3195/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 01.03.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Henrike Brandstötter, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Neue Gesellschaftsform: Notwendige Reformen für unkompliziertes Gründen!

 

Das österreichische Gesellschaftsrecht gilt schon lange als reformbedürftig, und selbstverständlich hat auch die Politik dieses Thema seit einiger Zeit für sich entdeckt. Mit immer unterschiedlichen Namen – von light bis zero, ähnlich wie bei Softdrinks – wurden immer wieder schlankere Gesellschaftsgründungen versprochen. Ein Gutachten im Auftrag von Wirtschaftsministerin Schramböck schien im Jahr 2020 noch sehr ambitioniert. Darin wurden weitgehende Reformen angeregt: die Abschaffung der Notariatsaktpflicht, Zulässigkeit der englischen Sprache bei Gesellschaftsverträgen oder Einführung moderner Formen der Mitarbeiter:innenbeteiligung. Voller Zuversicht wurde die Reform auch in den österreichischen Aufbau- und Resilienzplan (RRF) aufgenommen. Der Europäischen Kommission versprach die österreichische Bundesregierung die Einführung einer neuen Gesellschaftsform im Rahmen eines Gründer:innen- bzw. Deregulierungspakets. Dadurch sollte die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts erhöht werden. Man hat sich eine „starke Signalwirkung für Österreich als Gründerland“ erhofft. Für das 1. Quartal 2022 wurde das „Inkrafttreten einer gesetzlichen Grundlage zur Einführung einer neuen Gesellschaftsform“ versprochen. Ein Jahr später ist aber noch immer keine Reform in Sicht. (1) Laut einer Anfragebeantwortung von Bundesministerin Schramböck vom 14.4.2022 (9556/AB) übermittelte das federführende BMJ im Februar 2022 einen Entwurf eines Bundesgesetzes über eine Flexible Kapitalgesellschaft oder Flexible Company (2). Der wenig ambitionierte Entwurf von Bundesministerin Zadic (3) stieß auf wenig Begeisterung bei Wirtschaftsexperten und Unternehmensvertretern. Auch NEOS warnten vor Scheinreformen, die letztlich keinem nutzen. Die Verhandlungen über diese Materie innerhalb der Regierung froren langsam ein - keine Regierungsvorlage erblickte letztlich das Licht der Welt. 

 

