3358/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2023
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Petra Tanzler
Genossinnen und Genossen


betreffend „Umgang mit Mehrsprachigkeit im schulischen Bereich“

Seit erstem September 2018 werden außerordentliche Schüler*innen in sogenannten Deutschförderklassen separiert. Für die Feststellung des (außer-)ordentlichen Status und die Zuteilung in Deutschförderklassen oder in Deutschförderkurse steht seit April 2019 mit MIKA-D (Messinstrument zur Kompetenzanalyse-Deutsch) ein Instrument für den flächendeckenden Einsatz zur Verfügung, das verpflichtend in Verbindung mit der Schüler*inneneinschreibung oder Testung von außerordentlichen Schüler*innen anzuwenden ist. Die angehenden Schüler*innen müssen diese Kompetenzüberprüfung für Deutsch positiv absolvieren, um den ordentlichen Schüler*innenstatus zu erhalten. Durch diesen punktuellen Test werden Kinder jedoch bereits im Vorschulalter bewertet, für "unzureichend" befunden und aussortiert.

Von Beginn an gab es vehemente Kritik aus Expert*innenkreisen sowohl an den Deutschförderklassen als auch an den Testungen, die als methodisch nicht valide beurteilt werden. Ein punktuelles Testverfahren erscheint für die tatsächliche Kompetenzerfassung nicht adäquat. Dazu kommt, dass die Wissenschaft sowie internationale Studien sich deutlich für den integrativen Unterricht in der Bildungssprache aussprechen.

Die Unterrichtssprache Deutsch ist eine wichtige und maßgebliche Ressource für den Bildungserfolg in Österreich. Sie bedarf folglich wirksamer, evidenzbasierter Förderung, um gerechte Bildungschancen zu ermöglichen und gesellschaftlicher Fragmentierung entgegenzuwirken. Die Schaffung von Parallelstrukturen an Schulen mittels Deutschförderklassen und die Ausgrenzung mehrsprachiger Kinder aus der Regelklasse gilt es zu verhindern. Die Deutschförderklassen und der dazugehörige Kompetenztest sind daher Instrumente der Bildungsungerechtigkeit, die die Bildungsschere weiter auseinandertreiben.

Der Endbericht einer vom Bildungsministerium in Auftrag gegebenen Evaluierung zur Implementierung des Deutschfördermodells (November 2021 bis Oktober 2022) durch die Bildungspsychologin Christiane Spiel liegt hierzu bereits vor. Diese stellt dem jetzigen Modell der Deutschförderung nur ein mangelhaftes Zeugnis aus. Für den Bericht wurden an 110 Schulstandorten 1 693 Direktor*innen und Lehrer*innen befragt. Laut Auskunft der Pädagog*innen erreichten 21 bis 55 Prozent der Schüler*innen die sprachbezogenen Ziele nicht. Besser lagen die Noten bei der Erlangung von „sozialer Kompetenz". Das schafften immerhin zwischen 56 und knapp 75 Prozent. Das Deutschfördermodell insgesamt fand eine eher geringe Zustimmung, wobei Deutschförderklassen negativer bewertet wurden als Deutschförderkurse und diese wiederum negativer als die integrative Förderung.

Die Frage: Besteht aus Ihrer Sicht Bedarf, das derzeitige gesetzliche Deutschfördermodell zu optimieren?" beantworteten de facto alle Schulleiter*innen bzw. 90 Prozent der Lehrpersonen mit „Ja“. Die meisten Ansätze zur Verbesserung wurden mit Abstand auf der Steuerungsebene gesehen (u.a. kleinere Gruppen, mehr Autonomie und Flexibilität, mehr Ressourcen, integrativ statt segregiert, flexiblerer Aufstieg). Ähnlich war das Ergebnis für die MIKA-D-Tests. Auch hier wurde häufig „keine Nutzung, nur Aufbewahrung" angegeben.

Trotz der vorliegenden Evidenz hat der Bildungsminister bereits angekündigt, dass das bestehende Modell der Deutschförderung bestehen bleibt. Was der Sinn einer Evaluierung sein soll, deren Empfehlungen nicht umgesetzt werden, beantwortete der Bildungsminister nicht. Statt dem Ignorieren wissenschaftlicher Fakten braucht es aber dringend ein überarbeitetes und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationalen Studien ausgerichtetes Modell der Deutschförderung.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, das bestehende System der Deutschförderklassen und Testung abzuschaffen und auch auf Grundlage der empfohlenen Maßnahmen des Evaluationsberichtes ein flexibles Modell der Sprachförderung mit einem langfristigen, durchgängigen und direkten Ansatz, welcher die soziale Integration berücksichtigt, zu etablieren und regelmäßig evidenzbasiert weiterzuentwickeln. Dieses Modell soll jedenfalls kleinere Gruppen, Kontinuität über bis zu sechs Jahre und die Verbindung von altersgerechtem Sprach- und Fachunterricht enthalten und ohne punktuellen Test zur Beurteilung von Kindern auskommen."

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Unterrichtsausschuss ersucht.