3323/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 27.04.2023
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Josef Muchitsch,
Genossinnen und Genossen
betreffend Maßnahmen gegen unbezahlte Überstunden
Jüngste Zahlen der Statistik Austria (Basis 2022) haben ergeben:
· Fast 200 (192,5) Millionen Mehr- und Überstunden leisten die Arbeitnehmer*innen in Österreich, rund ein Viertel davon (47 Mio.) werden ohne Bezahlung geleistet.
· Dadurch verlieren die Arbeitnehmer*innen rund 1,2 Mrd. Euro pro Jahr, dementsprechend entgehen dem Steuer- und Abgabentopf auch hunderte Millionen Euro an Steuern und Sozialversicherungsabgaben.
Es braucht daher Fairness für die Arbeitnehmer*innen in der Arbeitswelt und es muss durch ein umfassendes Fairnesspaket unbezahlte Arbeit zurückgedrängt werden.
Teilzeit:
Vollzeitbeschäftigte bekommen ab der 41. Wochenstunde einen gesetzlichen Überstundenzuschlag von 50 Prozent. Teilzeitbeschäftigte erhalten bei sogenannter „Mehrarbeit“, also bei Arbeit über ihr vereinbartes Wochenausmaß hinaus, nur 25 Prozent Zuschlag und dieser wird wegen verschiedener „Hintertüren“ (Ausgleichszeitraum von drei Monaten) oft nicht bezahlt. Deshalb sollen diese Hintertüren geschlossen werden und der Mehrarbeitszuschlag auch auf 50 Prozent erhöht werden. Das wäre auch ein Anreiz für die Arbeitgeber wieder mehr Vollzeit- statt Teilzeitarbeitsplätze anzubieten.
Lohnvorenthaltung:
Sozialbetrug und Lohndumping sowie systematische Lohnvorenthaltung setzen fair und redlich wirtschaftende Unternehmen enorm unter Druck. Redliche Unternehmen dürfen aber nicht die Dummen sein. In der Praxis ist das Hauptproblem in der arbeitsrechtlichen Beratung nicht bezahlter Lohn. D. h. es gibt Unternehmen, die ihren Arbeitnehmer*innen systematisch Lohn vorenthalten und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber redlichen wirtschaftenden Mitbewerbern verschaffen. Fordern die Arbeitnehmer*innen ihre berechtigten Ansprüche ein, ist nur das ursprünglich Geschuldete (mit Zinsen) nachzuzahlen. Das ist keine ausreichend abschreckende Sanktion. Bei rechtsgrundloser Lohnvorenthaltung müssen daher Zuschläge (z. B. Verdopplung) zum geschuldeten Lohn geleistet werden.
Problematische Vertragsklauseln:
Mit mehr als 1,6 Millionen neuer Arbeitsverhältnisse jedes Jahr ist Österreich einer der dynamischsten Arbeitsmärkte überhaupt. Beim Abschluss des Arbeitsvertrages sind die Arbeitnehmer*innen so gut wie immer in der schlechteren Position. Um einen Job zu bekommen, sind sie oft bereit, alles zu unterschreiben, was ihnen vorgelegt wird. Außerdem sind die meisten Arbeitsverträge von den Unternehmen unter Zuhilfenahme von Vertragsspezialisten bereits vorformuliert und die Bewerber*innen um einen Job haben keine Möglichkeit, den Vertragsinhalt zu verhandeln. In Anbetracht dieses massiven Ungleichgewichts beim Arbeitsvertragsabschluss ist gesetzlicher Schutz vor Übervorteilung das einzige Mittel gegen unfaire nachteilige Klauseln. Nach den Auswertungen der Arbeiterkammer enthalten 9 von 10 Arbeitsverträgen für Arbeitnehmer*innen problematische Klauseln:
· Verfallsklauseln
Nicht bezahlte arbeitsrechtliche Ansprüche wie Lohn, Gehalt oder Überstunden verjähren grundsätzlich nach drei Jahren. Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen zielen darauf ab, diese gesetzliche Verjährungsfrist zu verkürzen. Nach der Judikatur sind sogar Verfallsklauseln mit drei Monaten zulässig. Solche Verfallsklauseln können sehr weitreichend sein und alle arbeitsrechtlichen Ansprüche betreffen. So kommt es häufig vor, dass geleistete aber nicht bezahlte Überstunden nach dem Ablauf von wenigen (z. B. drei) Monaten nach Erbringung nicht mehr eingeklagt werden können, wenn die Bezahlung nicht schriftlich gefordert wurde.
