3342/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 27.04.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak
und weiterer Abgeordneter
betreffend 6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels
Gerade im Spitalsbereich haben sich seit 2012 mit der Einführung der EU-Arbeitszeitrichtline die Bedingungen für Ärzte und Gesundheitspersonal zum Negativen gewendet. Die Corona-Krise und der Umgang der Regierung mit den Spitalsmitarbeitern hat ihr Übriges dazu getan, dass eine Selbstkündigungswelle folgte, Pflegekräfte in andere Berufe abwanderten und viele ältere Beschäftigte vorzeitig in die Pension drängten.
Die aktuellen Probleme im Zusammenhang mit dem medizinischen Personalmangel lassen sich in drei Bereiche einteilen: Personalmangel, die Leistungsebene sowie Komplexität von Finanzierung und Entscheidungskompetenz.
Im Bereich Personal müssen die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und die strukturellen Probleme gelöst werden. Dazu müsste für eine ordentliche Personalplanung der österreichische Strukturplan Gesundheit evaluiert werden, ebenso wie die regionalen Strukturpläne. Aber auch die überbordende Dokumentationspflicht und bürokratische Dauerbelastungen verschärfen die Situation. Bezüglich der Arbeitszeiten im Gesundheitswesen braucht es mehr Planungssicherheit für die Beschäftigten mit verbesserter Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Der Pensionierungswelle könnte man kurzfristig durch Anreize zur Weiterbeschäftigung und eine temporäre Aufhebung der Altersgrenze für Kassenärzte entgegenwirken. Besonders rasch wäre auch eine Integration der Wahlärzte in das öffentliche Gesundheitssystem mit einer Möglichkeit der „Doppeltätigkeit“ als Wahl- und Kassenarzt wirksam. Mittelfristig können bundesweit einheitliche Stipendien für Medizinstudenten eine Lösung sein, durch die sich junge Ärzte zur Annahme einer Kassen- oder Spitalsstelle verpflichten. Angepasste Ausbildungskapazitäten bei den Fachärzten, Anreize für Mangelfächer und ein Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin stellen weitere richtige Schritte dar.
Die strukturelle und personelle Leistungsebene bezieht sich auf den Umstand, dass das österreichische Gesundheitswesen in den letzten Jahren immer „spitals-lastiger“ geworden ist. Die Zahl der Primärversorgungszentren, die für Entlastung sorgen könnten, ist aber noch immer weit davon entfernt, Kapazitäten aus den Spitälern übernehmen zu können, hinzu kommt ein weiter schwindender Anteil an kassenärztlichen Ordinationen. Es bedarf aber auch einer Ausweitung und Aufwertung der Kompetenzen aller Gesundheitsberufe, um eine größere Akzeptanz und eine Entlastung der jeweiligen höherwertigen Berufe zu schaffen. Wir benötigen auch eine Lenkung der Patientenströme in die richtige Richtung, nämlich in die Gesundheitsversorgung vor Ort in den niedergelassenen Bereich, um eben die Spitäler zu entlasten.
Der Versuch einer Lenkung der Finanzierung des Gesundheitssystems ist in den letzten Jahren über die Landeszielsteuerung und 15a-Vereinbarung mit mäßigem Erfolg unternommen worden. Für eine effiziente Mittelverwendung und Lenkung der Patientenströme bedarf es einer Verknüpfung der Finanzierung und der Entscheidungskompetenz. Durch die föderalen Strukturen erscheint das aber fast unmöglich zu sein. Aber nur eine Finanzierung aus einer Hand wäre langfristig die effizienteste Möglichkeit, die Steuerbarkeit des Gesundheitssystems herzustellen und die vorhandenen Mittel bestmöglich einzusetzen.
Was es jetzt braucht, ist ein umsetzungstauglicher Maßnahmenkatalog, der folgende Eckpunkte umfasst:
1. Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens
· Überarbeitung des regionalen Strukturplan Gesundheit mit Priorität auf „Niedergelassene Versorgung“ und Reduktion der Abweichungstoleranz von 30 % auf 15 %
· Einheitliche Festlegung des Personalschlüssels für Spitäler
· Berücksichtigung von Pensionswelle und Ausbildungskapazitäten
2. Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen
· Auszahlung geleisteter Überstunden
· Auszahlung der vollen versprochenen Pflegeprämie und Erweiterung des Bezieherkreises – SV- und steuerfrei!
· Verbesserung aller Gehaltschemata und Anrechnung von Vordienstzeiten
3. Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsbildern des Gesundheitswesens
· Abbau administrativer Tätigkeiten, ggf. Verlagerung ins Sekretariat
· Überarbeitung der Berufsbilder à Anerkennung und Aufwertung der Tätigkeit
· FA Allgemeinmedizin à „Einzelträger“- PVE
4. Weiterbeschäftigung älterer Ärzte und Erweiterung der Ausbildung
· Weiterbeschäftigung schafft Zeit für adäquate Ausbildung
· Aufhebung der 70-Jahre-Grenze für Kassenärzte
· Zusätzliche Ausbildungsstellen und temporäre Aufhebung der Ausbilder-Quote
· Bedarfsorientierte Festlegung der Studienplätze
5. Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung
· Schnellste Möglichkeit, mehr Studienabsolventen in das öffentliche Gesundheitssystem zu bekommen
· Bundesweit einheitlich, um Bieter-Wettbewerb zu verhindern und Planbarkeit zu gewährleisten
· Bindet Absolventen der österreichischen Medizin-Unis, die besser in das bestehende System integrierbar sind als Auswärtige
6. Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem, Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbots
· Sofort versorgungswirksam, da Qualitäten und Infrastruktur vorhanden
· ½ und ¼-Verträge zusätzlich zur Wahlarzttätigkeit
· Ermöglichung z.B. Kasse – Allgemein Arzt und FA Wahlarzt und umgekehrt
· (4.208 Ärzte mit Doppelqualifikation!)
Darüber hinaus sind auch mittel- und langfristige Reformschritte notwendig:
Langfristige Reform des Gesundheitssystems
· Ausbau der wohnortnahen Versorgung: Hausarzt, PVZ NEU, Facharzt, Pflege
· Spezialisierung der Spitäler
· Ausbau von Pflege und Reha
· Patientenlenkung (primär durch Positiv-Anreize)
· Fortsetzung der SV-Reform, Hebung der Potentiale
· Finanzierung aus erster Hand, gegenüber Zwischenschritten
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen im österreichischen Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell umfasst:
· Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens
· Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen
· Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens
· Weiterbeschäftigung älterer Kassenärzte und Erweiterung der Ausbildung
· Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung
· Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes“
In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.