3209/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 01.03.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Umfassende Aufklärung der Anschläge auf die „Nord Stream“-Pipelines

 

 

Ende September 2022 wurden innerhalb von wenigen Stunden insgesamt vier Lecks in drei von vier Rohren der „Nord Stream“-Pipelines entdeckt. Bereits im November 2022 bestätigte die für die Untersuchung der Lecks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens zuständige Staatsanwaltschaft und der schwedische Inlandsnachrichtendienst Säpo, dass es sich bei den Explosionen an den Rohren der „Nord Stream“-Pipelines 1 und 2 um schwere Sabotageakte gehandelt hat.[1]

 

Die jetzt durchgeführten Analysen zeigen Sprengstoffrückstände auf mehreren der gefundenen Fremdkörper“, stellte Oberstaatsanwalt Mats Ljungqvist fest. Zu einem möglichen Verdächtigen oder Verursacher äußerte er sich aber nicht.[2]

 

Anfangs wurde von der medialen Berichterstattung sofort eine Täterschaft Russlands in den Raum gestellt. Im Februar 2023 bestätigte der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank in einem Interview, dass es bisher keine Beweise für eine Urheberschaft Russlands gebe.[3]

 

Am 8. Februar 2023 berichtete die amerikanische Reporterlegende und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh, dass hinter den Anschlägen auf die „Nord Stream“-Pipelines die Vereinigten Staaten von Amerika stecken. Hersh berief sich hierbei auf eine Quelle, welche seiner Angabe zufolge direkte Kenntnis der operativen Planung besitzt.[4]

 

Hersh hatte zuvor berichtet, US-Marinetaucher hätten im vergangenen Juni bei einer vom Weißen Haus angeordneten und von der CIA geplanten verdeckten Operation mit Hilfe Norwegens Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht. Die Sprengsätze seien dann im September ferngezündet worden. Präsident Joe Biden habe damit verhindern wollen, dass Russland weiter Milliarden mit dem Export von Erdgas verdiene, schreibt der Gewinner des renommierten Pulitzer-Preises weiter.

 

Die USA hätten die Pipelines auch als Druckmittel des Kreml gegenüber Deutschland und Westeuropa angesehen, das einen Beistand des Westens für die Ukraine schwächen könnte. Die Idee für eine Zerstörung der Pipelines soll demnach schon im Dezember 2021 entstanden sein.[5]

 

US-Präsident Joe Biden stellte bereits im Februar 2022 – wenige Wochen vor Beginn des russischen Angriffes – bei einem Washington-Besuch von Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz klar, dass wenn Russland im Nachbarland einmarschieren sollte, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben.“ Das „verspreche“ er, betonte der US-Präsident. „Wir werden dem ein Ende bereiten.“[6]

 

Bereits zwanzig Tage zuvor äußerte sich Victoria Nuland, Unterstaatssekretärin der US-Regierung, dahingehend, dass wenn Russland in die Ukraine einmarschieren sollte, auf dem einen oder anderen Weg „Nord Stream 2“ verhindert werden würde.[7] Im Jänner 2023 ließ Victoria Nuland mit folgender Wortmeldung im US-Kongress aufhorchen:

 

Senator Cruz, genau wie Sie bin ich, und ich denke, auch die Regierung, sehr erfreut zu wissen, dass Nord Stream 2 jetzt, wie Sie gerne sagen, ein Stück Metall auf dem Meeresgrund ist.[8]

 

Geopolitisch sind die Vereinigten Staaten von Amerika der größte Profiteur der Anschläge auf die „Nord Stream“-Pipelines, denn die europäischen Staaten müssen nun teures und umweltschädliches LNG aus den USA ankaufen, anstatt über günstiges Erdgas aus Russland verfügen zu können. Ein weiterer Profiteur der Zerstörung dieser zentralen Wirtschaftsader zwischen Mitteleuropa und Russland ist Norwegen, jenes Land, welches laut Hersh federführend an den Anschlägen beteiligt war und in welchem Einrichtungen der NAVY und der US Air Force beheimatet sind. Denn Norwegen ist selbst Exporteur von Erdgas in andere europäische Staaten und konnte aufgrund des Wegfalls der russischen Konkurrenz seine eigene Handelsbilanz wesentlich aufbessern.[9]

 

Anzuführen ist auch, dass der teilstaatliche österreichische Öl- und Gaskonzern OMV als Investor beim Projekt „Nord Stream 2“ beteiligt war.[10]

 

Die US-Regierung bestreitet indes die Vorwürfe. Allerdings ist festzuhalten, dass die USA bekannterweise in der jüngeren Vergangenheit auf die Energieversorgungssicherheit Mitteleuropas in ihrer Außenpolitik keine Rücksicht nahmen. Bereits vor dem russischen Angriffskrieg haben die USA mehrere Sanktionsgesetze gegen die „Nord Stream 2“-Pipeline verabschiedet.[11]

 

Vor diesem Hintergrund ist dringender Aufklärungsbedarf gegeben, ob unser „wichtigster Partner[12] – wie Außenminister Mag. Alexander Schallenberg die Vereinigten Staaten von Amerika freundschaftlich bezeichnet – im Rahmen einer hybriden Kriegsführung bedeutende Teile der europäische Energieinfrastruktur in die Luft gesprengt haben.

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Schweden und Dänemark für deren laufende nationale Untersuchungen der Anschläge auf die „Nord Stream“-Pipelines Unterstützung anzubieten, sowie sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für eine schnelle, unabhängige und effiziente Aufklärung der Anschläge einzusetzen.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Entschließungsantrag dem Außenpolitischen Ausschuss zuzuweisen.



[1] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nord-stream-lecks-schweden-bestaetigt-verdacht-auf-sabotage-18470277.html

[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nord-stream-lecks-schweden-bestaetigt-verdacht-auf-sabotage-18470277.html

[3] APA 08.02.2023: USA weisen Urheberschaft von Nord-Stream-Detonationen zurück

[4] https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream

[5] APA 08.02.2023: USA weisen Urheberschaft von Nord-Stream-Detonationen zurück

[6] APA 08.02.2023: USA weisen Urheberschaft von Nord-Stream-Detonationen zurück

[7] https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream

[8] https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/victoria-nuland-freut-sich-ueber-zerstoerung-von-nord-stream-pipelines-li.312835

[9] https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream; Tagesschau 16.01.2023: Norwegen mit Rekord-Handelsüberschuss

[10] ps://kurier.at/wirtschaft/us-sanktionsgesetze-gegen-nord-stream-2/401842918

[11] https://kurier.at/wirtschaft/us-sanktionsgesetze-gegen-nord-stream-2/401842918; APA 08.02.2023: USA weisen Urheberschaft von Nord-Stream-Detonationen zurück

[12] Wiener Zeitung 07.02.2023: Schallenberg beim „wichtigsten Partner“