3231/A XXVII. GP
Eingebracht am 01.03.2023
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Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Jörg Leichtfried, Philipp Schrangl, Agnes Sirkka Prammer, Nikolaus Scherak
Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 141/2022, wird wie folgt geändert:
1. In § 8 Abs. 4 Z 2 wird die Wort- und Zeichenfolge „gemäß § 28b Abs. 4 und § 31c Abs. 13“ durch die Wort- und Zeichenfolge „gemäß § 28b Abs. 4, § 31c Abs. 13 und § 41a Abs. 1“ ersetzt.
2. Nach § 41 wird folgender § 41a eingefügt:
„§ 41a. (1) Beantragt der Ausschuss als Ergebnis seiner Verhandlungen, der Nationalrat wolle einem Gesetzesvorschlag gemäß § 69 Abs. 1 oder 2 die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, so hat der Präsident des Nationalrates eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 67/2021, durchzuführen, wenn
1. der Ausschuss dies auf Vorschlag des Obmannes oder auf schriftlichen Antrag eines Ausschussmitgliedes beschließt, oder
2. ein Klub dies verlangt.
Wie viele Verlangen von einem Klub gemäß Z 2 eingebracht werden können, verfügt der Präsident nach Beratung in der Präsidialkonferenz, wobei jedem Klub in einem Jahr mindestens ein solches Verlangen zusteht.
(2) Die Frist für die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß Abs. 1 beträgt längstens acht Tage – Samstage, Sonn- und Feiertage nicht eingerechnet –, sofern der Ausschuss nicht eine andere Frist beschließt.
(3) Der Präsident hat das Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Website des Parlaments zu veröffentlichen.
(4) Abs. 1 bis 3 gelten nicht für Gesetzesvorschläge, die als Vorlagen der Bundesregierung an den Nationalrat gelangen, sofern bereits eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 4 Abs. 1 Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz durchgeführt wurde und nicht ein Abänderungs- oder Zusatzantrag gemäß § 41 Abs. 8 beschlossen wird.“
3. Dem § 109 wird folgender Abs. 14 angefügt:
„(14) § 8 Abs. 3 Z 5 und Abs. 4 Z 2 sowie § 41a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2023 treten mit 1. Juni 2023 in Kraft.“
Begründung
Allgemeines
Anlässlich des seitens der Europäischen Kommission mit Mahnschreiben vom 2. Dezember 2021 gegen die Republik Österreich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2021/2205 betreffend die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. Nr. L 173 vom 9.7.2018 S. 25, setzte sich eine parlamentarische Arbeitsgruppe mit der Frage der Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere bei parlamentarischen Gesetzesinitiativen auseinander. Im Lichte des Art. 30 Abs. 2 B‑VG sowie des künftigen § 4 Abs. 2 des Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetzes – VPG sind im Geschäftsordnungsgesetz 1975 die erforderlichen verfahrensrechtlichen Regelungen zu treffen, die auf die bestehenden geschäftsordnungsrechtlichen Instrumente abgestimmt sind. Dies betrifft zum einen die Beschlussfassung sowie Klubverlangen über die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Ausschussverfahren und zum anderen die Verpflichtung des Präsidenten bzw. der Präsidentin des Nationalrates zur Veröffentlichung des Ergebnisses einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Im Übrigen sollen die Regelungen betreffend das Klubregister (§ 8 Abs. 3 Z 6) künftig – mittels eines eigenen Initiativantrages – im Klubfinanzierungsgesetz 1985 verankert werden. § 8 Abs. 3 Z 6 soll daher entfallen.
Zu Z 1 und 2 (§ 8 Abs. 4 Z 2 und § 41a):
Die Beurteilung, ob für Gesetzesvorschläge gemäß § 69 Abs. 1 und 2 eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem VPG durchzuführen ist, soll durch den zuständigen Ausschuss des Nationalrates auf Basis von (freiwilligen) schriftlichen Ausführungen der Antragsteller bzw. Antragstellerinnen im Antrag, auf Basis von Wortmeldungen im Zuge der Debatte oder gegebenenfalls auf Basis einer Stellungnahme im Zuge des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens gemäß § 23b Abs. 1 erfolgen.
In Betracht kommt auch die Möglichkeit, den zuständigen Bundesminister bzw. die zuständige Bundesministerin entweder mündlich im Ausschuss zur Frage der Erforderlichkeit der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu befragen oder gemäß § 40 Abs. 1 unter Setzung einer Frist zu einer entsprechenden schriftlichen Äußerung aufzufordern. In letzterem Fall sind die Verhandlungen bis zum Einlangen der schriftlichen Äußerung des Bundesministers bzw. der Bundesministerin zu vertagen.