Im Ergebnis bedeutet das, dass Arbeitnehmer*innen entweder während aufrechtem Arbeitsverhältnis mit ihrem Arbeitgeber streiten und dementsprechend ihren Arbeitsplatz riskieren müssen. Oder – was der Praxis entspricht – sie fallen schlicht um verdientes Entgelt um. Diese Praxis ist höchst unfair, benachteiligt redliche Arbeitgeber und muss deshalb gesetzlich unterbunden werden.
· All-In-Klauseln
All-in-Verträge bedeuten, dass mit einer vertraglichen Pauschalentlohnung alle Leistungen aus einem Arbeitsverhältnis abgegolten werden. Diese All-In-Verträge können aber leicht zur Mogelpackung werden. Vielfach glauben Arbeitnehmer*innen, ein angemessenes Entgelt verhandelt zu haben, werden aber durch zahlreiche, nicht extra abgegoltene Überstunden, Wochenendarbeit etc. in der Gesamtrechnung auf einen viel niedrigeren Stundensatz gedrückt, oft sogar unter den kollektivvertraglichen Mindestlohn. Das ist natürlich nicht erlaubt. Auch bei einer All-in-Vereinbarung gehen die Arbeitszeiten nicht ins Uferlose und Arbeitnehmer*innen dürfen weder mehr Arbeitsstunden leisten als gesetzlich erlaubt sind, noch dürfen sie bei der Entlohnung unter den kollektivvertraglichen Mindestlohn fallen. Die Situation hat sich allerdings durch das Hinaufsetzen der Arbeitszeitgrenzen (12-Stunden/Tag, 60-Stunden/Woche) zusätzlich verschärft.
Wesentlich ist, dass All-in-Vereinbarungen ursprünglich für sehr gutverdienende Beschäftigte gedacht waren und dort haben sie auch ihre Berechtigung. Für das Gros der Arbeitnehmer*innen sollen aber diese arbeitsrechtlichen Schummelpackungen nicht erlaubt sein.
· Konkurrenzklauseln
Viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Konkurrenzklauseln. Es handelt sich dabei um Vereinbarungen, mit denen Arbeitnehmer*innen verpflichtet werden, bis zu einem Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in der Branche des alten Arbeitgebers tätig zu werden: Und zwar weder als Arbeitnehmer*in noch auf selbstständiger Basis. In vielen Fällen wird die Einhaltung der Konkurrenzklausel mit teils empfindlichen Vertragsstrafen abgesichert. Konkurrenzklauseln schränken die Mobilität von betroffenen Arbeitnehmer*innen erheblich ein. Arbeitgeber erschweren ihren Mitarbeiter*innen einen Wechsel innerhalb der Branche zur Konkurrenz.
Trotzdem sind diese Klauseln unter folgenden Voraussetzungen gültig:
- Das Gesetz erlaubt Konkurrenzklauseln höchstens bis zu einem Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- Das Gesetz verbietet Beschränkungen, die praktisch einem Berufsverbot gleichkommen.
- Ob die Konkurrenzklausel zur Anwendung kommt oder nicht, hängt davon ab, wie das Arbeitsverhältnis endet. Nicht bei jeder Beendigungsart wird die Konkurrenzklausel auch schlagend. Arbeitnehmerkündigung, berechtigte Entlassung oder ein unberechtigter vorzeitiger Austritt aber auch eine einvernehmliche Lösung lassen die Konkurrenzklausel jedoch schlagend werden.
- Wirksam ist eine Konkurrenzklausel nur dann, wenn das Entgelt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine bestimmte Grenze übersteigt. Derzeit muss das monatliche Entgelt bei Beendigung brutto 3.900 Euro (2023) übersteigen, damit die Konkurrenzklausel gültig ist. Das Entgelt umfasst in diesem Fall Lohn oder Gehalt sowie den Durchschnitt der sonstigen unregelmäßigen Entgeltbestandteile wie z.B. Überstunden, Zulagen oder Provisionen. Anteilige Sonderzahlungen werden nicht eingerechnet. In einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft sind solche Konkurrenzklauseln höchst unbillig, weil sie die Erwerbsmöglichkeiten von Menschen über das Arbeitsverhältnis hinaus stark beeinträchtigen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der ein Fairnesspaket gegen unbezahlte Arbeit umgesetzt wird. Insbesondere soll dieses Paket folgende Maßnahmen enthalten:
· Erhöhung des Mehrarbeitszuschlags bei Teilzeit von 25 Prozent auf 50 Prozent
· Zuschläge (z.B. Verdopplung) bei rechtsgrundloser Lohnvorenthaltung zum geschuldeten Lohn
· Totalverbot von Verfallsklauseln während aufrechtem Arbeitsvertrag
· Verbot von All-In-Klauseln unter einer bestimmten Verdienstgrenze (Höchstbeitragsgrundlage 2023: 5.850 Euro brutto/Monat)
· Gänzliches Verbot von Konkurrenzklauseln.“
Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales