3271/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 29.03.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Obsorge ab Tag 1 für unbegleitete minderjährige Asylsuchende

 

Zwischen 2018 und 2020 sind europaweit 18.292 unbegleitete Kinder und Jugendliche auf der Flucht verschwunden.1 Die Gründe hierfür sind vielfältig: schlechte Aufnahmebedingungen, ein Mangel an kindgerechten Informationen, ineffiziente Verfahren zur Familienzusammenführung oder zur Bestellung eines Vormunds. Den Zahlen aus der Beantwortung zur NEOS-Anfrage 13478/J zufolge, verschwanden in Österreich allein im Jahr 2022 rund 88% der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMFs) nach Antragstellung, ohne dass die zuständigen Behörden über deren Verbleib Bescheid wissen. Betroffen waren somit über 11.600 Kinder und Jugendliche.2 Weiters erleben viele Betroffene in Österreich eine "insgesamt unzureichende Betreuung"3 in den Einrichtungen des Bundes, so die Kindeswohlkommission in ihrem Bericht - und verweilen dort auch viel zu lange: Anfang Januar 2023 waren 66% der bereits zum Verfahren zugelassenen UMFs noch in Bundesbetreuungseinrichtungen, was die Zuweisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes und somit auch die Übertragung der gesetzlichen Vertretung auf den örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger verzögert.

Unbegleitete asylsuchende Kinder und Jugendliche stellen - da sie ohne Eltern oder zuständiger Begleitperson auf der Flucht sind - eine besonders vulnerable Gruppe dar, die Gefahren wie Ausbeutung und Menschenhandel stärker ausgesetzt ist. Laut UNODC findet ein erheblicher Teil des Kinderhandels im Zusammenhang mit der Flucht bzw. der Migration von Minderjährigen statt.4 Weiters belegte auch Europol, dass ein Teil der UMFs, die verschwinden, Opfer von Menschenhandel oder Ausbeutung wurden.5 

Minderjährige brauchen besonderen Schutz. Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. In Österreich stehen die Rechte von Kindern im Verfassungsrang. Es gilt gemäß Art. 1 BVG Kinderrechte und Art. 3 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention das Vorrangigkeitsprinzip in allen Belangen. Auch im gesamten Asylverfahren ist das Kindeswohl daher vorrangig zu berücksichtigen. Solange UMFs in Betreuungseinrichtungen des Bundes untergebracht sind, haben sie regelmäßig keine:n Obsorgeberechtigte:n. Um Verschwinden entgegenzuwirken, besteht in diesem Bereich dringender Handlungsbedarf; es gehört die Schutzlücke geschlossen. So empfahl auch die Kindeswohlkommission im Sommer 2021, die Obsorge für UMFs für ganz Österreich, also bundesweit, einheitlich zu gestalten. Im Übrigen ist ein schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auch im Regierungsprogramm enthalten. Aktuell ist Österreich nämlich eines von nur drei Ländern der EU, in denen es durchschnittlich mehr als ein Monat dauert bis ein:e Obsorgeberechtigte:r bestellt wird.Im Juli 2022 hieß es aus dem Justizministerium, dass ein Gesetzesentwurf bezüglich einer einheitlichen Obsorgeregelung, ab dem Tag des Eintreffens des unbegleiteten Minderjährigen in Österreich vorbereitet gewesen wäre.7 Eine etwaige Umsetzung der Obsorge ab Tag 1 lässt aber bis dato auf sich warten. 

 

  1. https://www.theguardian.com/global-development/2021/apr/21/nearly-17-child-migrants-a-day-vanished-in-europe-since-2018
  2. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/13098
  3. https://www.bmj.gv.at/themen/Fokusthemen/Kindeswohlkommission.html
  4. https://www.unodc.org/e4j/zh/tip-and-som/module-12/key-issues/children-on-the-move--smuggling-and-trafficking.html
  5. https://www.diepresse.com/4915900/europol-meldet-10000-fluechtlingskinder-als-vermisst
  6. https://orf.at/stories/3264642/
  7. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/10697

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird dazu aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage betreffend einer bundesweiten Obsorge von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden ab Tag 1 unverzüglich vorzulegen."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.