In diesem Sinn wird in § 41a Abs. 1 Z 1 geregelt, dass ein Ausschuss in Fällen, in denen er als Ergebnis seiner Beratungen beantragt, der Nationalrat wolle beschließen, einem Gesetzesvorschlag gemäß § 69 Abs. 1 oder 2 die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, erforderlichenfalls auch beschließt, dass hinsichtlich des betreffenden Gesetzesvorschlages eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem VPG durchzuführen ist. Davon umfasst sind Gesetzesvorschläge, die als Anträge von Mitgliedern des Nationalrates (Selbständige Anträge von Abgeordneten gemäß § 26, Selbständige Anträge von Ausschüssen gemäß § 27 Abs. 1) oder als Anträge des Bundesrates oder eines Drittels seiner Mitglieder an den Nationalrat gelangen. Ferner umfasst sind Gesetzesvorschläge, die als Vorlagen der Bundesregierung an den Nationalrat gelangen, außer es wurde bereits eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 4 Abs. 1 VPG durchgeführt und im Ausschuss wurde nicht ein Abänderungs- oder Zusatzantrag gemäß § 41 Abs. 8 beschlossen. Überdies umfasst sind Volksbegehren, die in Form von Gesetzesanträgen gestellt werden.
In diesem Zusammenhang besteht auch die Möglichkeit, dass dem Antrag bereits ein ausgearbeiteter Vorschlag für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung angeschlossen ist, der nach Beschlussfassung über die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Ausschuss zügig vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates – als zuständiger Stelle gemäß § 4 Abs. 2 VPG – beurteilt werden kann. Anzumerken ist, dass ein solcher Vorschlag von Seiten des/der Klubs der Antragsteller bzw. Antragstellerinnen zu erstellen wäre, die Kenntnis vom Inhalt des konkreten Gesetzesvorschlages haben und allenfalls die Expertise des jeweils sachlich zuständigen Bundesministeriums einholen können.
Die Frist zur Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die zuständige Stelle soll – sofern der Ausschuss nicht eine andere Frist beschließt – gesetzlich mit längstens acht Tagen (Samstage, Sonn- und Feiertage nicht eingerechnet) festgelegt werden, damit eine zügige parlamentarische Behandlung erfolgen kann. Die Beschlussfassung sowohl über die Frage der Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung als auch über die Setzung einer kürzeren oder längeren Frist erfolgt auf Vorschlag des Obmannes bzw. der Obfrau oder auf schriftlichen Antrag eines Ausschussmitgliedes.
In § 41a Abs. 1 Z 2 wird geregelt, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die zuständige Stelle auch auf Verlangen eines Klubs durchzuführen ist. Ein solches Klubverlangen ist, analog zu den Klubverlangen auf Nicht-Enderledigung gemäß § 28b Abs. 4, durch den Klubobmann bzw. die Klubobfrau oder eine für diesen bzw. diese zeichnungsberechtigte Person zu unterfertigen und dem Obmann bzw. der Obfrau in der Ausschusssitzung zu übergeben. Die zulässige Anzahl der Verlangen eines Klubs soll der Präsident bzw. die Präsidentin nach Beratung in der Präsidialkonferenz verfügen (vgl. die entsprechende Ergänzung des § 8 Abs. 4 Z 2), wobei jedem Klub in einem Jahr mindestens ein solches Verlangen zusteht. Die Frist für die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung beträgt in einem solchen Fall ebenfalls längstens acht Tage (Samstage, Sonn- und Feiertage nicht eingerechnet), sofern der Ausschuss nicht eine andere Frist beschließt.
In der Praxis soll bereits der zuständige Ausschuss bezeichnen, welches Bundesministerium vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates als nach dem VPG zuständige Stelle beigezogen werden soll bzw. kann. In welchen Fällen und wie die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelnen durchzuführen ist, richtet sich nach den bestehenden Regelungen des VPG in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 (vgl. insbesondere deren Art. 7).
Das Ergebnis einer durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist gemäß § 41a Abs. 3 vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 der genannten Richtlinie auf der Website des Parlaments zu veröffentlichen. Bürger bzw. Bürgerinnen, Institutionen und sonstige Interessenträger bzw. Interessenträgerinnen haben gemäß § 23b Abs. 1 im Rahmen des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens eine Stellungnahmemöglichkeit (vgl. Art. 8 Abs. 2 der genannten Richtlinie).
Die Behandlung der Gesetzesinitiative im Plenum des Nationalrates erfolgt erst nach Vorliegen des Ergebnisses der Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. dessen Veröffentlichung. Sollte erst im Plenum in zweiter Lesung die Erforderlichkeit der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hervorkommen, besteht die Möglichkeit einer Rückverweisung an den zuständigen Ausschuss.
Bedeckungsvorschlag: Allfällige Mehrkosten finden im Parlamentsbudget Deckung.
In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen‚ diesen Antrag nach Durchführung der ersten Lesung dem Geschäftsordnungsausschuss zuzuweisen.