3333/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 27.04.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Yannick Shetty, Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Lehrlingsausbildung aus einem Guss in der Dualen Oberstufe
Der duale berufsbildende Zweig der Sekundarstufe 2 ist - anders als AHS und BMHS - in Österreich kein integriertes Lehrkonzept, sondern mit Polytechnikum, Berufsschule und Berufsreifeprüfung auf verschiedene Institutionen verteilt. Trotz der wichtigen Aufgabe, die ihnen zukommt, bekommen diese nicht die selbe gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit wie AHS und BMHS. Auch die zugeteilten finanziellen und personellen Ressourcen reichen oft nicht aus, um Jugendliche optimal auf ihrem Bildungsweg zu begleiten.
Nach einem Jahr auf der Polytechnischen Schule (PTS), wo Berufsorientierung im Vordergrund stehen sollte, wechselt der/die Jugendliche nach erfolgreicher Lehrstellensuche zu Betrieb und Berufsschule, um mit der Fachausbildung zu beginnen. Wie von der Polytechnischen Schule zur Berufsschule besteht auch von der Berufsschule zur Berufsreifeprüfung ein institutioneller Bruch. Die Vorbereitungskurse für die Berufsreifeprüfung finden nicht in der Berufsschule statt, Lehrlinge müssen gerade in ländlicher Umgebung oft weite Fahrten zum Kursstandort in Kauf nehmen. Während also in einer BHS der gesamte Weg zum berufsbildenden Abschluss plus Matura in einer einzigen Institution vereint ist, müssen Lehrlinge dafür drei verschiedene Einrichtungen besuchen.
Diesem Fleckerlteppich an Ausbildungsstätten fehlt es an Kontinuität und auch an der nötigen Flexibilität, um Jugendlichen mit Förderbedarf mehr Zeit zur Vorbereitung auf die Lehre zu geben und Lehrlinge bei einem Lehrstellen- oder Lehrberufswechsel adäquat zu begleiten und zu unterstützen. Die Ausbildungspflicht bis 18 kann so nicht immer erfüllt werden. Dazu kommt, dass sich einige Lehrlinge, die die Berufsreifeprüfung machen wollen würden, vom Zusatzaufwand abschrecken lassen und den weiteren Bildungsweg auf später verschieben (wodurch er allerdings kostenpflichtig wird).
Die Duale Oberstufe bietet Abhilfe: Durch einen Zusammenschluss von PTS und Berufsschule und der Integration von Berufsreifeprüfungskursen entsteht eine dritte Oberstufen-Säule, die AHS und BMHS gleichzusetzen ist. Der Zusammenschluss erfolgt schrittweise basierend auf den bereits bestehenden Bildungsregionen. Der erste Schritt bedeutet Kooperation, der zweite (mittelfristige) Schritt eine gemeinsame Leitung und der dritte (sehr langfristig anzulegende) Schritt eine Harmonisierung der Standorte. Neu entstehende PTS-Zentren sind im Idealfall am gleichen Standort wie Berufsschulen untergebracht oder befinden sich in deren Nähe. Es findet jedenfalls reger Austausch zwischen den verschiedenen PTS und Berufsschulen der Bildungsregion statt. Soweit möglich teilen sich PTS und Berufsschule Ressourcen wie Lehrkräfte und Räumlichkeiten, um den nahtlosen Übergang vom polytechnischen Unterricht in die Lehre zu vereinfachen. Berufsorientierung bleibt ein Fokus des polytechnischen Einstiegjahrs in die Duale Oberstufe - die Ressourcen und Firmenkontakte der Berufsschule helfen den Jugendlichen bei Orientierung und Lehrstellensuche und durch den Kontakt mit Lehrlingen im Berufsschulteil bekommen sie einen realistischen Einblick in den Lehralltag.
Die duale Oberstufe bietet außerdem Möglichkeiten, den Einstieg in die Lehre aufzuschieben, um Defizite aufzuholen. Wer nach dem Orientierungsjahr keine Lehrstelle gefunden hat, kann entweder in Richtung Überbetriebliche Lehre geleitet werden oder ein weiteres Orientierungsjahr absolvieren. Lehrpersonal und Schüler:in entscheiden gemeinsam, welcher Weg besser zu den Jugendlichen passt. Dieser Weg ist auch besonders vielversprechend für Jugendliche, die noch nicht über genügend Sprachkenntnisse verfügen, um mit einer Lehre beginnen zu können. Das Konzept des Content integrated language learning kann angewandt werden, um sowohl Sprache als Inhalte zu vermitteln, und die Jugendlichen mit etwas extra Zeit auf die Lehre vorzubereiten - so bleiben sie nicht hinter ihren Möglichkeiten zurück. Auch Lehrabbrecher:innen kann die Duale Oberstufe helfen. Sie können Coaching und Hilfe bei der Neuvermittlung in Anspruch nehmen und sich in einer Orientierungsklasse neu orientieren, falls der gewählte Lehrberuf nicht das Wahre war.
Die Duale Oberstufe soll die Übergänge vom Berufsorientierungsjahr in die Lehre und von Lehrstelle zu Lehrstelle begleiten und dafür sorgen, dass niemand auf der Strecke bleibt. Gleichzeitig soll auch der Schritt von der Lehre zur Berufsreifeprüfung, für diejenigen, die das wollen, normalisiert werden. In der Dualen Oberstufe werden kostenfrei Vorbereitungskurse auf die Berufsreifeprüfung angeboten, die sich mit dem Terminplan der Jugendlichen vereinbaren lassen (abends bzw. am Wochenende) und am gewohnten Schulstandort stattfinden. Die Teilnahme ist freiwillig. Wer das will, kann sich voll und ganz auf die Lehrausbildung konzentrieren. Wer sich für die Absolvierung der Berufsreifeprüfung entscheidet, soll sich optional nach dem Lehrabschluss eine kurze Auszeit vom Job nehmen können, um die noch nicht abgelegten Module der Berufsreifeprüfung abzuschließen - während dieser Zeit soll der/die Lehrabsolvent:in Recht auf eine Förderung analog zur Studienbeihilfe haben.
Die Duale Oberstufe aus einem Guss hilft Jugendlichen, die richtige Ausbildung zu finden und zu behalten. Sie lässt niemand fallen, der noch keine Lehrstelle hat oder seine Lehrstelle aufgeben musste und bietet einen klaren Weg zur Berufsreifeprüfung, die weitere Ausbildungen ermöglicht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung,
und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert,
die Möglichkeit einer schrittweisen Zusammenführung von
Polytechnischer Schule, Berufsschule und Berufsreifeprüfungskursen
prüfen zu lassen und eine solche Zusammenführung bei positivem
Ausgang der Prüfung zu veranlassen."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.