Eingebracht am 27.04.2023
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Klaus Köchl, Josef Muchitsch,
Genossinnen und Genossen
betreffend der Lehre alle Ehre
Die Lehre kämpft – so ehrlich muss man sein - gegen einen wirkmächtigen Bildungsbegriff an, der sich lange nur an der Akademisierung der Gesellschaft orientiert hat. Ein Uniabschluss gilt in der öffentlichen Wahrnehmung am Gehaltszettel, den Karrieremöglichkeiten, und bei dem was sich Eltern für ihr Kind wünschen im Vergleich zum Lehrabschluss oft als überlegen.
Kein Wunder also, dass viele junge Menschen zwar grundsätzlich Interesse an einem Lehrberuf hätten, doch häufig vom schlechten Image der Lehre abgeschreckt werden. Seit Jahren werden daher von der Bundesregierung Versprechungen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung getätigt. In der Realität sind und bleiben das aber bisher leere Worthülsen. Angesichts des Fachkräftemangels ist dies aber fatal.
In manchen Bereichen – allen voran der Überbetrieblichen Lehrausbildung – mussten Lehrlinge sogar Verschlechterungen hinnehmen. Unter Schwarz/Blau wurde das Einkommen von Volljährigen Lehrlingen im 1. und 2. Lehrjahr von 753 Euro auf 325 Euro monatlich gekürzt. Heuer soll die nächste – reale – Kürzung durch Schwarz/Grün geschehen. Für Lehrlinge in der überbetrieblichen Lehrausbildung werden die Gehälter um nur 3% erhöht. Das ist real – angesichts einer Inflation von über 10% - eine enorme Kürzung bei jenen, die ohnehin schon am Wenigsten verdienen.
Lehrlingseinkommen werden in der Regel im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen erhöht und dort meistens überproportional, weil sie sich am untersten Ende der Löhne befinden. Beispiel Metaller: +10,2% im ersten Lehrjahr. Nicht so bei Lehrlingen in überbetrieblichen Lehrausbildungen. Sie sind zwar grundsätzlich anderen Lehrlingen in vielerlei Hinsicht gleichgestellt (z.B. durch den regulären Berufsschulbesuch und die reguläre Lehrabschlussprüfung und den regulären Einsatz im Betrieb), jedoch nicht finanziell. Sie erhalten kein Einkommen, das im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen erhöht wird, sondern eine "Ausbildungsbeihilfe". Lehrlinge in den Überbetrieblichen Ausbildungsstätten bekommen in den ersten beiden Lehrjahren nur eine Ausbildungsbeihilfe von 361,50 Euro pro Monat. Danach steigt es auf 834,90 Euro. Für 2023 ist eine Erhöhung von 11,10 Euro (+ 3,07%) in den ersten beiden Lehrjahren vorgesehen. Im 3. und 4. Lehrjahr soll es ein Plus von 25,8 Euro (+3,09%) geben. Angesichts der akutellen Teuerung geht sich mit diesem Geld das Leben kaum mehr aus.
Laut einer Befragung der „Zukunft Lehre Österreich“ sehen mehr als 90% der Befragten gerade im eigenen Geld und Einkommen eine enorme Stärke. Das damit einhergehende „auf eigenen Füßen stehen können“ erhält ebenso eine hohe Zustimmung.[1] Endlich eigenes Geld verdienen, als Lehrling einen Beruf erlernen – und dann nach der Ausbildung als Fachkraft durchstarten: Diese Hoffnung vieler Jugendlicher wird allerdings auch laut Lehrlingsmonitor von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und Gewerkschaftsjugend enttäuscht. Der vierte österreichische Lehrlingsmonitor von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und Gewerkschaftsjugend zeigt: Nur für zwei von drei Lehrlingen sind die Lehr- und Lernbedingungen im Betrieb gut. Bei gut einem Drittel der Lehrlinge haben die Lehrbetriebe noch immer Aufholbedarf.[2]
Der Lehrabschluss als Bildungsabschluss ist im Vergleich zur Matura gefühlt – zumindest was den Zugang zu weiterführenden Ausbildungen betrifft – eher eine Sackgasse als ein Türöffner. Weitere Ausbildungen – etwa der Meisterabschluss und viele andere Ausbildungsprogramme im Zuge der Erwachsenenbildung – sind kostenpflichtig. Für den Zugang zur Universität benötigt man eine Matura bzw. Studienberechtigungsprüfung. Um für mehr Durchlässigkeit zu sorgen wurde die sogenannte Lehre mit Matura ins Leben gerufen. Das ist allerdings nach wie vor ein Minderheitenprogramm. Um die Attraktivität dieses Modells zu steigern, braucht es endlich einen Rechtsanspruch auf Bildungsfreistellung während der Vorbereitungszeit für die Matura.
Derzeit gibt es rund 200 verschiedene Lehrberufe mit teilweise zu engem Berufsprofil und sehr spezifischen Ausbildungsinhalten. Vor dem Hintergrund sich rasch ändernder Berufsbilder und bereits absehbarer zukünftiger Entwicklungen am Arbeitsmarkt braucht es eine bessere Bündelung der Lehrberufe. Zu enge Ausbildungen schränken die berufliche Mobilität der jungen Menschen am Arbeitsmarkt ein. Es braucht zukunftsorientierte, qualitativ hochwertige Berufsbilder, die junge Menschen auch bei sich ändernden Berufsbildern nachhaltige Arbeitsmarktchancen eröffnen (breite Grundbildung und Erstausbildung, dann Spezialisierung und durchlässige und offene Ausbildungswege).
Dies sind nur einige Bereiche, die dringend zu reformieren sind. Denn die duale Ausbildung ist zwar gerade im internationalen Vergleich gut, die Wertigkeit der Lehre hat allerdings in den letzten Jahrzehnten stätig abgenommen. Es wird zwar immer davon gesprochen, von welcher enormen Wichtigkeit der Lehrberuf sei, die Bundesregierung hat den Worten aber keine Taten folgen lassen, um jenen jungen Menschen, die einen Lehrberuf ergreifen, die Wertschätzung entgegen zu bringen, die sie auch verdienen.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert ein umfassendes Paket zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung in Österreich zu schnüren. Dieses soll unter anderem die Erhöhung der Ausbildungsbeihilfe im ersten und zweiten Lehrjahr auf zumindest 500 Euro (Geringfügigkeitsgrenze), eine jährliche Inflationsanpassung mit aktuellster Inflation, sowie eine 13. und 14. Ausbildungsbeihilfe für Lehrlinge in der Überbetrieblichen Lehrausbildung umfassen.“
Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie