3219/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 01.03.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jörg Leichtfried,
Genossinnen und Genossen
betreffend „Keine Kettenverträge im ORF“
Kettenverträge und prekäre Anstellungsverhältnisse im ORF sind ein Problem, das seit langem besteht und jüngst wieder in den Aufmerksamkeitsfokus gelangt ist. Die Journalistin Jana Wiese hat ihren Job vor kurzem hingeschmissen – und öffentlich auf die prekären Arbeitsbedingungen bei Ö1 aufmerksam gemacht. Nach vier Jahren habe sie keine Lust mehr auf „Tagelöhnerei“. Viele Mitarbeiter*innen arbeiten jahrelang als Freie, vor allem bei Ö1. Dazu stellt sie der ORF wöchentlich für einige Stunden an. Die Chance auf eine Festanstellung ist praktisch null. Die prekäre Situation der Freien ist in der Medienbranche seit Jahren ein offenes Geheimnis.
Dabei handelt der ORF jedoch nicht ungesetzlich. Anders als fast alle andere Unternehmen können im ORF laut § 32 Abs. 5 Z 1 ORF-Gesetz befristete Arbeitsverhältnisse „ohne zahlenmäßige Begrenzung und auch unmittelbar hintereinander abgeschlossen werden, ohne dass hierdurch ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit entsteht.“ Kein anderes Medienunternehmen dürfte Freie mit derartigen aneinandergereihten Verträgen beschäftigen. Unklar ist allerdings, ob diese Regelung mit EU-Recht vereinbar ist. Dort sind Kettenverträge unzulässig, wenn sie missbräuchlich verwendet werden. Das sehen renommierte Arbeitsrechtler*innen als gegeben an.
Die Aneinanderreihung von Kettenverträgen führt dazu, dass viele Mitarbeiter*innen des ORF über Jahre hinweg in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden. Sie haben keine Planungssicherheit, was ihr Einkommen und ihre Zukunft anbelangt. Darüber hinaus führen Kettenverträge innerhalb des ORF zur einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Während sich einige Mitarbeiter*innen in sicheren und stabilen Beschäftigungsverhältnissen befinden, sind andere in prekären Arbeitsverhältnissen gefangen. Einen Unterschied in den Tätigkeitsbereichen gibt es dabei oftmals nicht. Freie Mitarbeiter*innen und die von ihnen gestalteten Beiträge sind essentiell für den Fortbestand von Ö1, dem zentralen Ankerpunkt des öffentlich-rechtlichen Angebots des ORF. In vielen Fällen übernehmen Freie auch Tätigkeiten, die zuvor von festangestellten Personen verrichtet wurden.
Alle Mitarbeiter*innen des ORF brauchen sichere und stabilen Arbeitsverhältnisse. Kettenverträge dürfen im größten Medienunternehmen des Landes, das von den Gebühren des Publikums finanziert wird, keinen Platz mehr haben. Der ORF mit seiner Bedeutung als journalistisches Leitmedium des Landes hat hier auch eine soziale Verantwortung.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien werden aufgefordert mit der anstehenden Novelle des ORF-Gesetzes auch die aktuell bestehenden Sonderbestimmungen, die es dem ORF ermöglichen, Arbeitsverhältnisse ohne zahlenmäßige Begrenzung und auch unmittelbar hintereinander abzuschließen, zu streichen und so eine Gleichbehandlung mit anderen Medienunternehmen herzustellen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.