Gründen ohne Notariatsaktspflicht

Aktuell bestehen für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) eine Reihe von Notariatspflichten. Der Gang zum Notar ist beispielsweise erforderlich beim Abschluss oder Änderung des Gesellschaftsvertrages, bei der Übertragung von Geschäftsanteilen bei der GmbH, bei der Übernahme neuer Geschäftsanteile im Rahmen der Kapitalerhöhung oder bei der Bestellung des Geschäftsführers. Eine solche Formpflicht ist bei vielen anderen Gesellschaftsformen nicht vorgesehen. So sieht die derzeitige Rechtslage bloße Schriftlichkeitserfordernisse bei der elektronischen Einreichung im Rahmen der vereinfachten Ein-Personen-Gründung (§ 9a Abs. 4 GmbHG) oder bei Genossenschaften. Bei Personengesellschaften ist der Abschluss von Gesellschaftsverträgen formfrei, eventuell mündlich oder sogar konkludent, möglich. Solche Formvorschriften belasten insbesondere ausländische Gesellschafter und Investoren. Da diese oftmals nicht persönlich für eine Unterschrift erscheinen können, sind Vollmachten nötig, die wiederum zu beglaubigen sind. Der organisatorische Aufwand, inklusive eines erheblichen Zeitverlustes und höherer Kosten, ist in Fällen mehrerer Beteiligten aus dem Ausland erheblich. Als Grund gegen die Abschaffung der Notariatsaktspflicht wird immer wieder der Rechtssschutz ins Treffen geführt. Unbestritten ist, dass Notar:innen bei der Wahrung des Rechtsschutzes eine wichtige Funktion zukommt. Vorwiegend dort, wo einer Partei Übervorteilung oder rechtliche Fehleinschätzungen drohen, z.B. beim Kauf von Immobilien durch Private oder bei Erbverträgen. Anders sieht dies aber bei Gründungen von Gesellschaften aus. In manchen Fällen sind dutzende Anwält:innen und Rechtsabteilungen Monate davor mit der Vorbereitung dieses Rechtsgeschäfts beschäftigt. Es liegt somit auf der Hand, dass in solchen Fällen kein Mehrwert durch das Vorlesen des Vertrags gegeben ist, vor allem wenn dann wieder nur die Anwälte beim Notar vertreten sind. Zudem hat das Firmenbuchgericht eine Prüfpflicht, die die Notwendigkeit des Notariatsaktes infrage stellt. Insgesamt wird eine Abwägung der Parteien zwischen Ex-ante- und Ex-post-Kosten benötigt, um die Notwendigkeit der Notariatsaktspflicht zu begründen. Nur wenn erhebliche Interessen vorliegen, insbesondere öffentliche Interessen oder solche, bei denen es um Nachteile für Dritte geht, kann eine Notariatsaktspflicht gerechtfertigt sein. Befürworter der Notariatsaktspflicht argumentieren beispielsweise, dass sie zur Prävention von Geldwäsche notwendig sei. Allerdings fällt auf, dass in anderen europäischen Ländern wie Dänemark oder Frankreich keine Notariatsaktspflicht besteht, und dennoch sind diese Länder nicht als Geldwäscheparadiese bekannt. Zudem zeigen Statistiken deutlich auf, dass Notare kaum einen Beitrag zur Geldwäscheprävention beitrage, da dies in der Praxis vorrangig von Banken übernommen wird, die hierfür offensichtlich besser geeignet sind. Im Jahr 2020 gingen 4.356 Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche beim Bundeskriminalamt ein, wovon 4.106 (also 94 %) von Banken, 21 von Notaren und 14 von Rechtsanwälten stammten (4). Die Möglichkeit zur GmbH-Gründung ohne Notariatsakt soll erweitert werden, um dem Bedarf in der Praxis zu entsprechen. 

 

Gründen auf Englisch ermöglichen

Was die Gründung auf Englisch angeht, wehrt sich die Bürokratie selbst: Es soll deshalb nicht möglich sein, da kein:e Rechtspfleger:in über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt. Dieses Argument erscheint geradezu absurd, da man solche Kapazitäten zumindest an ein paar Stellen in Österreich bereitstellen könnte. Stattdessen verwehrt man sich der internationalen Realität und bleibt weiterhin unattraktiv. Die Pflicht des Firmenbuchs, Gesellschaftsverträge zu prüfen, dient in erster Linie dazu, die Richtigkeit des Firmenbuchs sicherzustellen und gleichzeitig den Schutz von Gesellschaftern und Gläubigern zu gewährleisten. Es besteht jedoch eine offene rechtliche Frage, ob Gesellschaftsverträge und Anträge an das Firmenbuch in englischer Sprache verfasst werden dürfen. Ein Gutachten vom 8. 9. 2020 lässt offen, ob Englisch als Amtssprache im Außerstreitverfahren für die Austrian Limited möglich und eine Änderung des B-VG notwendig wäre. Gleichzeitig wird festgehalten, dass bereits aktuell englischsprachige Dokumente, und zwar Konzernabschlüsse, beim Firmenbuchgericht eingereicht werden können (5). Es ist daher wichtig, auch praktische Sprachkenntnisse zu berücksichtigen, da fehlende Sprachkenntnisse eine Übersetzung notwendig machen können. Da der europäische Gesetzgeber bereits die Verfügbarkeit von Informationen in verschiedenen Sprachen behandelt hat, sollte eine österreichische Gesetzesänderung in Bezug auf die Verwendung von verschiedenen Sprachen generell in Betracht gezogen werden (6). Bei Gerichtsverfahren ist die Gerichtssprache Deutsch, aber bei der Verwendung von nichtdeutschsprachigen Dokumenten als Beweismittel muss für eine entsprechende Übersetzung gesorgt werden.

