3338/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Christian Ries

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhalt des Weltkulturerbes Fertö-Neusiedler See

 

 

Der Neusiedler See ist der größte See Österreichs und der westlichste Steppensee Europas und damit ein faszinierender und europaweit bedeutender Lebensraum mit einer in dieser Zusammenstellung wohl einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt.  Seit etwa 13.000 Jahren – also in etwa seit dem Ende der letzten Eiszeit – prägt er Landschaft und Kleinklima des Nordburgenlandes.

 

Laut UNESCO ist die Region an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn ein außergewöhnliches Welterbe. 8000 Jahre lang fand hier ein reicher Kulturtransfer finno-ugrischer, slawischer und germanischer Völker statt, der die Bildung einer einzigartigen Kulturlandschaft bedingte. Bereits seit prähistorischer Zeit liefen bedeutende Handelswege, etwa die Bernsteinstraße(n), durch das Gebiet um den See und bedingten einen frühen Austausch zwischen der ansässigen Bevölkerung und fremden Kulturen. Nach römischer Herrschaft wurde das Gebiet Schauplatz der Völkerwanderung und der damit verbundenen Umbrüche. Ein historisches und naturkundliches Unikum im Herzen Europas, ist eben dieser Neusiedler See, der von jeher das Herzstück der Region bildete und über die Jahrhunderte ein länderübergreifendes Welterbe formte. Mit einer Kernzone von rund 68.369 ha und einer Pufferzone von 6.347 ha Fläche wurde die Region Fertö-Neusiedler See im Jahr 2001 als transnationale Einschreibung in die Liste des Welterbes aufgenommen. Ungefähr zwei Drittel dieser Fläche gehören zu Österreich, ein Drittel liegt auf ungarischem Staatsgebiet. Das Welterbe umfasst den gesamten See samt Schilfgürtel, das UNESCO-Biosphärenreservat bzw. Ramsar-Feuchtgebiet Neusiedlersee-Seewinkel sowie 20 Gemeinden auf österreichischer Seite und 10 Gemeinden in Ungarn.

 

Um den See herum befinden sich weite, landwirtschaftlich genutzte Flächen, die heute vorwiegend dem Weinanbau gewidmet sind. Nicht zuletzt das vom See abhängige Kleinklima schafft die Grundlage für erlesene, charaktervolle Rot- und Weißweine. Die Weine aus dieser Region sind weltbekannt und genießen in der Fachwelt einen guten Ruf. Auch der Tourismus im Norden des Burgenlands hat ursächlich mit dem Neusiedler See zu tun. Ohne See ist ein Tourismus, der ein wesentliches wirtschaftliches Standbein der Region darstellt, im Nordburgenland kaum vorstellbar. Viele Familienbetriebe sind wirtschaftlich direkt oder indirekt an den See gebunden, der der nahen Millionenstadt Wien ein beliebter und rege frequentierter Naherholungsraum ist.

 

In den vergangenen Jahrzehnten wurden durch den Menschen zahlreiche Eingriffe in den Wasserhaushalt des Sees mit seinem Umland vorgenommen, die sich jetzt in Zeiten der Wasserknappheit durch ausbleibende Niederschläge katastrophal auswirken. Zwischen 1895 und 1909 wurde ein Kanal, der Einser-Kanal, im Grenzgebiet Österreich-Ungarn errichtet. Der Kanal verläuft nur auf ungarischem Staatsgebiet, anfangs unmittelbar parallel zur Grenze zwischen Österreich und Ungarn und entwässert den Neusiedler See zur Donau. Er beginnt am südöstlichen Ufer des Sees und verläuft fast geradlinig nach Osten. Nach rund 30 km Fließstrecke mündet der Einser-Kanal in die dort stark regulierte „Rabnitz“. Etwas östlich von Pamhagen mündet der Fluss „Ikva“ rechtsseitig in den Kanal. Außerdem werden noch Entwässerungsgräben des Seewinkels in den Einser-Kanal abgeleitet. Diese Maßnahmen waren zurzeit der Errichtung des Kanals, als dem See noch keine touristische Bedeutung beigemessen wurde, als Urbarmachungsmaßnahme für weite Teile des Seewinkels, der bis dahin auch Überschwemmungszone des Sees war, gedacht. Heute, in Zeiten knapper Niederschläge, muss dahingehend dringend umgedacht werden und dem See unter die Arme gegriffen werden, da er sich – bedingt durch die menschlichen Eingriffe in der Vergangenheit – wohl ohne Einwirkung des Menschen nicht mehr zu regulieren vermag. Dessen einziger Zufluss, die „Wulka“, bringt zurzeit ebenfalls nur geringe Mengen in den See ein.

