326/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.02.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“

 

Beinahe sämtliche psychische Erkrankungen befinden sich im Vormarsch. Kein Wunder, in einer Welt, die so beschleunigt ist wie noch nie, in einer Welt in der permanente und digitale Vernetztheit zu mehr Einsamkeit und Isolation führt. Die zunehmenden Anforderungen in der Arbeitswelt, immer mehr in immer kürzer werdender Zeit leisten zu müssen, führen zu Belastungen. Immer mehr Menschen berichten, dass sie sich erschöpft und müde fühlen. Immer mehr Menschen sagen, dass sie sich „ausgebrannt“ fühlen. Beeinträchtigungen des Wohlbefindens sowie der psychischen und körperlichen Gesundheit sind sehr häufig geworden und haben negative Folgen wie beispielsweise Krankheiten oder eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit.

Vor allem in den letzten Jahren steigt die Zahl jener Menschen, die sich wegen psychischer Erkrankungen im Krankenstand befinden oder frühzeitig in Pension gehen, deutlich an. Diese drastische Zunahme verursacht beträchtliche Kosten und stellt eine der großen Herausforderungen für das Gesundheits- und Sozialsystem in Österreich dar.

Während 1995 noch „nur“ 10,8% aller Invaliditätspensionen auf psychische Krankheiten  als Ursache zurückzuführen waren, waren es 2011 bereits 32,1%.[1] Ähnlich hat in Österreich auch die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen zugenommen.

Österreich hat in der Betreuung psychisch erkrankter Menschen großen Aufholbedarf. 20.000 Menschen haben daher die Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP unterschrieben, um diesen Missstand aufzuzeigen.

Der Bericht zu psychischen Krankheiten in Österreich (2017) „Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich“ weißt in seiner Conclusio (aus der repräsentativen Stichprobeuntersuchung) unter anderem aus:

„Psychische Erkrankungen sind in Österreich häufig“, sie „kommen unter anderem häufiger bei finanziellen Sorgen und bei der Versorgungpflicht für ein langdauernd erkranktes Familienmitglied vor“. „Es gibt Anlass zur Sorge, dass 57,5% der psychisch Kranken keinerlei Behandlung für ihre Krankheit erhielt.“[2]

Dies deckt sich mit Feststellungen auf europäischer bzw. internationaler Ebene. Im Jahr 2017 rückte die WHO anlässlich des Weltgesundheitstags Depressionen ins Blickfeld.  Diese sind mittlerweile führende Ursache für Behinderungen und Mitverursacherin von rund 128.000 Selbsttötungen, die jährlich in der Europäischen Region laut WHO stattfinden.[3] Insgesamt litten rund 40 Millionen Menschen in der Europäischen Region an depressiven Störungen. Doch „obwohl Depressionen behandelt und vermieden werden könnten, erhalten mindestens 75% der unter schweren Depressionen leidenden Menschen keine angemessene Therapie,“ sagte WHO Regionaldirektorin für Europa Dr. Zsuzsanna Jakab.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive gilt zu bedenken: „Psychische Erkrankungen verursachen sowohl für den einzelnen Betroffenen als auch für die Gesellschaft insgesamt hohe Kosten.“[4]

In einer unter der Regie der WHO durchgeführten Studie wurden die jährlichen weltweiten Kosten von Depressionen und Angststörungen neulich auf über 1 Billion US-Dollar geschätzt. „Nicht zu handeln wäre teuer, denn die wirtschaftlichen Kosten von Depressionen und anderen psychischen Störungen sind in erster Linie wegen der Fehlzeiten und der verringerten Produktivität enorm,“ sagte Dr. Dan Chisholm, Leiter des Programms für psychische Gesundheit am Regionalbüro.

Während in Österreich die Zahl der Betroffenen seit Jahren zunimmt, gibt es bei der Versorgung in Österreich massive Lücken. Monatelange Wartezeiten - gerade für Kinder und Jugendliche - sind keine Seltenheit. Ein verspäteter Behandlungsbeginn führt jedoch bei Betroffenen zu mehr Leid und verursacht eben zudem im Gesundheits- und Sozialsystem Zusatzkosten in enormer Höhe.

Die Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP stellt daher drei konkrete Forderungen auf:

1. Ausreichend Behandlungsplätze für psychisch erkrankte Menschen. Wir fordern ambulante Behandlungsplätze für eine Vollversorgung ohne Wartezeit und auf hohem Qualitätsniveau. Im Zentrum: Der Auf- und Ausbau der Kassenplätze für Klinische PsychologInnen, PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen.

2. Kurzfristig: Klinisch-psychologische Behandlung als Kassenleistung. Klinisch-psychologische Behandlung wirkt effizient. Das belegen wissenschaftliche Studien. Während klinisch-psychologische Behandlung im stationären Bereich (Krankenanstalten) längst etabliert und gesetzlich seit 1993 verankert ist, gibt es das Angebot klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung im niedergelassenen Bereich noch immer nicht. Obwohl damit eine massive Versorgungslücke auch in den ländlichen Gebieten rasch und hoch qualitativ zu schließen wäre. Durch die Aufnahme klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung ins Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) wird der dringendste akute Versorgungsbedarf für Menschen mit psychischen Erkrankungen gedeckt.

3. Langfristig: „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ aller PSY-Berufe. Egal, ob PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen oder Klinische PsychologInnen - jede Profession leistet ihren wichtigen Beitrag zur Verbesserung der psychischen Versorgung in Österreich. Klar ist daher: Diese Verbesserung kann nur langfristig und unter Einbindung aller PSY-Berufe und gemeinsam mit der Politik erfolgen. Wir schlagen deshalb die gemeinsame Erarbeitung eines „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ vor.

Aufgrund der aus den Zahlen resultierenden Notwendigkeit und Dringlichkeit, stellen die Abgeordneten Philip Kucher, Genossinnen und Genossen folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Forderungspunkte der Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP rasch vollinhaltlich umzusetzen und über die Fortschritte der Umsetzung dem Nationalrat jährlich zu berichten.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Gesundheitsausschuss



[1] Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 6-7. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

[2] Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 165. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

[3] http://www.euro.who.int/de/media-centre/events/events/2017/04/world-health-day-2017-depression-lets-talk/news/news/2017/04/world-health-day-open-dialogue-about-depression-is-needed-to-raise-awareness,-build-understanding-and-reduce-stigma

[4] Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 6. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/