3275/A XXVII. GP

Eingebracht am 29.03.2023
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Antrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 222/2022, wird wie folgt geändert:

 

1. Art. 148g Abs. 2 lautet:

"(2) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Nationalrat bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen auf Grund eines Gesamtvorschlages des Hauptausschusses gewählt. Der Hauptausschuss erstellt seinen Gesamtvorschlag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Dem Gesamtvorschlag hat ein öffentliches Ausschreibungsverfahren voranzugehen, wobei die Reihung der Bewerber nach öffentlich zugänglichen und klaren Qualifikationskriterien durch eine Auswahlkommission erfolgt. Diese Auswahlkommission setzt sich aus Experten im Bereich Verfassung, Menschenrechte und Verwaltung sowie Repräsentanten der Verwaltung und der Zivilgesellschaft zusammen. Die Bewerber stellen sich einer öffentlichen Anhörung im Hauptausschuss. Diesbezüglich nähere Bestimmungen werden in der Geschäftsordnung des Nationalrates und im Volksanwaltschaftsgesetz getroffen. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung."

2. Art. 148g Abs. 3 lautet:

"(3) Der Vorsitz in der Volksanwaltschaft wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern in der Reihenfolge, die sich aus dem Lebensalter ergibt, beginnend mit dem ältesten Mitglied. Diese Reihenfolge wird während der Funktionsperiode der Volksanwaltschaft unverändert beibehalten."

3. Art. 148g Abs. 4 lautet:

"(4) Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft ist die Wahl des neuen Mitglieds gemäß Abs. 2 durchzuführen."

Begründung

Änderung des Bestellmodus der Volksanwaltschaft

Art 148g Abs 2 B-VG sieht vor: "Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Nationalrat auf Grund eines Gesamtvorschlages des Hauptausschusses gewählt. Der Hauptausschuss erstellt seinen Gesamtvorschlag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder, wobei die drei mandatsstärksten Parteien des Nationalrates das Recht haben, je ein Mitglied für diesen Gesamtvorschlag namhaft zu machen. Bei Mandatsgleichheit gibt die Zahl der bei der letzten Nationalratswahl abgegebenen Stimmen den Ausschlag. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung." 

Bereits in der Vergangenheit wurde dieser Bestellvorgang von vielen Seiten kritisiert, u.a. von namhaften Verfassungs- und Verwaltungsjurist:innen: "In Wahrheit handelt es sich nicht um eine Wahl, sondern um ein Entsendungsrecht der drei mandatsstärksten Parteien, das auch durch Einschaltung des Hauptausschusses nicht zu einer Wahl wird. Die Art der Bestellung und die Bestellungsvoraussetzungen sind für die Effektivität der Kontrolle keineswegs optimal (Personen des Vertrauens der politischen Parteien die ihrerseits - zumindest zum Teil - die zu kontrollierenden Stellen politisch tragen, werden zu deren Kontrolle berufen)." (vgl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 11. Auflage, 2015, 628 Rz 1256). "Die besondere Art der Bestellung in Abs 2  zu Unrecht als "Wahl" bezeichnet; es handelt sich um ein Entsendungsrecht der politischen Parteien. Dieses soll offenkundig sicherstellen, dass nur Personen, die das Vertrauen der drei stärksten politischen Parteien genießen, in die Funktion eines VA berufen werden. Da die großen politischen Parteien auch die oberste Bundesverwaltung dominieren, ist durch diesen Bestellungsmodus eine objektive, neutrale Kontrolle nicht ausreichend sichergestellt." (vgl. Mayer, B-VG, 5. Auflage, 2015, Art 148g B-VG 1.)

Die Volksanwaltschaft ist seit dem 1. Juli 2012 auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in der Republik Österreich zuständig. Der verfassungsgesetzliche Auftrag der Volksanwaltschaft zum Schutz der Menschenrechte als „Nationaler Präventionsmechanismus" (NPM) gründet sich einerseits auf dem UN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und anderer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafe (OPCAT) und andererseits auf der UN-Behindertenrechtskonvention.

Gemäß Art 18 Abs 4 OPCAT haben die Vertragsstaaten bei der Schaffung von NPMs die Grundsätze, welche die Stellung nationaler Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) betreffen, zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die von der Menschenrechtskommission und der UNO-Generalversammlung in den Jahren 1991 bzw. 1993 erlassenen Pariser Prinzipien kraft völkervertragsrechtlicher Anordnung auf die NPMs Anwendung finden. Diese Prinzipien erhalten eine Reihe von Grundsätzen für die Ausgestaltung nationaler Menschenrechtsinstitutionen, unter anderem sollen diese gegenüber der Regierung unabhängig sowie professionell und pluralistisch zusammengesetzt sein. Der Grundsatz der Unabhängigkeit spiegelt sich nicht nur in Anforderungen an die tatsächliche, sondern auch an die wahrgenommene Unabhängigkeit wieder- dies durch Kriterien für den Bestellungsprozess.

In diesem Sinne kritisierte die Global Alliance of National Human Rights lnstitutions (GANHRI) in ihrem aktuellsten Bericht zu Österreich im März 2022 insbesondere, dass der in Art 148g Abs 2 B-VG verankerte Bestellungsmodus keine öffentliche Ausschreibung und keine Partizipation der Zivilgesellschaft vorsieht. Diese Faktoren sind aber unbedingt notwendig, um die Unabhängigkeit und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die nationale Menschenrechtsinstitution sicherzustellen.

Um diese Anforderungen zu erfüllen bedarf es daher eines transparenten, parteipolitisch unabhängigen Bestellverfahrens, das eine öffentliche Ausschreibung und ein öffentliches Hearing beinhaltet. Die Bewerber:innen sind aufgrund fachlicher Qualifikationskriterien vom Hauptausschuss dem Nationalrat vorzuschlagen. Die Wahl im Nationalrat hat mit qualifizierter Mehrheit zu erfolgen. 

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen‚ diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.