 

Der Wasserstand des Sees ist mittlerweile alarmierend: Mit Stichtag 19.03.2023 hat der See einen Wasserstand von 115,01 müA (Meter über Adria). Damit fehlen ihm auf den Höchststand (seit 1965) im Jahr 2009 (115,83 müA) mit selben Stichtag 82 cm. Auf das langjährige Mittel (115,58 müA) seit 1965 fehlen dem See zurzeit immerhin 57 cm und auf den Stand im Vorjahr, ebenfalls zum selben Stichtag (damals 115,23 müA) bereits 22 cm.

 

Diese Differenzen des Wasserstands sind insofern dramatisch, als die Schiffbarkeit des Sees für dieses Jahr 2023 bereits mehr als infrage gestellt ist. Das heißt, es werden die Rundfahrtschiffe, die Ost- und Westufer miteinander verbinden, Probleme haben, ihren Betrieb 2023 überhaupt erst aufzunehmen. Von einer durchgehenden Schiffbarkeit im Jahr 2023 spricht ohnehin niemand mehr. Bereits im Vorjahr konnten auch viele Segelboote nicht mehr manövrieren, sodass unzählige Bootsstege dadurch verwaist waren und wohl auch heuer sein werden.

 

Das Land Burgenland hat eine Gesellschaft gegründet, deren Tätigkeit eben erst heuer begonnen hat. Die Tätigkeit der Gesellschaft erstreckt sich vor allem auf drei Bereiche:

 

1. Beseitigung von Schlamm aus den Seebädern und Häfen,

2. Regulierung des Schilfwachstums um den See und

3. Prüfung der Zuleitung von Wasser zum See.

 

Das Land Burgenland scheint mit dieser Aufgabe als Bundesland überfordert zu sein, weshalb ein Engagement der Republik im Sinne des „Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ notwendig erscheint.


 

Die rechtlichen Grundlagen für ein Tätigwerden der Republik ergeben sich aus dem Ende des Jahres 1992 ratifizierten Staatsvertrag, dem Welterbe-Übereinkommens der UNESCO, das am 28. Jänner 1993 im Bundesgesetzblatt (BGBl) 60/1993 veröffentlicht wurde. Am 18. März 1993 trat somit das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ auch für Österreich in Kraft und Österreich wurde der 133. Vertragsstaat, sodass die Einhaltung der Bestimmungen dieses Vertrags sohin einen verpflichtenden Handlungsauftrag für die Republik Österreich entfalten.

 

Abgeleitet aus Artikel 4 des Übereinkommens ist die Republik dazu verpflichtet, den Schutz und Erhalt des Neusiedler Sees sowie dessen Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Dazu muss unter vollem Einsatz eigener Hilfsmittel und gegebenenfalls internationaler Unterstützung und Zusammenarbeit alles Mögliche getan werden. Bei der Austrocknung des Sees untätig zu bleiben, stellt somit eine Vertragsverletzung dar. Eine transnationale Zusammenarbeit, in diesem Fall mit der Republik Ungarn, ist gemäß diesem Artikel auf jeden Fall zu bejahen, was ein Tätigwerden der Republik unterstreicht.

 

Der Artikel 5 des Übereinkommens verpflichtet die Republik, sich darum zu bemühen, dass Untersuchungen, Forschungen und Arbeitsmethoden entwickelt werden, um für den Neusiedler See drohende Gefahren zu bekämpfen. Die durch den Klimawandel bedingten steigenden Temperaturen und die dadurch verstärkte Austrocknung stellen für den See eine drohende Gefahr in diesem Sinne dar.

 

Des Weiteren hat die Republik geeignete rechtliche, wissenschaftliche, technische, Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen zu treffen, die für Erfassung, Schutz, Erhaltung in Bestand und Wertigkeit sowie Revitalisierung des Sees erforderlich sind, da die Republik nicht nur mehr Kompetenzen, sondern auch mehr Ressourcen als das Land Burgenland zu bündeln vermag und damit effektivere Mittel in der Hand hat, um die angeführten Vorgaben dieses Staatsvertrages zu erfüllen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, umgehend gemäß der Artikel 4 und 5 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt durch gemeinsame Maßnahmen mit der Republik Ungarn tätig zu werden, um den Erhalt des Weltkulturerbes „Fertö-Neusiedler See“ sicherzustellen.“

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Umweltausschuss ersucht.