dafür ist der Schutz unserer Kinder zu wichtig. Das Ministerium ist gefordert, unter Einbeziehung von externem Know-how von spezialisierten Einrichtungen wie Kinderschutzzentren Vorlagen für institutionenangepasste Kinderschutzkonzepte auszuarbeiten, die am Schulstandort nur minimal adaptiert werden müssen. Völlig unverständlich ist es, dass Maßnahmen für den elementarpädagogischen Bereich, also die Kindergärten, fehlen. Hier wird lediglich auf den Kompetenzbereich der Länder verwiesen und von Austausch gesprochen. Das ist zu wenig! Auch für den elementarpädagogischen Bereich braucht es österreichweit verbindliche institutionenangepasste Kinderschutzkonzepte.

Jedenfalls müssen die Kinderschutzkonzepte von einem breiten Gewaltbegriff ausgehen und die spezifischen Gegebenheiten unterschiedlicher Schulstufen, Schularten und elementarpädagogischer Institutionen berücksichtigen. Es muss klargestellt sein, dass es nicht nur um Verhinderung von sexueller Gewalt geht, sondern auch um psychische Gewalt und ein Umfeld, das die Anbahnung begünstigt, wie eine Kultur der Abwertung, Beschämung, Beschimpfung oder Drohung. Grundlage der einrichtungsangepassten Kinderschutzkonzepte muss eine genaue Risikoanalyse sein, die untersucht, welche Situationen für Kinder in der Schule oder elementarpädagogischen Institution gefährlich sein könnten (z. B. Turnen, Duschen, Ausflüge, Sportwochen etc.). Auf alle Fälle beinhalten müssen die Kinderschutzkonzepte klare Abläufe, Zuständigkeiten und Meldeketten. In der Vergangenheit dauerte es oftmals zu lange, bis alle zuständigen und verantwortlichen Akteur*innen über die Vorfälle informiert wurden. Daher sind bei Missbrauchsverdacht verpflichtende Meldungen an das Schulqualitätsmanagement und die Einbeziehung der Schulsozialarbeit und Schulpsycholog*innen vorzusehen.

Aktuell besteht die Pflicht der Schulleitungen gemäß § 48 SchUG bei Gefahr in Verzug (z.B. bei begründetem Verdacht auf Familiengewalt oder sexuellen Missbrauch) die Kinder- und Jugendhilfe einzuschalten und den Fall damit der zuständigen Behörde zu übermitteln. Die Gefährdungsmitteilung ist zu erstatten, sobald die Einschätzung über Vorliegen eines konkreten Verdachts getroffen ist und hat schriftlich zu erfolgen. Scheint der Lehrkraft eine Anzeige im Sinne des § 78 Abs. 3 StPO erforderlich, muss die Schulleitung informiert werden. Auch das Dienstrecht sieht eine Meldepflicht bei begründetem Verdacht von strafbaren Handlungen an die Dienststellenleitung vor, außer die Meldung würde das Vertrauensverhältnis zur Schülerin/zum Schüler beeinträchtigen. Demnach trägt in Schulen jeweils die Schulleitung die Verantwortung. Die weiteren Entscheidungen, ob Jugendamt, Sozialarbeit, Polizei oder Schulqualitätsmanagement verständigt werden, trifft die Schuldirektion, bei der die Informationen zusammenlaufen. In dieser Verantwortung muss die Schulleitung besser unterstützt werden. Durch eine verpflichtete Einbeziehung von Schulqualitätsmanagement und Schulsozialarbeit und Schulpsycholog*innen wird die Entscheidungsbasis verbreitert, um den jeweils besten nächsten Schritt für betroffene Kinder und Jugendliche zu definieren. Dafür braucht es aber eine personelle Aufstockung in diesem Bereich.

Ergänzt werden sollen die Kinderschutzkonzepte durch eine anonyme Anlaufstelle, an die sich Schüler*innen, Lehrer*innen und Erziehungsberechtigte wenden können. Gerade bei Gewalt und Missbrauch besteht oftmals große Zurückhaltung, derartiges anzuzeigen bzw. bekannt zu machen - auch aus Angst vor negativen Konsequenzen. Hier braucht es eine niederschwellige anonyme Anlaufstelle, die substanziellen Meldungen nachgeht. Ergänzt werden soll diese Möglichkeit durch eine generell offenere Feedbackkultur, die es Schüler*innen ermöglicht, Bedenken zu äußern und Verbesserungsvorschläge einzubringen.

Weiters ist im Ministerratsvortrag der Bundesregierung zwar die Rede von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die Lehrer*innenausbildung wird jedoch nicht erwähnt. Es braucht jedoch bereits hier eine verstärkte Sensibilisierung für Missbrauch und Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Diese muss verpflichtender Inhalt des Lehramtscurriculums sein und ausführlich behandelt werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, rasch unter Einbeziehung von Expert*innen verpflichtende institutionenangepasste Kinderschutzkonzepte inklusiver anonymer Anlaufstellen zu erarbeiten und den Schulen die notwendigen finanziellen und materiellen Ressourcen zur Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wird der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung aufgefordert, auch in der Lehrer*innenausbildung einen Schwerpunkt auf Gewaltprävention zu legen und rasch gemeinsam mit den Ländern verpflichtende Kinderschutzkonzepte für den elementarpädagogischen Bereich zu erarbeiten.“

 

Zuweisungsvorschlag: Unterrichtsausschuss