3383/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.05.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Immunität der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

 

§ 9 Abs. 1 RAO sichert in der Weise den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten berufliche Immunität zu, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einerseits verpflichtet sind, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte ihrer Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten, andererseits aber auch befugt sind, alles, was sie nach dem Gesetz zur Vertretung ihrer Partei für dienlich erachten, unumwunden vorzubringen und ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche ihrem Auftrag, ihrem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.

Diese berufliche Immunität der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist eine wesentliche Voraussetzung für die Führung eines rechtsstaatlichen Verfahrens im Interesse der Rechtunterworfenen gegenüber der Staatsgewalt. 

Einzelne Staatsanwaltschaften versuchen jedoch, diese anwaltliche Immunität zu unterlaufen, indem sie gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte strafrechtliche Ermittlungsverfahren schon in jenen Fällen einleiten, in denen die gegnerische Prozesspartei neben ihrem Bestreitungsvorbringen die Behauptung des Prozessbetruges aufstellt und das angerufene Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung die Möglichkeit hätte, den Angaben der Partei nicht zu folgen. In diesen Fällen seien die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt, die bzw. der im Sinne der von den Mandanten erteilten Informationen Vorbringen erstattet hat, Mittäter des Prozessbetruges, und zwar bereits ab dem Zeitpunkt des Vorbringens und noch vor einer gerichtlichen Entscheidung über das wechselseitige Prozessvorbringen.

Konkret hat die WKStA in einem bestimmten Fall gegen einen RA in Oberösterreich, drei in der Steiermark und zwei in Wien strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Einer dieser Rechtsanwälte hatte im Rahmen eines Besitzstörungsverfahrens aufgrund der von der Mandantschaft erhaltenen Informationen, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt nicht zu bezweifeln hatte, ein Vorbringen über einen Wegeverlauf im Jahr 1950 erstattet. Der OGH hat in einer konkret dieses Vorbringen betreffenden Zivilentscheidung auf Basis des § 9 RAO entschieden, dass es keine Veranlassung für den Rechtsanwalt gab, den Angaben seiner Partei nicht zu glauben. Trotzdem hat die WKStA in Kenntnis dieser Entscheidung des OGH und auch erst nach Vorlage dieser Entscheidung des OGH bei der WKStA ein Strafverfahren gegen diesen RA eingeleitet und dies – ohne konkreten Strafvorwurf – der zuständigen Rechtsanwaltskammer angezeigt, was berufsrechtliche Konsequenzen ausgelöst hat.

Wenngleich diese strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in der Mehrzahl der Fälle (so auch in dem konkret dargestellten Fall) in der Zwischenzeit eingestellt worden sind, so ist allein schon die Tatsache, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, nicht hinzunehmen, da darin der Versuch einer Einschüchterung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gesehen werden muss, um sie in der Vertretung der Interessen ihrer Mandant_innen zu hindern, wodurch eine wesentliche Säule des Rechtsstaates untergraben wird, stellt doch die anwaltliche Immunität eine Grundvoraussetzung dafür dar, dass die Rechtsanwälte ihren für das Funktionieren des Rechtsstaates essentiellen Beruf ausüben können.

Es erscheint daher geboten, die Bestimmung des § 9 Abs. 1 RAO in der Weise nachzuschärfen, dass Tatsachenvorbringen, welches nach den von Richterinnen und Richtern im Rahmen der Beweiswürdigung heranzuziehenden Denkgesetzen und nach allgemeiner Lebenserfahrung vom Rechtsanwalt für wahr gehalten werden kann, jedenfalls von der beruflichen Immunität der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gedeckt ist.

Alternativ bietet sich auch an, die Bestimmung des § 9 RAO in § 3 StPO einzubinden, da diese Vorschrift den Staatsanwälten und Staatsanwältinnen und Strafgerichten die Verpflichtung auferlegt auch alle Umstände des Einzelfalls, die den Beschuldigten belasten aber auch entlasten, zu berücksichtigen. Möglich wäre etwa die Anfügung eines Absatz 3 zu § 3 StPO, mit dem Staatsanwaltschaften und Gerichte verpflichtet werden, im Fall der strafrechtlichen Untersuchung von Vertretungshandlungen von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine explizite Vorprüfung der Vertretungshandlung dieser Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unter Bedachtnahme auf § 9 RAO vorzunehmen und hierüber separat abzusprechen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der eine Präzisierung der beruflichen Immunität der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Weise vorsieht, dass sie berechtigt sind, alles, was sie zur Vertretung ihrer Parteien für dienlich erachten und nach allgemeiner Lebenserfahrung für wahr gehalten werden kann, unumwunden vorzubringen."  

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.