Eingebracht am 27.04.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚
MA, Dr. Stephanie Krisper, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Reformpaket
für die Bundesverwaltung
Der
"ÖVP-Korruptions"-Untersuchungsausschuss hat unter anderem
gezeigt, dass wesentliche Teile der Verwaltung in keinem guten Zustand sind.
Bestimmte Bereiche der Verwaltung agieren parteipolitisch und nicht im Sinne
der Republik, anderen Teilen fehlt schlicht die fachliche Kompetenz zur
Erfüllung ihrer Aufgabe. Dies liegt unter anderem daran, dass den
Minister:innen erhebliche Macht bei der Personalauswahl zukommt und diese Macht
in der Vergangenheit partiell missbraucht wurde: Minister:innen, die
Mitglieder "ihrer" Partei versorgen und das Wohl ihrer Partei vor das
Wohl des Staates rückten und rücken, sind für die Politisierung
der Verwaltung und die Verschlechterung deren Qualität
verantwortlich.
Die machtvolle Position
der Minister:innen ergibt sich vor allem durch die folgenden Aspekte:
- Die Auswahlkommissionen
zur Bestellung von Positionen in den Ministerien bestehen grundsätzlich
aus vier entscheidungsberechtigten Personen. Von den vier
Entscheidungsberechtigten kommen zwei aus der Personalvertretung, die
anderen beiden - darunter der Vorsitzende der Auswahlkommission - werden
direkt von der/dem Minister:in ausgewählt. Der/dem Vorsitzenden kommt
ein Dirimierungsrecht zu. Dieses System hat für Minister:innen den
Vorteil, dass sie sich hinter einer "unabhängigen"
Kommission verstecken können. Gleichzeitig bestehen bei Mitgliedern
der Begutachtungskommissionen - auch wenn sie für ihre Tätigkeit
in diesen Kommissionen (formell) weisungsfrei gestellt sind -
Abhängigkeitsverhältnisse, da sie in ihrem "Brotberuf"
in die Linie des Ministeriums eingegliedert sind. Einerseits sind sie als
Beamt:innen des Ministeriums vom Wohlwollen hierarchisch
übergeordneter Personen abhängig; um kein schlechtes
"Standing" gegenüber den eigenen Vorgesetzten zu haben, mag
es aus karrieretaktischen Gründen vorteilhafter sein, den im ganzen
Ministerium bereits kolportierten Namen als den bestgeeigneten zu reihen.
Andererseits kann ein Mitglied einer Kommission selbst auch von
Beamtenkolleg:innen abhängig sein, welche einmal eine
Begutachtungskommission bekleiden könnten, in der man selbst als
Bewerber:in auftritt. Dieses gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis
begünstigt in den "unabhängigen"
Begutachtungskommissionen ein Klima, in welchem es für die eigene
Karriere zuträglicher ist, die/den von Kabinett und Minister:in
gewünschten Kandidat:in als am bestgeeigneten zu reihen als eine
Reihung strikt nach Qualifikation vorzunehmen.
- Auch für politisch
gewünschte Personen, welche aber leider ohne entsprechende
Qualifikation ausgestattet sind, gibt es Lösungen. Interimistische
Positionen in den Ministerien können nämlich einfach aufgrund
der Entscheidung eines:r Minister:in - also willkürlich und ohne
Kommission - besetzt werden. Dies ermöglicht die Umgehung des
gesetzlich vorgesehenen Bestellungsvorganges, indem Positionen lange
interimistisch besetzt werden, damit später - in einer
Auswahlkommission bei regulärer Bestellung - argumentiert werden
kann, dass der:die Kandidat:in den Job ja nachweislich könne, weil
sie das ja bereits im Rahmen der interimistischen Besetzung gezeigt habe.
So wird die mangelnde Qualifikation über das interimistische
Ausüben einer Position - von Minister:ins Gnaden - kompensiert.
- Überdimensionale
Kabinette: Die Kabinette wurden in den letzten Jahren massiv aufgeblasen
(zB BKA aktuell: 27 Personen, insgesamt in allen Ministerien über
250). Dies führt zu einer Aushöhlung der Verwaltung und zu
doppelten Strukturen, zudem werden damit auch Versorgungsstellen
geschaffen. Beliebt ist es auch, Kabinettsmitarbeiter:innen direkt aus dem
Kabinett in hohe Verwaltungspositionen zu hieven, was eine Politisierung
der Verwaltung nach sich zieht. Der Verwaltungsapparat sollte jedoch
unpolitisch besetzt sein und sich rein aus Fachexpert:innen
zusammensetzen.
- Die:der Minister:in kann
alleine umfassende Änderungen der Geschäftseinteilung vornehmen
(also zB neue Abteilungen schaffen oder zusammenlegen). Dies bietet eine
Möglichkeit "umzufärben".
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere der Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur,
öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, sich einer ernsthaften
Reform des Bestellungsrechts im öffentlichen und staatsnahen Bereich zu
widmen. Unter Einbindung von Expert:innen soll eine Regierungsvorlage
erarbeitet werden, die den gegenwärtig offenkundigen Problemen von
Postenkorruption im öffentlichen und staatsnahen Dienst begegnet. Folgende
Punkte sollen unbedingt berücksichtigt werden:
- Interimistische
Betrauung darf nur maximal 6 Monate dauern und in der
Qualifikationsbewertung innerhalb einer Auswahlkommission keine Relevanz
haben.
- Für Auswahl- und
Personalkommissionen wird ein neues Auswahlverfahren geschaffen. Externe,
unabhängige Expert:innen führen den Vorsitz. Die Mitglieder
werden aus einem Pool aus internen Verwaltungsbediensteten und externen
Personalexpert:innen per Los bestimmt.
- Die Kabinette werden
zahlenmäßig begrenzt.
- Cooling off für
Kabinettsmitarbeiter:innen: Stammen Kabinetsmitarbeiter:innen aus der
Ministerialverwaltung, so können sie nach Beendigung ihrer
Tätigkeit für ein Jahr nur auf ihre Position zurückkehren.
Stammen Kabinettsmitarbeiter:innen nicht aus der Ministerialverwaltung,
dürfen sie nur auf unterer Ebene in der Ministerialverwaltung (also
nicht zB als Abteilungsleiter:in) anfangen.
- Personalleihen sind nur
mehr in begründeten Ausnahmefällen möglich.
- Hearings werden bei
Personalbestellungen für Sektionschef:innen und
Geschäftsführer:innen für ausgegliederte Gesellschaften
verpflichtend.
- Umfassende
Begründungspflichten für den:die Minister:in, warum eine neue
Geschäftseinteilung notwendig ist: Bei jeder neuen
Geschäftseinteilung ist zwingend der Rechnungshof und die interne
Revision des jeweiligen Ressorts einzubinden. Somit werden
Reorganisationen aufgrund parteipolitischer Umfärbungen vermieden.
- Entwicklung eines
Einstiegstests ("Concours") für Bewerber:innen bei
Tätigkeiten, die eine akademische Ausbildung voraussetzen.
- Die Konkurrentenklage,
ein Rechtsmittel für unterlegene Bewerbungswerber:innen gegen
unsachliche Entscheidungen der Auswahlkommissionen, wird
eingeführt.
- Doppelfunktionen in
Kabinett und Ministerialverwaltung (zB Abteilungsleiter:in und
Kabinettsmitglied) sind verboten.
"
In formeller Hinsicht
wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.