 

Einfache Formen der Mitarbeiter:innenbeteiligung einführen

Mitarbeiter:innenbeteiligung hat sich gerade im Start-up Bereich als probates Mittel erwiesen, um die besten Köpfe zu gewinnen, zu halten und zu Bestleistungen zu motivieren. Flexible und modernere Gesellschaftsstrukturen sind ein wichtiges Instrument für neue Unternehmer:innen wie für internationale Investoren. Einer der größten Vorteile der Übertragung von Geschäftsanteilen an Mitarbeiter:innen ist eine engere Bindung von Talenten ans Unternehmen. Mitarbeiter:innen, die einen Anteil am Unternehmen besitzen, identifizieren sich oft stärker mit dem Unternehmen und sind daher eher geneigt, längerfristig zu bleiben. Die Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung in Österreich entsprechen aktuell nicht international gängigen Modellen. Die Einräumung von Mitspracherechten stoßt beispielsweise oftmals auf Ablehnung bei Investoren. 

Bestehende Möglichkeiten für Mitarbeiter:innenbeteiligungsprogramme, wie Phantom Shares, Equity Incentive Plans oder Synthetic Employee Stock Options, sind oft intransparent und schwer verständlich, was mit hohen Kosten verbunden ist und somit eher für große Unternehmen eine Option darstellt. Für Mitarbeiter:innen bringt die jetzige Rechtslage im Einzelfall zu prüfende sozial- und steuerrechtliche Risiken mit sich. Eine eigene Anteilsklasse, die kostengünstig, schnell, einfach und digital ist, wäre hier eine mögliche Lösung. Geschäftsanteile sollten erst versteuert werden müssen, wenn tatsächlich liquide Mittel aus den Anteilen zufließen, also bei einem Verkauf der Anteile, etwa im Zuge eines Exits. Ein transparentes Bewertungsverfahren könnte Mitarbeiter:innen dazu befähigen, den Wert ihrer Anteile genau zu erkennen. Da die gesetzlichen Vorschriften für Mitarbeiter:innenbeteiligungen in Österreich derzeit unattraktiv sind, sollten Reformvorschläge entwickelt werden, um im internationalen Wettbewerb um die besten Startups und Talente konkurrenzfähig zu werden (7). In diesem Sinne ist es von großer Bedeutung, dass die österreichische Regierung Maßnahmen ergreift, um die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen zu verbessern.

 

NEOS fordern die Einführung einer neuen Gesellschaftsform, bei der Gründung ohne Notariatsaktspflicht und in englischer Sprache möglich ist und - internationalen Vorbildern folgend - einfache Möglichkeiten der Mitarbeiter:innenbeteiligung vorgesehen sind!

 

 

 

Quellen

  1. https://materie.at/a/flexco-die-angekuendigte-gruenderinnen-revolution-die-nicht-stattfand/
  2. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/9556/imfname_1437909.pdf
  3. https://www.derstandard.at/story/2000135079256/schwere-geburt-der-start-up-gmbh
  4. Lea Zieger/Walter Doralt, Notariatsakt und materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts auf dem Prüfstand, GesRZ 2022, 250
  5. Rüffler, GES 2020, 349 (349)
  6. Art 13f und 13h Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht
  7. Felix Kernbichler/Miriam Mitschka, Mitarbeiterbeteiligung in Startups, ecolex 2022/65

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, ein Gesetz zur Einführung einer neuen Gesellschaftsform vorzulegen, bei der die Gründung ohne Notariatsaktspflicht und in englischer Sprache möglich ist und - internationalen Vorbildern folgend - einfache Möglichkeiten der Mitarbeiter:innenbeteiligung vorgesehen sind."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.