3252/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 01.03.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc,
Genossinnen und Genossen
betreffend „Freilassung der Journalistinnen und Journalisten in der Türkei“

Fast drei Wochen nach dem schrecklichen und verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 50.000 angestiegen. Schon relativ bald nach der Katastrophe wurden Berichte bekannt, die auf eine schlechte Aufklärung und nur sehr eingeschränkte mediale Berichterstattung schließen ließen. Auch Verhaftungen von Journalist*innen wurden bekannt. Jenseits der Folgen des verheerenden Erdbebens, das die rasche Bereitstellung von humanitärer und finanzieller Hilfe erfordert, bereitet die sich verschlechternde politische Lage, insbesondere die Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei Sorgen.

Spätestens seitdem jüngst beschlossenen Medien-und Anti-Desinformations-Gesetz, welches bei sogenannter „Fake-News“-Verbreitung für Journalist*innen und Social Media-Nutzer*innen Freiheitsstrafen vorsieht, ist die Frage zulässig, ob die türkische Regierung trotz ihres EU-Beitrittsstatus ehrlich daran interessiert ist, ihre Rechtsordnung an die Standards der EU anzupassen. Kritische Journalist*innen wurden aufgrund regierungskritischer Berichterstattung schon in der jüngsten Vergangenheit zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, was wiederum in einigen Fällen zu Verurteilungen der Türkei vor dem EGMR wegen Verletzung der Pressefreiheit führte.[1]

Die Türkei zählte im Jahr 2022 zu den Staaten mit den meisten inhaftierten Journalist*innen weltweit. [2] Aktuell befinden sich laut Reporter ohne Grenzen 24 Journalist*innen in der Türkei in Haft [3]. Die Türkei belegt damit auf der Rangliste der Pressefreiheit den Platz 149 von 180. Zudem liegt die Berichterstattung türkischer Medien auch weitgehend in der Hand regierungsfreundlicher Unternehmen. [4] Dementsprechend regierungsfreundlich fielen auch viele Erdbeben-Berichte aus. Kritische Medien stehen dagegen weiterhin unter Druck.[5]

 

Nach den jüngsten und schrecklichen Erdbeben, dass so viele Tote forderte und immenses Leid verursachte, warteten viele Menschen in dem riesigen Gebiet tagelang vergeblich auf Hilfe. Trotz der Kritik vieler Überlebender am Krisenmanagement berichteten viele türkische Medien vor allem über erfolgreiche Rettungsaktionen. Verzweifelte Menschen, die sich beschwerten, dass bei ihnen keine Hilfe angekommen sei, waren kaum zu sehen oder kamen erst gar nicht zu Wort. Bei einer Fernsehübertragung ließ zum Beispiel eine Reporterin von Habertürk eine Frau in Kahramanmaras, die berichtete, dass ihre Familie unter den Trümmern liege und keine Hilfe, keine schweren Geräte geschickt worden seien, einfach stehen. [6]

Während einer Live-Schalte des staatlichen Fernsehsender TRT1 beklagte ein Mann ebenfalls mangelnde Hilfe - der Sender unterbrach die Übertragung und schaltete auf Bilder von den Einsatzkräften.

Reporter ohne Grenze verfolgt die Entwicklung mit Sorge: „Wir beobachten - leider muss man sagen, wenig überraschend -, dass in einem autoritär regierten Land wie in der Türkei das Erdbeben genutzt wird, um die Pressefreiheit weiter einzuschränken", betonte Christian Mihr, Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen. "Es sind mindestens vier Journalisten kurzfristig festgenommen und dann wieder freigelassen worden, bis ein Verfahren beginnt", so Mihr. Zudem seien Journalisten physisch an der Arbeit gehindert worden. [7]

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, sagte, die Berichterstattung nütze „den Erdbebenopfern, wie die überwältigende Welle der Hilfsbereitschaft in aller Welt zeigt, die ohne die erschütternden Bilder und Berichte aus der Region nicht zustande gekommen wäre“. Hintergründe auszuleuchten sei Aufgabe der Presse: „Das muss das Regime aushalten.“[8]

Auch das Internationale Presse Institut (IPI) forderte die Türkei auf, unabhängige Berichterstattung über das Erdbeben zuzulassen[9]". Die derzeit in der Türkei herrschende Gesetzgebung ermöglicht, jede Art von Kritik an der Regierungspolitik als Fake-News Verdacht zu deklarieren. Jede öffentliche Falschinformation, welche die innere oder äußere Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet, kann mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden [10].

Am 8. März 2022 hat der österreichische Nationalrat mit einer Entschließung auf die schwieriger werdende Situation für Journalist*innen, aber auch Künstler*nnen, Wissenschaftler*innen und Rechtsanwält*innen in der Türkei aufmerksam gemacht und gefordert, sich vonseiten Österreichs weiterhin für eine freie Meinungsäußerung in der Türkei einzusetzen und dabei auch für die Freilassung türkischer Journalist*nnen einzutreten, die aufgrund von Verfahren in Haft sind, die nicht den internationalen rechtsstaatlichen Standards entsprechen.

 

Angesichts dessen wollen die unterzeichneten Abgeordneten daher ihre Forderung erneuern und stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird aufgefordert, sich weiterhin für die freie Presse- und Meinungsäußerung in der Türkei einzusetzen, insbesondere nach der jüngsten Erdbebenkatastrophe, um den Menschen vollständige, objektive Information und Aufklärung zu ermöglichen, und dabei auch für die Freilassung türkischer Journalist*innen einzutreten“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss



[1] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/tuerkei Zuletzt aufgerufen am 22.02.2023

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153606/umfrage/inhaftierte-journalisten-weltweit/ Zuletzt aufgerufen am 22.02.2023

[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/weltkarte#map-TUR zuletzt aufgerufen am 27.02.2023

[4] https://www.br.de/nachrichten/amp/deutschland-welt/nach-erdbeben-reporter-ohne-grenzen-um-pressefreiheit-besorgt,TVpK7t4  Zuletzt aufgerufen am 22.02.2023

[5] https://www.br.de/nachrichten/amp/deutschland-welt/nach-erdbeben-reporter-ohne-grenzen-um-pressefreiheit-besorgt,TVpK7t4; zuletzt aufgerufen am 27.02.2023

[6] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/nach-erdbeben-reporter-ohne-grenzen-um-pressefreiheit-besorgt,TVpK7t4; zuletzt aufgerufen am: 1.3.2023

[7] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/nach-erdbeben-reporter-ohne-grenzen-um-pressefreiheit-besorgt,TVpK7t4, zuletzt aufgerufen am 1.3.2023

[8] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tuerkische-regierung-unterdrueckt-kritische-presse-zu-erdbeben-18692853.html ; zuletzt aufgerufen am 1.3.2023

[9] https://ipi.media/turkey-must-allow-independent-media-coverage-of-tragic-earthquake-aftermath/ zuletzt aufgerufen am 27.02.2023

[10] https://www.sueddeutsche.de/medien/tuerkei-pressefreiheit-zensur-1.5677348 Zuletzt aufgerufen am 22.02.2023